Hallo,
ich bin im Januar 6 Jahre mit meinem Partner zusammen. Als wir uns kennenlernten waren ich 20, er 24, inzwischen bin ich 26 und er 30. Aus einer sehr tiefen Freundschaft ist innerhalb weniger Wochen eine Beziehung geworden - für uns beide die erste feste Beziehung überhaupt - nach nur 6 Monaten sind wir damals zusammengezogen. Wir befanden uns beide im Studium, hatten uns im Studentenwohnheim als Zimmernachbarn kennengelernt und befanden es für unnötig, zwei Mieten zu zahlen. Ein Jahr später brachen wir beide unser Studium ab - er, weil er zu jener Zeit als wir uns kennenlernten unter heftigen Panikattacken litt, die es ihm zeitweise unmöglich machten, das Haus zu verlassen oder öffentliche Plätze aufzusuchen und ich, weil ich mit meiner Studienwahl nicht ganz zufrieden war. Wir bewarben uns deutschlandweit für Alternativen, in der Hoffnung, das eine Fernbeziehung nicht nötig sei und hatten Erfolg. Seit vier Jahren wohnen wir nun gemeinsam in einer neuen Stadt, mit neuem Studiengang und pendeln beide zur Uni. Ungefähr seitdem sind wir außerdem verlobt - eine gemeinsame Zukunft stand für uns nie außer Frage... genauso wenig Familienplanung.
Sein psychischer Zustand war zunächst nach dem Umzug hierher schlimmer geworden - die neue Umgebung etc setzten ihm zu - aber wir schienen alles in den Griff zu kriegen. Ich hatte allerdings schon damals immer stark das Gefühl, dass ich eine wahnsinnige Stütze für ihn darstellte.. manchmal sogar das Gefühl, dass er sich sehr abhängig von mir machte. Deutlich wurde das immer dann, wenn ich beispielsweise mal allein zu meinen Eltern fahren wollte, gemeinsam (und ohne ihn) etwas mit meiner Schwester oder Freunden unternehmen wollte. Er fühlte sich schnell ausgeschlossen, unwillkommen, wollte immer gern dabei sein. Ich habe nie ein besonders großes Thema daraus gemacht, und ihn so akzeptiert wie er nun einmal war. Dass ich dabei anfangen habe, auf viele Dinge zu verzichten, das ist mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst gewesen.
Große Auseinandersetzungen hat es nie gegeben, und wenn dann betrafen sie unsere unterschiedliche Erziehung, die wir genossen haben - er wurde russisch erzogen, ich deutsch - wer beide Kulturen gut kennt, weiß sicher wovon ich spreche. Unsere Familien behandeln uns so unterschiedlich, wie es unterschiedlicher nicht sein könnte. (Beispiel: als ich das erste Mal mit zu ihm nach Hause ging, war ich gleich die, die er heiraten würde, meine Eltern sind heute noch sehr distanziert, sein Geburtstag wird noch immer nicht so reich beschenkt wie meiner etc).
Bis es letztes Jahr - im "verflixten fünften Jahr" - zu unserer ersten ernsthaften Meinungsverschiedenheit kam. Ich hatte einige Zeit zuvor wieder Kontakt zu einem ehemaligen Freund (Internetbekannschaft, aber das schon seit fast 10 Jahren) hergestellt, wir verbrachten v.a. wenn ich allein zuhause war viel Zeit zusammen mit Zocken, reden etc. Gefühle waren keine im Spiel. Wir spielten ein Spiel, in dem man gemeinsam Geschichten schreibt, und wie es in Geschichten üblich ist, kommt hin und wieder auch sexuelle Handlung hinzu. Mein Freund wusste, dass ich diese Geschichten schreibe, doch interessierte sich nie im Detail dafür. Bis er durch Zufall auf eine ebensolche Szene stieß. Sein Misstrauen wuchs ins unermessliche. Er wollte Passwörter von mir, die Kontrolle über alles, was ich mit diesem Freund schrieb, redete. Er fühlte sich betrogen - wortwörtlich - und verlangte letztlich den vollkommenen Kontaktabbruch.
Ich habe damals nicht sonderlich erwachsen reagiert, das weiß ich inzwischen. Ich war trotzig, widerwillig, habe ihn ignoriert, weil man mir wegen einer nichts bedeutenden Geschichte (meine Ansicht) einen guten Freund wegnehmen wollte. Ich fragte viele Freunde um Rat und manche rieten mir, ihm nachzugeben. Weil es das beste sei, weil das Gefühl betrogen worden zu sein wichtiger sei und wenn ich wollte, dass er sich als der wertvollste Mann in meinem Leben fühlte, ich ihm das nur so zeigen könne. Ich willigte ein, aber ich war wahnsinnig unglücklich damit. Ich zog den Kontaktabbruch zunächst durch, doch vergrub mich stattdessen und zog mich wahnsinnig zurück. Ich verkroch mich im wahrsten Sinne des Wortes jeden Tag und wollte nichts mehr unternehmen, kaum noch Sex mit meinem Freund - und irgendwann bestand ich wieder auf dem Kontakt, weil es mir so nicht gut ging.
