Es kann schlimmer werden
Liebe drops751,
Die Wirkstoffe der genannten Medikamente kenne ich, habe ich beide schon zu mir genommen bzw. nehme sie noch. Und ich lebe damit sehr viel besser. Generell sind sie sehr weit verbreitet und helfen vielen Menschen; naja, deutlich gesagt: am Leben zu bleiben bzw. es irgendwie zu meistern.
Es stimmt, dass sich keine Abhängigkeit wie bei anderen Medikamenten entwickelt. Allerdings kann man es nicht von einem auf den anderen Tag absetzen. Man muss es innerhalb weniger Wochen "ausschleichen". Dann hat man aber keine Nachwirkungen zu befürchten.
Die Wirkung: Erstmal dauert es mind zwei Wochen, bis eine Wirkung einsetzen kann. Ich hatte Glück, hatte nur sehr geringe Nebenwirkungen - etwas weniger Lust auf Sex, das war's. Das Positive hat also sehr überwogen: Die Phasen mit sehr schwarzen Gedanken sind mir einfach nicht mehr so unlösbar erschienen wie zuvor. Ich war bei weitem nicht mehr so träge und konnte endlich wieder regelmäßig aktiv am Leben teilhaben. Eine sehr große Erleichterung, für die ich auch deutlich größere Nebenwirkungen in Kauf nehmen würde.
WICHTIG ist:
Kaum jemand ist sich der Tatsache bewusst, dass sich depressive Gedanken "einschleifen" können, das Gehirn sich daran gewöhnt und negative Denkmuster immer häufiger verwendet, wenn bestimmte Situationen auftreten. Am besten stellt man sich das Gehirn wie einen Wald vor: Zu Beginn ist der Weg "Negative Gedanken" nur ein sehr kleiner Trampelpfad, wenn überhaupt. Doch merkt das Gehirn erst einmal, dass es über diesen Pfad ein bestimmtes Gefühl schneller erreichen kann (zB ein erwünschtes "sich fühlen" aufgrund große Trauer, die durch negative Gedanken herbeigeführt werden kann), wählt es diesen Weg wieder. Wird nun nichts unternommen um das Gehirn davon abzuhalten, wird der kleine Pfade durch die regelmäßige Nutzung ein sehr viel größerer Waldweg. Dem Gehirn beizubringen, diesen nicht mehr zu gehen ist nun unvergleichlich schwieriger, wenn nicht gar kaum mehr möglich..
Ich will nicht dafür plädieren, dass jeder sofort zu Antidepressiva greifen soll. Aber hat man eine Veranlagung - und das kann man leider vorab nicht eindeutig bestimmen - zu einer schwerwiegenderen Depression, kann es fatal sein, die ersten Anzeichen nicht bestmöglich medizinisch zu behandeln. Ich habe Patienten getroffen die sich geweigert haben Antidepressiva zu nehmen und gleichzeitig täglich über einen Suizid gegrübelt haben. Diese mussten dann manchmal sogar mit sehr viel stärkeren Medikamenten, die eine sofortige Wirkung haben (und diese machen abhängig), beruhigt werden. Ich habe Ärzte kennengelernt, die verzweifelt über die weiterhin so sehr verbreitete Angst vor (inzwischen mit vollständig anderem Wirkungsansatz funktionierenden) Antidepressiva waren.
Ich empfehle dir also, wenn es dir ein Facharzt so empfohlen hat, die Medikamente zu probieren. Ich hätte mich selbst viel früher in Behandlung geben sollen und mir dadurch wahrscheinlich einiges erspart..
Letztlich ist es einfach: Probierst du sie und stellst fest, dass es tatsächlich nichts für dich ist (die Weltwahrnehmung bleibt die gleiche; anders als bei Ritalin oder so) oder dir nichts bringt, gibt es einen einfachen Weg zurück. Das Risiko aber, dass deine Krankheit einen schwereren Verlauf nimmt als nötig, solltest du irgendmöglich ausschließen. Fast jede andere Krankheit wird mit Medikamenten behandelt. Diese kann lebensbedrohlich werden; warum solltest du ausgerechnet hier darauf verzichten.
In jedem Fall gibt sehr gute Bücher (zB Niklewski "Depressionen überwinden (...)". Lies eines, es wird dir eine sehr aktuelle Einschätzung zum Thema geben. Sehr vieles ist in Fachkreisen lange bekannt und ausführlich untersucht, wovon man als Laie keinen Schimmer hat.
Alles Gute!
PS: Depression Burnout (Burnout ist ein Symptom, das im Rahmen einer Depression auftauchen kann.)