Ich bin eine Vernunftehe eingegangen, die allerdings kurz vor dem Ende steht.
Ich stamme aus einem Kulturkreis, in dem Vernunftehen üblich sind. Da ich jedoch in Deutschland geboren und aufgewachsen bin, war ich nun mal stark beeinflusst von der Vorstellung der romantischen Liebe und es war sehr schwer, mich davon zu lösen.
Stellt sich die Frage, warum ich trotzdem diese Form der Eheanbahnung eingegangen bin?
Nun, ich war jung und durch meine stark behütete Erziehung sehr unreif und unerfahren. Zudem wollte ich mein Umfeld glücklich machen und vor allem meinen Mann, der mir in seiner unsicheren Art und seinem Bemühen um mich sehr leid tat. Aber ich habe ihn nicht bewundert, oder mich nach ihm gesehnt. Ich wollte einfach niemanden enttäuschen und gab mir fortan Mühe, vernünftig zu sein.
Der Preis hiefür war, dass wir zwar zusammen, aber doch einsam waren. Ich hatte nicht das Bedürfnis nach Nähe, wonach er sich aber sehr sehnte. Durch meine Abweisungen fühlte meine Mann sich gekränkt, so dass sich sehr hitzige Streitereien ergaben. Dabei schlug mein Mann regelmäßig einen verbal aggressiven Ton an, wobei er nicht davor scheute unter die Gürtellinie zu gehen.
Ich entwickelte starke Schuldgefühle und lief ständig mit einem schlechten Gewissen herum.
Nach und nach verloren wir den Respekt voreinander, aber den Mut, diese Ehe aufzulösen hatten wir beide nicht. Trotz aller Schwierigkeiten fühlte ich mich geborgen und konnte mich immer auf ihn verlassen. Aber in mir war immer eine Sehnsucht, die er nicht stillen konnte, und die ich verdrängte.
Meine ambivalenten Gefühle waren auch der Grund, warum ich mich nicht traute ein Kind mit ihm zu bekommen. Nach 5 Jahren Ehe stellte ich mir für mich dieselbe Frage, wie Du sie hier gestellt hast, und ich kam zu dem Schluss, dass ein verlässlicher Partner wichtiger ist, als diese ganze Romantik.
Und tatsächlich wuchsen wir durch unsere Kinder zusammen, fühlten uns zusammengehörig, auch wenn die Paarebene nach wie vor fehlte. Sex war für mich mehr eine Pflicht als was Schönes und Einzigartiges. Und Zärtlichkeiten wünschte ich nur in Form von Umarmungen. Auch wenn wir uns mal eine Weile nicht gesehen haben, kam bei mir keine Sehnsucht auf. Eher war ich besorgt, so wie man es bei Freunden oder Familienmitgliedern ist.
Das Ende vom Lied ist, dass wir zwar eine Familie waren, jedoch als Mann und Frau einsam. Mein Mann wurde dadurch immer ungeduldiger und frustrierter. Seiner schlechten Laune ließ er immer öfter freien Lauf, auch vor den Kindern. Er hatte immer weniger Lust sich als Vater zu engagieren, und auch mir verging immer mehr der Spaß an meinem Leben.
Spätestens da sah ich Handlungsbedarf, aber in mir war eine tiefe Angst.
Nun ist er letztes Wochenende ausgezogen, nachdem wir neun Monate getrennt unter einem Dach gelebt haben. Die letzten drei Wochen waren, nach Monaten des Streits und von Gefühlsausbrüchen, sehr ruhig, sogar harmonisch und in einem respektvollen Miteinander.
Jetzt tut es mir sehr weh zu sehen, wie meine Kinder ihren Papa vermissen. Es tut mir weh, heile Familien zu sehen und meinen Kindern dies nicht bieten zu können. Es tut mir weh, ihn alleine zu sehen.
Momentan sehen wir uns täglich, und es fällt mir immer wieder schwer ihn gehen lassen, aber auch ein Zurück fällt mir schwer.
Ich hoffe meine traurige Erfahrung hilft Dir bei Deiner Entscheidung!