Ich erinnere mich...
Hallo Micha,
ich erinnere mich an die sehr schwere Zeit, in der du deine ersten Posts hier ins Forum gestellt hast! Auch ich hatte mich in dieser Zeit zum ersten Mal angemeldet, unter einem anderen Namen, denn auch ich befand mich damals in einer Lebenskrise.
Unsere Geschichten sind (bis jetzt) unterschiedlich ausgegangen, aber als ich deinen Bericht gestern las, war ich getroffen und seitdem auch sehr nachdenklich. Denn auch ich muss auf die Zeit VOR 2010 schauen und denke dann: wie mich das alles verändert hat!
Ich hoffe, dass ich dich nicht langweile, wenn ich dir hier einige Dinge zu meiner und anderen Personen schreibe. Vielleicht hilft es dir, "ähnliche" Geschichten zu lesen, wenn auch mit anderem "Ende". Wobei ich mir sicher bin: da, wo du nun stehst, ist noch nicht das Ende!!!
Zu mir:
Ich war unglücklich verheiratet. Mein Mann war/ist ein sehr rationaler Mensch und meine Umbegung wusste schon schnell vor mir, dass ich mit diesem Mann emotional kaputt gehen würde. Ich hielt es einige Jahre aus (viel Geld, viel Luxus, grosse Einsamkeit, viel Kälte) und begegnete im 2009 einem Mann, in den ich mich am ersten Tag vollkommen verliebte. Beginn 2010 begonn die kritische Zeit des "sich trennens", der Schuldgefúhle, der Angst, den anderen zu verletzen, die moralische Verurteilung der anderen. Denn ich bin schon älter (47), da macht man sowas nicht mehr! Mein Mann verdiente gut und hatte super Aussichten auf eine gute Pension etc etc. Wohingegen der Neue ein geschiedener Vater von zwei Kindern ist, einen einfachen Bürojob macht und in einem Mietshaus wohnte.
Das Forum hat mir viel geholfen, auch deine Geschichte und ich denke sogar, dass ich dir in dieser Zeit auch einmal geschrieben habe.
Bei mir ist es (nach vielen schrecklichen Dingen) so ausgegangen: mein Ex-Mann und ich wurden im Juni 2010 geschieden. Mein Freund und ich suchten ein Haus und kauften dies in einer neuen Stadt im September 2010. Mein Ex fand schnell eine neue Freundin uns zog zu ihr, er ist zufrieden. Mein Freund und ich haben diesen August in aller Stille geheiratet und sind weiterhin überglücklich und verliebt. Sehr überzeugt von unserer Entscheidung damals.
Aber ich bin dennoch nicht mehr die, die ich mal war: meine Familie konnte nicht damit umgehen, dass ich so eine "gute Partie" wie meinen Ex verlasse und es gibt keinen Kontakt mehr. Zu niemandem, was mir sehr viel Kummer bereitet. Ich bin dadurch depressiev geworden und bin noch mit der Aufarbeitung vieler Dinge aus meiner Jugend beschäftigt. Trotz allen Glücks mit meinem neuen Mann liege ich oft wach im Bett und habe schreckliche Gedanken. Als ob durch die Geringschätzung meiner Familie (auch Schwester, Nichten, Neffen,) ein Fluch auf mir liegt, dass ich nicht '100% glücklich sein darf.
Ich dachte oft daran, mein Leben zu beenden, denn ich habe keine Kinder und die Dunkelheit, in der ich mich nun oft befinde, ist teilweise unerträglich. Aber mit Hilfe meines Mannes, den ich jederzeit vollweinen darf mit meinen Ängsten, meinem Arzt und Therapie, komme ich immer besser damit zurecht. Trotzdem bin ich nicht mehr die fröhliche Frau, die ich einmal war.
Die Geschichte meines Mannes gleicht deiner:
Seit 23 Jahren zusammen, verheiratet mit zwei Kindern. Eigenes Haus gebaut, alles verläuft eigentlich harmonisch und er denkt, dass man mit der Familie in die gleiche Richtung geht. Unbemerkt baut die Ex allerdings an einer ganz anderen Baustelle ein neues Leben auf, sagt aber nichts. Stattdessen nörgelt sie am Eigenheim herum und drängt darauf, einen Neubau zu kaufen. Das tun die beiden noch gemeinsam und durch die (damals noch) aktieve Arbeit meines (neu) Mannes und den Arbeiten um das neue Haus bekommt er einen Bandscheibenvorfall. Als das Haus gerade fertig ist will er mit ihr über seine Sorgen reden, dass er evtl. seinen Job verliert, denn der Arzt sieht keine andere Möglichkeit mehr: der Rücken ist zu belastet fúr die Tätigkeit. Da erst, als er quasi am Boden liegt, schlägt sie zurúck: Ich will dich sowieso verlassen. Habe einen anderen. Ich ziehe zu ihm.
Mit letzter Kraft kämpft mein (neu) Mann um seine Kinder. Es wird eine Co-Elternschaft eingerichtet : eine Woche bei der Mutter, eine Woche bei ihm. Alles andere kann sie mitnehmen, aber seine Kinder, die wichtige Zeit des gemeinsamen Abendessens, die Begleitung bei der Schule etc, soll sie ihm nicht nehmen. Zum Glück war sie so auf ihrer rosa Wolke, dass er noch einiges regeln konnte, ohne ihren Beitrag: so sind die Kinder bei ihm (uns) eingeschrieben, er kann alle Entscheidungen treffen, was die Schule etc betrifft.
Die Ex nahm den Hund, die Katze, etwas Schnick-Schnack und verschwand ins Haus des anderen.
