Hallo zusammen,
allmählich bin ich wirklich mit meinem Latein am Ende und weiß nicht mehr weiter. Vor exakt einem Jahr stand ich an einem erschreckend ähnlichen Punkt und bin (zum wiederholten Mal) gnadenlos überfordert, von Emotionen übermannt und absolut überfragt.
Direkt zu meiner Geschichte: Ich (w, 27 Jahre) lebe seit über drei Jahren mit meinem Partner (m, 27 Jahre) zusammen. Vor vier Jahren entwickelte sich aus tiefer Freundschaft mehr und wir wurden ein verliebtes, glückliches Paar.
Was ich an ihm liebe, ist dieses unvergleichliche Talent, sich um mein Wohlergehen zu kümmern. Ihm liegt so viel daran, mich in allen Belangen zu unterstützen, für mich beratschlagend da zu sein und mir alles zu bieten, was ich brauche, um glücklich zu sein.
Außerdem kann ich mich immer auf ihn verlassen. Bisher gab es noch keine Herausforderung in meinem Leben, mit der er mich alleine gelassen hätte. Er würde die Welt auf den Kopf stellen, um Lösungen für mich zu finden und mich zu unterstützen.
Wir haben auch einiges gemeinsam, wie beispielsweise denselben (dämlichen) Humor, Musik- und Filmgeschmack, wir verreisen beide gern, lieben das Kochen & insbesondere das anschließende Essen und sind sehr tierliebe Menschen. Und wir würden beide gern eine Familie gründen, haben also beide einen ausgeprägten Familiensinn. Vielleicht noch nicht jetzt, aber in ein paar Jahren ...
Seit wir zusammen wohnen, hat sich einiges in unserer Beziehung geändert. Alltag ist eingekehrt und die rosarote Brille liegt mittlerweile in irgendeiner staubigen Schublade. Mit der gemeinsamen Zeit lernt man die Marotten und Fehler des Anderen kennen, was mir an und für sich nicht neu ist. Nur zeigen sich hier teilweise Wesenzüge und Verhaltensmuster, die mir nicht schmecken und meine Gefühle binnen weniger Monate enorm beeinflusst haben.
An unserem ersten gemeinsamen Silvester ist mein Freund in seiner Trunkenheit ausgeflippt, hat mich mit voller Wucht gegen eine Wand geschubst, anschließend knapp neben mein Gesicht geschlagen und mich übel beschimpft und beleidigt. Am Neujahresmorgen hatten wir eine kurze Unterhaltung über das Geschehene, wobei ich ihm deutlich mit Nachdruck klar gemacht habe, dass ich mich bei einer weiteren Ausschreitung wie dieser von ihm trennen müsse.
Ein Jahr später saß ich geschlagene 45 mins in meinem Auto vor der Haustür seines Kollegen, da ich versprochen hatte ihn abzuholen. Weil er es seinem Gastgeber gegenüber als unhöflich empfand, sein Bier halbvoll stehen zu lassen, hat er mich im kalten Auto warten lassen. Auf dem Heimweg war ich wütend, habe die Diskussion aber vertagen wollen. Mit betrunkenen Menschen zu diskutieren hat meiner Meinung nach wenig Sinn. Er hat meine Anspannung bemerkt und ist völlig ausgeflippt. Die wüsten Beschimpfungen haben sich wiederholt, während er sein Verhalten (mich im Auto warten zu lassen) ständig verharmlosend darstellen wollte. Am nächsten Morgen wiederholte sich die Entschuldigungs-Leier. Diesmal hat es einige Zeit gebraucht, bis ich darüber "hinwegsehen" konnte.
Nur sechs Monate später kehrten wir von einer Familienfeier nach Hause, hatten eine hitzige Diskussion über absolut unbedeutende Themen, bis er wieder völlig explodierte und mich während der restlichen Heimfahrt über anschrie, beleidigte, zu Hause die Tür hinter mir zuschlug, mich dagegen schubste und mich grob anpackte. Ich wurde ziemlich ruhig und sagte ihm mit fester Stimme, dass er mir Angst mache und mir mit seinem festen Handdruck weh tun würde. Daraufhin sagte er: "Wenn ich will, zünde ich dich an. Ich zünde dich an!" Erst nach einem langen, hasserfüllten Blickkontakt hat er von mir abgelassen. Ich hab mich auf die Couch verkrochen und mich in den Schlaf geheult. "Vielleicht habe ich ihn zu sehr provoziert," dachte ich mir noch. "Es liegt an meiner temperamentvollen Art. Sonst ist er ja nicht so. Er ist ein anderer Mensch! Ich erkenne ihn nicht wieder ... "
Wieder durfte ich mir am darauffolgenden Morgen lange Entschuldigungsmonologe anhören. Mir tat es so weh, zu sehen, wie Leid es ihm tut und wie liebevoll er sein kann, gleichzeitig aber zum respektlosen Monster mutiert, sobald zu viel Alkohol im Spiel ist.
Bis vor kurzem kehrte Ruhe ein.
