Hallo zusammen,
meine erster Post hier, und dann gleich eine richtige Granate - der Text wird etwas länger, nehmt euch 'nen Kaffee
PROLOG
Eine kurze Einführung zu meiner Person und Situation: Ich bin 36, seit 6J single und beruflich einigermaßen erfolgreich als Teamleiter im IT-Sektor.
Letztes Jahr im Sommer bin ich sehr schwer erkrankt (6 Wochen Intensivstation, 6 Wochen auf der Inneren, musste bereits den 50/50 Joker ziehen...). Durch den langen Krankenhausaufenthalt im Liegen gingen einige physische Fähigkeiten flöten - Muskeln des Bewegungaparates sowie Gleichgewichtssinn; Kognitiv ist alles i.O. (denke ich...) Daher kam ich direkt im Anschluss an den KH-Aufenthalt für 6 Wochen auf eine stationäre Reha.
KAPITEL 1
Angekommen mit Rollstuhl, kleines Zimmer auf einer Station mit 30 Patienten und einigen PflegerInnen und TherapeutInnen.
Ihr könnt es euch denken, eine der Pflegerinnen hat es mir angetan. Nicht auf den ersten Blick, vielmehr wurde es stärker je näher ich sie kennen lernte. Ausschlaggebend war dann ein längeres Gespräch eines abends bei mir auf dem Zimmer. Wir haben über Gott und die Welt gesprochen und die Themen wurden immer Privater. Sie hat sich mir gegenüber ziemlich "geöffnet", was sie später damit begründete, dass ich ihr direkt sehr vertraut und sympathisch vorkam. Ferner kristallisierten sich etliche Gemeinsamkeiten charakterlich, aber auch vom Schicksal her, heraus.
Kurz zu ihr:
31J., durchschnittliches Äußeres (war mal übergewichtig, wurde wohl auch gehänselt, kam dann aber auf ein normales Gewicht), seit 2 Jahren in einer Beziehung. Seit mind. 1 Jahr davon quält sie aber die Sinnfrage, was sie überhaupt in dieser Beziehung macht.Sie ist definitiv nicht glücklich. Sie lebte zuvor 300 km entfernt, im Norden und war dort superglücklich, auch beruflich. Dann lernt sie online ihr jetziges "Gegenüber" kennen (so spricht sie über ihn, Details zu ihm kenne ich kaum, weil sie nicht über ihn spricht und ich bewusst nicht nachfrage) und zieht nach einem halben Jahr direkt zu ihm. Er ist ein Jahr jünger als sie und wohnt bei seinen Eltern auf dem Grundstück . Sie ist seine erste Freundin! : Sie zieht 300km weit zu ihm und ihren "Schwiegereltern" in ein komplett neues Umfeld(neuer Job, keine Freunde, keine Familie). Sie erwähnt eigentlich fast täglich wie schlecht es ihr in ihrer aktuellen Situation geht und schwärmt sehr oft von besseren Zeiten und Orten, teils auch recht esoterisch ("innere Mitte finden" etc...)
Nun ja, wir lernen uns in den folgenden 3 Wochen besser kennen, sie erzählt mir, wann sie Dienst hat damit wir uns sehen, malt Smileys auf meine Essenskarten. Sie kommt nachts auf mein Zimmer zum Plaudern, bleibt auch so oft länger in meinem Zimmer und kassiert dafür auch schon mal einen Anpfiff. Wir unterhalten uns extrem harmonisch und verstehen uns prächtig, inkl. recht intimer Gespräche und Sticheleien. Wir verbrachten intuitiv soviel Zeit miteinander wie möglich. Ich ging nach jeder Mahlzeit zum Blutdruck messen ins Schwesternzimmer, wenn sie Dienst hatte. Sie bat mich oft da zu bleiben und weiter zu reden, ich würde sie nicht stören. War jemand dabei dann plauderten wir; waren wir allein, dann flirteten wir; gelacht wurde immer. Wir genossen gegenseitig die Nähe. Gern legte Sie auch mal unauffällig ihre Hand auf meine Beine... Gleichzeitig mache ich in diesen 3 Wochen enorme Fortschritte (Rollstuhl->Rollator->Freies Gehen, Therapieziel schon jetzt bei weitem übertroffen), wohl auch aufgrund eines großen Schmettling-Schubs im Bauch...man bedenke, ich lag Monate zuvor im Sterben und es war bereits jemand vom Amtsgericht für mich bestellt...