Mein (neu) Mann blieb zurück, gebrochen und tief unglücklich. Es war aber nicht die Liebe zu ihr, denn die war schon lang nicht mehr dort. Es war der Verlust des "Familie", die Wut, so lange in einen Menschen investiert zu haben, der in einer ganz anderen Parallelwelt zu leben schien: suche nach "was besserem".
Gut, er musste das Haus verkaufen, konnte nicht mehr arbeiten ( Bandscheibe), zog in ein kaltes Mietshaus, wo er alles daran tat, seinen Kindern jede zweite Woche ein Familienvater zu sein. Viele Menschen machten sich Sorgen und halfen ihm, wo es ging. Viele Menschen verurteilen die Ex, die ich nicht kenne, wegen ihres Egoismus, der wohl immer schon so deutlich in allem zu sehen war.
Mein Mann bekam dann die Chance, auf einen Bürojob bei derselben Firma zu beginnen und so konnte er weiterhin arbeiten. Als ich ihn traf war er traurig, zynisch, mit Rändern unter den Augen, aber jemand der genaus wusste, was er im Leben nicht mehr will und was er in einer Beziehung sehr wohl anstrebte, sollte er nochmal das Glück haben, jemanden seelenverwandten zu treffen. Das Glück hatten wir beide und den Rest habe ich oben beschrieben. Er sagt immer wieder, (zu mir und anderen Menschen aus seiner Vergangenheit), dass er NUN erst weiss, was wahre Liebe ist. Und wir sind wirklich seelisch, körperlich, innerlich und äusserlich einfach nur wie magnetisch zueinander hingezogen.
Lang, nicht wahr? Aber es ist immer noch wie ein Wunder, wenn ich darüber nachdenke, wie alles gekommen ist.
Ich kenne auch einen Mann, dem ähnliches wie dir passiert ist. Irgendwann kommt er früher als sonst nach Hause und sein bester Freund ist dort. Er denkt, dass dieser Freund vielleicht etwas bringen wollte, doch da kommt seine Frau dazu und eröffnet ihm, dass sie ihn heute noch verlassen wird. Mit diesem "besten Freund", (der Trauzeuge war und mit dessen Frau und Kindern man viele Urlaube und andere Dinge zusammen gemacht hatte). Sie nimmt die drei Kinder, wovon der Jüngste noch mal ein paar Monate ist, und geht.
Der verlassene Mann macht eine schreckliche Zeit durch, denn die Frau verbietet jeden Umgang mit den Kindern. Die älternen zwei "wollen Papa nicht sehen", auch die Grosseltern werden abgesägt. Die gesamte Familie erleidet ein unheimliches Trauma. Der Mann bezahlt für die Kinder, er bricht innerlich und äusserlich zusammen, verändert sich stark. Nach einigen Jahren beginnt er eine neue Beziehung mit einer Frau, die er schon etliche Jahre als Arbeitskollegin hat. Nur war beiden nie aufgefallen, dass da eine Verbindung ist. Aber plötzlich ist dieser Mann zerbrechlich, redet über seine Gefühle und Trauer, und es ergibt sich eine enge Freundschaft, dann Beziehung. Beide sind so glücklich wie noch nie. Die neue Frau strahlt wieder, denn auch sie hatte ein paar unglückliche Jahre hinter sich.
Mit Hilfe dieser Frau gelingt es ihm endlich, einen Besuch bei seinen Kindern zu organisieren. Wie ein ehemaliger Verbrecher darf er die Kinder unter Begleitung sehen. Auch seine Ex und ihr neuer (sein ehemaliger bester Freund) ist dabei. Und weisst du, was meinem Bekannten als erstes wie Schuppen von den Augen fiel, als er seinen Jüngsten nun sah? Dass der andere Mann der Vater ist, wie aus dem Gesicht geschnitten. Er hat das nie zur Sprachen gebracht, er zahlt weiter, sieht die Kinder kaum denn die sagen alle, dass er nicht der Papa ist, sondern der andere. und Diese Narben trägt er auch mit sich und er leidet still jedes Jahr bei den Geburtstagen, Feiertagen und eigentlich jeden Tag, denke ich. Nur langsam etwas weniger. Trotz neuer Liebe.
So wie auch ich jeden Tag an den Verlust meiner Familie denke, die mir mein neues Glück nicht zu gönnen scheint.
Die Ex meines Mannes ist übrigens nicht mehr mit der "Liebe ihres Lebens " zusammen. Sie wohnt nun in einer Mietswohnung und hat kein Auto, kaum Geld. Muss mit dem Rad in die nächste Stadt fahren, um dort einige Putzjobs zu machen. War unheimlich sauer, dass mein Mann und ich im Sommer geheiratet haben. Wollte ihn sogar kurz davor noch zurück, aber er hat sie nur ausgelacht und mit einigen (für sie) schmerzhaften Wahrheiten konfrontiert.
So, ein riesen langer Text: das ist aus mir geworden.
Mir hat das Forum letztes Jahr sehr geholfen. Ich lese, wie du siehst, immer noch gern mit. Ich hoffe, du bleibst auch dabei und lässt dich auf deinem Weg noch etwas begleiten. Ich hatte keine Kinder, da ging es bei meinem Ex und mir fast reibungslos mit der Trennung und dem Neuanfang. Ich sehe bei meinem Mann aber, wie lange er in diesem tiefen Tal der Tränen sitzen musste, bis er die Kraft bekam, weiter zu gehen. Ich bin froh, dass er nicht früher (es waren 3.5 Jahre) da durch war, denn sonst hätte ich ihn nie kennen gelernt. Auch wäre unsere Beziehung dann wohl nicht von der Qualität, die sie nun hat.
Ich hoffe, wir lesen weiter von dir!
"Gretna"