Hallo miteinander,
ich habe im September einen Mann in der Reha kennengelernt, 6 Jahre älter, mit der gleichen Behinderung wie ich und mit sehr ähnlichen Vorstellungen für die Zukunft. Bin normalerweise sehr rational veranlagt und hätte mir jemand gesagt, dass ich im November bei ihm lebe, 500 km von meinem Wohnort entfernt, hätte ich gesagt: Du spinnst.
In der Reha bewies er mir höchstes Vertrauen, indem er mich einlud, mit seinem Motorrad zu fahren. Es wurde ein wunderschöner Tag, er fuhr mit dem Auto geschickt und schnell voraus und ich, die ich mein Motorrad schmerzlich vermisste, fuhr völlig glücklich hinterher. Da hat es bei mir gefunkt. Bei ihm vom ersten Tag des Kennenlernens an. In der Reha sprachen wir viel miteinander auch über sehr persönliche Dinge und Probleme, hatten jedoch Angst, uns näher zu kommen. Dann kam sein Abreisetag und wir verabredeten uns, da ich spürte, es müsse so sein.
Wir trafen uns zum Essen und sprachen, ohne über eine wunderschöne und intensive Knutscherei auf dem Parkplatz hinaus gekommen zu sein, über unsere Vorstellungen. Er wollte weniger Stress und Aufregung in seinem Leben als vorher, eine verlässliche Partnerschaft und gegenseitiges Vertrauen, was sich mit meinen Vorstellungen deckte. Und ich suchte Freiraum für kulturelle und künstlerische Aktivitäten sowie für Freundesbesuche. Wir stellten fest, wir könnten es versuchen.
Nach einer gemeinsamen Nacht bei ihm war klar, dass ich im November nach Klärung aller persönlichen Angelegenheiten zu ihm komme. Vorher trafen wir uns bei einem Konzert in meiner alten Heimat, wo ich zwei Soloauftritte mit einem komplizierten Musikstück hatte und wiederholten unsere Begegnung im Hotel.
Seitdem bin ich nun hier bei ihm, fahre regelmäßig in die alte Heimat und besuche weiterhin meine Freunde, singe und trete auf. Ich vermisse ihn schon nach wenigen Stunden und er mich auch. Die Beziehung wird immer fester und inniger, wir sind uns so nah und spüren, wie gut wir uns tun. Jeder Tag ist ein Geschenk. Wir sind füreinander da und lösen unsere Probleme gemeinsam, haben Freunde, mit denen wir uns treffen und gehen unseren gemeinsamen Hobbys, dem Auto- und Motorradschrauben nach. Wir haben beide zum ersten Mal in unserem Leben Freude und Lust an körperlicher Nähe, ergänzen uns hervorragend und sind dabei immer offen für die Wünsche des Anderen.
Er war von Anfang an offen und ehrlich, direkt und absolut unverstellt, was mich sehr anzog und am meisten am ihm schätze. Er durchschaute mich in kleinen Dingen und sprach das klar und deutlich an. Zum ersten Mal fühle ich mich mit meinen Schwächen erkannt und gleichzeitig angenommen.
Mich irritiert, wie perfekt das alles läuft, kann den Gefühlen nicht so recht trauen, denn all das Beschriebene habe ich vorher nie erlebt. Alles war immer kompliziert. Hat jemand so was erlebt, ist das Blindheit oder Fügung? Ich möchte nicht wieder in eine Falle tappen und habe Angst, dass es nur ein kurzer Traum ist.
Inga