Hallo liebe Leidensgenossen!
Vor ca. 6 Wochen hat sich mein Freund nach über einem Jahr Beziehung von mir getrennt. Es geht mir zwar (abgesehen von den üblichen Selbstzweifeln, die man als Verlassener eben so hat) einigermaßen damit, aber dennoch beschäftigt mich die Situation nach wie vor, was in erster Linie an der fehlenden Aussprache liegt.
Zu unserer Geschichte: Wir kamen letztes Jahr im August zusammen, wobei es anfangs eher eine Art Experiment war, da wir zwar eine starke körperliche Anziehung verspürten, uns aber nicht vorstellen konnten, auf charakterlicher Ebene zusammenzupassen. Für meinen Ex-Freund wurde merklich sehr schnell mehr daraus, während ich mir lange nicht sicher war, ob es das richtige ist. Man muss dazu sagen, dass ich mich in einer ziemlich ungünstigen Lebenssituation befand, weil ich nach einem Auslandsaufenthalt an unerklärlichen Krankheitssymptomen litt, die mich in meiner Belastbarkeit sehr einschränkten. Ihn störte das angeblich erstmal überhaupt nicht, da er schon eher der Couchpotato ist und es gut fand, mich immer für sich zu haben. Für mich war die Beziehung eher eine sich sehr langsam aufbauende Angelegenheit. Während ich zuerst dachte, dass nie etwas richtiges daraus werden kann, habe ich dann gemerkt, dass wir uns unheimlich aufeinender zubewegten. Er war anfangs eher der verschlossene, etwas unechte Typ, aber er begann sich dann mehr und mehr zu öffnen und wir führten wundervolle Gespräche, was ich nie erwartet hätte. Er war ein unglaublich verständnisvoller und liebevoller Mensch. Wohl die typische Liebe auf den zweiten Blick. Anfang des Jahres war ich mir dann auch sicher, dass in meiner Beziehung zumindest für den Moment sehr glücklich bin. Es war auf jeden Fall immer so, dass er sehr viel überzeugter von der Beziehung war als ich. Er war anhänglicher als ich und hat mich wirklich auf Händen getragen. Mir wurde die Beziehung dann immer wichtiger und ich habe ihn als Menschen wirklich sehr sehr lieb gewonnen. Ich lernte seine ganze Familie kennen, wir fuhren gemeinsam in mehrere Urlaube während des Sommers und wir waren eigentlich immer sehr harmonisch. Wir haben uns so gut wie nie gestritten wenn ich so darüber nachdenke. Im Spätsommer kamen dann mehrere Probleme zusammen: Mein Gesundheitszustand verschlechterte sich wieder (er hat mich unglaublich unterstützt und stand immer hinter mir) und gleichzeitig stand mein Studium an und wir wussten, dass ich wegziehen werde (wenn auch nur eineinhalb Stunden Autofahrt). Schon Monate zuvor hatte er versucht, ein Studium zu finden, das möglichst dicht an meiner Studienstadt sein sollte, damit wir uns trotzdem häufig sehen würden. Ich wusste damals gar nicht, wie ich das finden soll, weil ich nicht wollte, dass er seine Zukunft so sehr von mir abhängig macht (wir sind beide erst 20). Dadurch dass es mir gesundheitlich nicht gut ging und es in meiner Familie noch ein paar andere Probleme gab, litt natürlich in der Zeit unser Sexualleben und ich bemerkte plötzlich, dass er häufig einen abwesenden oder gar pampigen Eindruck machte. Urplötzlich drehte sich die Rollenverteilung quasi um. Ich wurde anhänglicher und er immer abweisender, wobei er mir aber trotzdem noch sehr häufig seine Liebe beteuerte. Ich hatte immer Verständnis dafür, wie anstrengend es für ihn war und versuchte ihm Raum zu geben. Er nahm dann einen Job an für den er vier Wochen lang an's andere Ende von Deutschland musste. Ausgerechnet zu der Zeit, in der mein Umzug anstand. Ich habe ihn wirklich furchtbar vermisst. Er wollte jeden Abend mit mir telefonieren und war regelrecht beleidigt, wenn es einmal nicht ging. Zudem war er sehr eifersüchtig, sobald er irgendwie sah, dass ich in meinem Studium männliche Menschen kennenlerne. Nach zwei Wochen stand er als Überraschung vor meiner neuen Wohnungstür. Alles war eigentlich wunderbar. Als er zwei Wochen später wiederkam war irgendetwas anders. Ich spürte es, aber ich konnte es nicht genau festmachen. Er sagte mir aber nach wie vor, dass er mich liebe. Trotzdem wurde er immer komischer, suchte meine Nähe plötzlich nicht mehr.In der darauffolgenden Woche war ich ziemlich verzweifelt, weil bei mir einfach alles schiefging. Ich versuchte ihn so gut es ging nicht damit zu belasten und dachte mir eine Überraschung für ihn aus, um ihm zu zeigen, wieviel er mir bedeutet. Ich kam leider nie dazu, ihm damit eine Freude zu machen, denn als wir am nächsten Wochenende ausgingen, kam dann der große Knall. Er war