Ich ließ mir auch viel im Streit einreden: dass ich doch sicher Gefühle für diesen Freund haben müsse, wenn ich ohne ihn nicht könnte, und ihn so sehr vermisse. Ich war wahnsinnig verwirrt, drehte irgendwie durch, war nicht ich selbst zu dieser Zeit, zumindest kommt es mir jetzt im Nachhinein so vor. Ich besuchte den Freund, den ich bis dahin nur übers Internet kannte, eine Kurzschlussreaktion nach einem Streit, die nur für noch mehr Misstrauen bei meinem Partner sorgte. Der hatte derweil ständige Kontrolle über jeden möglichen Kommunikationsweg. Wenn ich Privatsphäre wollte (die für ihn gleich automatisch Betrug darstelle) musste ich ihm Dinge verheimlichen. Ich weiß, dass das keine Entschuldigung ist, aber ich sah zu jener Zeit keinen anderen Weg für mich, stand irgendwo am Rande meiner Kräfte und lügte, wenn ich mal wieder Kontakt zu dem Freund hatte, löschte Nachrichten, nur um Streits zu vermeiden etc. Früher oder später endete das jedoch nur in heftigeren Streits. Ich hatte sein Vertrauen vollständig verloren, und ich weiß nicht genau, was mich zur Besinnung rief, aber irgendwie wusste ich plötzlich wieder, worauf es ankam. Ich kam zu mir selbst zurück. Ich log nicht mehr, ich verheimlichte nichts mehr. Es kamen Dinge ans Licht wie, dass dieser Freund von mir mich liebte, und ich erkannte auch, dass es unter Umständen doch das beste für alle Beteiligten sei, den Kontakt einzuschränken.
Aber ich war irgendwo wieder im Reinen mit mir. Über Wochen und Monate wurden mir dennoch immernoch und immer wieder all meine Fehler vom vergangenen Jahr vorgehalten. Ich bemühte mich in jeder Hinsicht, alles besser zu machen, wieder die Frau zu sein, die er so sehr vermisste, aber stattdessen hörte ich immer wieder nur, dass ich doch genau wie alle anderen war, nichts besonderes sei. Dieses Gefühl setzte sich in mir fest, wir hatten uns emotional so weit voneinander entfernt. Trotzdem wusste ich die ganze Zeit gleichzeitig auch, wie sehr wir uns liebten. Wollte es zumindest glauben. Ich weiß inzwischen nicht, ob wir beide nur an der Beziehung festhalten, weil wir uns daran gewöhnt haben, und Angst davor haben allein zu sein.
Wir sind über viele dieser Streitpunkte hinaus. Ich werde nicht mehr kontrolliert... zumindest nicht mehr so deutlich. Wir sind ehrlich zueinander. Ich setze so viel daran, sein Vertrauen wieder zu gewinnen, und ich weiß, dass das lange Zeit brauchen kann. Aber ich fühlte mich gleichzeitig nur noch ausgebrannt , kraftlos, und oft einfach nur traurig, als ob ich in eine Sackgasse geraten bin. Ich vermisse diesen Freund sehr und ich weiß, dass es ihm genauso geht und wir würde nach wie vor gern wieder mehr Zeit miteinander verbringen. Freundschaftlich. Und es macht mir noch mehr Angst dass ich nun drohe, diese Freundschaft ganz zu verlieren, weil ich Rücksicht auf meinen Partner nehmen will, weil er die Freundschaft nicht tolerieren will. Ich bin verunsichert, was unsere gemeinsame Familienplanung betrifft, oder zumindest den Zeitpunkt dafür. Ich bin unsicher, ob ich heiraten will, und mir fehlt für die kleinsten Kleinigkeiten manchmal einfach die Motivation.
Ich weiß, dass dies ein langer Post geworden ist, und ich weiß auch nicht, welche Form des Ratschlages ich mir hier erhoffe, weil ich keine konkreten Fragen habe. Außer vielleicht - gibt es noch Hoffnung für diese Beziehung? Denn im Moment fühle ich mich einfach nicht glücklich, auch wenn ich es sein sollte, denn es läuft inzwischen alles wieder besser. Allmählich. Ich habe noch immer oft das Gefühl für etwas bestraft zu werden, das ich nie getan habe, nämlich fremdzugehen. Aber bevor ich mich zu sehr in meinen Gedanken verstricke, schicke ich den Beitrag nun einmal so ab, wie er ist... ;)