Typische "Beziehungsprobleme" kehrten ein. Beispielsweise ist unser Sexleben komplett eingeschlafen. Auf Nachfragen hin wird mir jedes Mal ein anderer Grund serviert. Mal liegt es an der stressigen Arbeit (eigentlich ein legitimer, gut nachvollziehbarer Grund), dann an der abturnenden Verhütungsmethode (Kondome, weil ich die Pille nicht mehr nehmen möchte), später meinte er, er würde sich in seiner Haut nicht wohl fühlen. Mittlerweile gehe ich schon felsenfest davon aus, dass es an mir liegt, er sich aber nur nicht traut, mir die Wahrheit zu sagen. Aus Angst, mich zu verletzen vielleicht? Diese Mutmaßung habe ich ihm gegenüber schon geäußert, er streitet es aber verhemend ab.
Außerdem ist er sehr schweigsam geworden. Er teilt wenig mit mir - welche Musik er gerade gut findet (früher hat er mir sofort gezeigt, was er Neues entdeckt hat), wie es mit seiner Band läuft, was ihn gerade beschäftigt, welche Pläne er für die Zukunft ausheckt ... wenn ich ihn darauf anspreche, dass mir das fehle, reagiert er genervt und distanziert. Er wäre halt gestresst von der Arbeit, müsse dort den ganzen Tag mit Menschen reden und hätte abends keine Lust auf Konversation über banale Themen. Autsch. Auch das Interesse an meiner Person ist abgeschwächt. Kurze Nachfragen mit der Erwartungshaltung auf kurze Antworten.
Wenn wir mit Freunden Zeit verbringen, versucht er ständig mich zu untergraben. Zieht meine Aussagen ins Lächerliche, äfft mich nach, macht sich (auf einem verletzenden, angreifendem Niveau) über mich lustig und versucht dabei stets selbst, Mittelpunkt der Runde zu sein und sich über mich zu stellen. Darüber haben wir auch schon gesprochen und er hat mehrfach Besserung gelobt, aber bisher hat das meist nur ein paar Wochen angehalten. Irgendwann kehrt diese angespannte Grundatmosphäre ein und die Dinge wiederholten sich. Manchmal artet es auch im Streit aus - im Beisein unserer Freunde.
Letztendlich stand ich vor einem Jahr an dem Punkt, meine Beziehung aufgrund dieser Umstände zu hinterfragen. Ich hab die Konfrontation gesucht, mit ihm über all meine Anliegen sprechen können und vereinbart, ihm Zeit zu geben. Nach einem längeren gemeinsamen Urlaub und positiven Veränderungen, die bis vor ein paar Monaten angehalten haben (mittlerweile aber auch wieder einreißen), habe ich mich dazu entschlossen, für die Beziehung zu kämpfen und nicht aufzugeben. Manchmal brauchen Menschen Zeit - insbesondere für Veränderungen.
Vor ein paar Wochen dann habe ich meinen Freund von seiner Firmenfeier abgeholt. Er war so betrunken wie (gefühlt) noch nie. Auf dem Heimweg ist er wieder aus der Haut gefahren, hat mich bis aufs Übelste beleidigt ("Du bist doch geisteskrank!" / "Wie be******* kann ein Mensch sein?" / "Du bist das größte A****loch der Welt!" / "Halt einfach deine Fr***e!" / ... ) und mir dann aus dem Nichts gedroht: "Ich bring dich um. Heute Nacht, wenn du schläfst, erwürge ich dich und bring dich um!"
Seitdem ist irgendetwas in mir kaputt gegangen.
Selbstverständlich haben wir darüber gesprochen. Über alles. Ich habe ihn geradeheraus gefragt, woher diese unfassbare Wut tief in ihm kommt. Ob er darüber reden wolle - mit mir, mit seiner Familie - mit seinem besten Freund ... oder einem Therapeuten. Ob er noch glücklich in der Beziehung wäre. Ob es ihm allgemein gut gehe. Ob er sich mit der Arbeit überfordert fühle ...
Er meinte, es gehe ihm gut, er hätte kein Problem und ihm würde nichts auf der Seele brennen. Es wäre schließlich "irgendwo normal, dass Menschen betrunken aggressiv werden. Das ist nichts Neues."
Ich hab ihm klipp und klar verständlich gemacht, dass sich eine Sitation wie diese nicht wiederholen wird. Und er sich besser unter Kontrolle haben muss.
Leute, ich bin absolut durcheinander. Ich liebe ihn sehr, vorallem wegen seiner tollen Eigenschaften. Bisher hatte ich noch keinen Partner, der sich so sehr um mich gekümmert hat. Und gleichzeitig hatte ich noch keinen Partner, der mich so respektlos behandelt hat. Ich frage mich gerade, wohin mit mir. Trennung ... für die Beziehung kämpfen ... was soll ich nur tun?
Noch dazu hab ich vor einiger Zeit - ironischerweise über meinen Freund - einen Kerl kennen gelernt, für den ich mittlerweile Gefühle entwickelt habe. Passiert ist zwischen ihm und mir aber nichts - Treue ist mir das oberste Gebot für Beziehungen. Wäre auch dem Kerl gegenüber alles andere als fair – von meinem Freund ganz zu schweigen.
Ich will meine Entscheidung über das weitere Vorgehen mit meiner Beziehung allerdings nicht davon beeinflussen lassen, dass da jemand ist, der mir den Kopf verdreht. Tut letztendlich nichts zur Sache.
Help. Help. Help. Und sorry für den wortreichen Roman! Ich bin für jede Stimme hierzu dankbar und gespannt auf eure Reaktionen.