komplett distanziert, hat nicht einmal mehr meine Hand genommen. Ich konnte das nicht mehr ertragen und habe ihn zur Rede gestellt. Es war dann als würde ein anderer Mensch vor mir stehen. Der liebevolle, verständnisvolle Freund war auf einmal eiskalt und sachlich. Es kamen die üblichen Sprüche: "Ich weiß auch nicht. Ich habe mich verändert....es liegt nicht an dir." Ich musste ihm alles aus der Nase ziehen, was mir ungeheuer schwer fiel. Ich wollte wissen woran ich bin. Nach einer quälenden weiteren Stunde kam er von "Pausemachen" über "ich weiß nicht mehr was ich fühle" bis zu "ich bin mir nicht sicher ob ich dich noch liebe". Ich war völlig am Ende, da es mir an diesem Abend ohnehin sehr schlecht ging. Mich hat die Situation komplett überfordert und ich habe sehr emotional reagiert. Es hat mich wirklich sehr verletzt. Er hingegen war völlig ungerührt. Er hat mich nicht einmal mehr berührt oder in den Arm genommen. Ich konnte das gar nicht fassen. Wir hatten ein extremes Vertrauensverhältnis in unserer Beziehung und irgendwie gab es nie Situationen, in denen man Angst haben musste, den anderen zu verlieren. Wir waren uns so vertraut, kannten den anderen in- und auswendig. Ich erkannte den Menschen kaum noch wieder der mir da gegenüberstand. Vermutlich hat mich das auch so geschockt, weil ich immer davon ausgegangen war, ich hätte den Verlauf der Beziehung sozusagen "in der Hand". Ich hätte nie gedacht, dass er sich einmal von mir trennen würde. Er, der sich quasi schon Namen für unsere Kinder ausgedacht hatte und am liebsten jede Sekunde mit mir verbracht hätte.
Ich bin dann gegangen und er ist in sein Auto gestiegen und weggefahren. Seit diesem Abend habe ich absolut nichts mehr von ihm gehört. Da ich einfach nur völlig unter Schock stand und in der Situation nichts sagen konnte, was ich eigentlich noch sagen wollte, habe ich ihm ein paar Tage später einen Brief geschrieben. Ich habe ihm keine Vorwürfe gemacht, sondern lediglich geschrieben, dass ich verstehen kann, dass er es nicht mehr ausgehalten hat mit meiner Krankheitsgeschichte und dem ganzen Druck der damit auf ihm lastete. Habe ihm geschrieben, was ich alles so an ihm mag und weshalb er ein ganz besonderer Mensch für mich ist und was ich mir noch alles mit ihm gewünscht hätte, habe mich aber auch irgendwie verabschiedet (einerseits wollte ich seine Entscheidung respektieren, andererseits wollte ich auch, dass er nicht den Eindruck bekommt, ich würde um einen zweiten Versuch betteln). Was für mich so schwierig war, war dass er bei der Trennung ja überhaupt kein klares Statement abgegeben hat. Es war so ein Rumgewurschtel. Auf jeden Fall hat er mir nicht erklärt, was seine Gründe sind und ob es an unserer Situation liegt oder woran auch immer. Es wäre eben eigentlich eine logische Schulssfolgerung, dass er aus der schwierigen Situation flüchten wollte und sich überfordert gefühlt hat. Für mich wäre es natürlich ein meilenweiter Unterschied, ob es tatsächlich an den (urplötzlich) mangelnden Gefühlen lag oder an meiner Erkrankung (bzw. ob das eine das andere ausgelöst hat). Von ihm kam aber nie eine Antwort. Er hat mir weder auf diesen Brief geantwortet, noch sich sonst irgendwie gemeldet. Ich habe das Gefühl, ich kann das immer noch nicht so richtig glauben. Wenn man ein so intensives Jahr zusammen hat, ist es quasi undenkbar, von einem auf den anderen Tag ohne den anderen dazustehen. Dieses Gefühl, dem anderen plötzlich absolut nichts mehr zu bedeuten. Diese Kälte als ich ihn das letzte Mal sah. Ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll. Zumal ich für ihn noch eine andere Bedeutung hatte als er für mich, da er im Gegensatz zu mir wenig gute Freunde hat und mir sagte, er hätte gar keine vergleichbare Bezugsperson und ich wüsste viele Dinge von ihm, die er noch nie jemandem erzählt hätte (Er hat sich während unserer Beziehung dahingehend sehr verändert, konnte sich mir öffnen). Ich integrierte ihn im Laufe der Zeit in meinen Freundeskreis und so weiter. Es ist also auch auf freundschaftlicher Basis ein krasser Einschnitt vor allem für ihn.
Wir werden uns nun ausgerechnet an Heiligabend auf einer Feier sehen und ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wie ich mich am Besten verhalten soll...
Tut mir leid, dass das nun doch so lang geworden ist...ich musste einfach nur alles mal aufschreiben (wobei im Prinzip sicher jede Menge fehlt). Danke an alle, die Lust haben, sich diesen Roman durchzulesen ;-)
Liebe Grüße