Du weißt nicht, was zwischen deinem Vater und deiner Mutter abgesprochen/ausgemacht war. Es wäre sehr gut möglich, dass dein Vater von der Nebenbeziehung deiner Mutter gewusst und es abgesegnet hat, wie es öfter bei so langer Krankheit vorkommt.
Konnten deine Eltern in der Zeit vor seinem Tod ihre Beziehung noch aufrecht erhalten oder hat er die gesamte Zeit im Krankenhaus bzw. bettlägrig verbracht? So sehr deine Mutter ihn wahrscheinlich geliebt hat - auch sie hat Bedürfnisse danach gehabt, dass sich jemand um sie kümmert, dass sie mal eine glückliche entspannte Zeit hat und sie ist wie jeder erwachsene Mensch auch jemand mit sexuellen Bedürfnissen, die dein Vater eventuell nicht mehr erfüllen konnte.
Deine Mutter hat sich jahrelang mit dem bevorstehenden Tod ihres Mannes auseinandergesetzt und sie jetzt noch aus sozialem Druck weiter in die Trauer zu zwingen (die sie schon Jahre ausübt) wäre falsch. Es wäre auch ganz normal, wenn deine Mutter momentan auch etwas erleichtert ist, dass dieses Ereignis auf das sie sich so lange und schmerzhaft vorbereitet hat nun endlich eingetreten ist.
Sei froh, dass deine Mutter jemanden hat, der sich glücklich macht. Sicher ist es für dich schwer nachzuvollziehen, du hast nur einen Vater und du wirst ihn niemals ersetzen können und du hast das Gefühl, dass sie es sich leichter macht, dass sie ihren Mann einfach ersetzt. Aber das tut sie sicherlich nicht und er wird immer diese Rolle in ihrem Leben einnehmen, die er auch schon davor gehabt hat. Aber das sollte sie trotzdem nicht zur Einsamkeit verdammen. Sie sollte jetzt Energie tanken und ihr Leben eine neue Ausrichtung geben, um nicht am Tod deines Vaters zu zerbrechen - und genau das tut sie.