Aufgrund meines Fortschritts sollte ich dann aus der Station versetzt werden und für mich war klar, dass ich verknallt bin und es jetzt auch nicht einfach dabei belassen kann. Früher wär die Story jetzt vorbei gewesen, aber etwas in mir hatte sich verändert. Ich sprang über meinen eigenen Schatten, schrieb meine Handynr auf einen Zettel und schob ihr diesen beim Blutdruck messen einfach mal unauffällig zu. Sie krallte ihn sich als hätte sie drauf gewartet. An meinem letzten Tag auf der Station half sie mir beim Packen und beim Umzug (anderes Gebäude). Sie sagte mir, dass sie jetzt 2 Wochen Urlaub hätte und wir uns vermutlich sowieso nicht mehr sehen würden, da andere Station. Es wäre schon sehr auffällig, wenn sie dort auftaucht. Ich beging den Kardinalfehler und gestand ihr meine Gefühle, weil ich davon ausging, es wäre die letzte Gelegenheit. Sie erwiderte, dass sie mich super sympathisch und "knuffig" findet, sie sich aber wirklich noch in einer Beziehung befindet und es ihr sehr schwer fiele sich zu trennen, weil sie es ihm nicht antun könne. Gleichzeitig betonte sie aber auch wieder wie unglücklich sie seit mittlerweile einem Jahr ist, täglich denkt sie daran, wie schön es wäre, "frei zu sein". Sie weiß auch nicht, wie sie in diese Situation kam, zu jemandem, den sie nicht liebt ("ich kann mir keine gemeinsame Zukunft mit meinem Gegenüber vorstellen...und körperlich ist dann natürlich auch nichts") Es kam also zum 1. Abschied zwischen uns beiden, eine sehr lange Umarmung. Vorab kam ein "Aber knutschen is nicht"... das ist ihre Art.
Sie hatte meine Nummer und wider erwarten kam von ihr nichts. Ich fühlte mich schlecht, und hatte das Thema abgehakt.
Nach zwei Wochen traf ich sie zufällig in Begleitung von 2 Kollegen auf dem Weg in die Tiefgarage. "Kommen sie doch mal auf einen Kaffee vorbei". Das tat ich und die Flirterei ging weiter. Ich saß teilweise Stunden (auf ihr Bitten!) im Schwesternzimmer, auf einer Station, wo ich eigentlich nichts mehr zu suchen hatte. Nach dem Spätdienst besuchte sie mich auf dem Zimmer im anderen Gebäude, was für sie recht gefährlich war - keiner sollte sie sehen denn auf keinen Fall durfte herauskommen, das wir irgendwas miteinander hatten (wenn man das so nenne möchte). Es kam der definitiv vorletzte Tag meines Aufenthalts, und sie besuchte mich wieder auf dem Zimmer. Ich fragte sie, warum sie sich denn nicht mal gemeldet hatte. Begründen konnte sie es nicht, schrieb mir aber sofort ihre Nummer auf. Es gab eine gefühlt ewige Umarmung. Keiner von uns weinte, sie hatte aber schon sehr feuchte Augen. Ich meinte in einem Nebensatz, dass es das dann jetzt wohl gewesen wäre und sie nur so "Spinnst du?".
Ich ziehe ein kurzes Resumee: Gegenseitige Interesse ist definitiv da: Wir verstehen uns prächtig, sind praktisch nur am Lachen. Sie sucht den Kontakt und geht dabei auch gewisse Risiken ein. Körperlich nichts außer unauffällige Berührungen und innige Umarmungen. Nummern sind ausgetauscht. Sie weiß ob meiner Gefühle (ich Idiot!), ich stocher komplett im Dunkeln.
KAPITEL 2
Am Abreisetag erkundigt sie sich, ob ich gut angekommen. Der lose Kontakt per Whatsapp beginnt. Man merkt dass sie oftmals nur kurz schreibt und sofort wieder offline ist (Kurz online, Tippen, dann sofort kein "zuletzt online" Status) Von vornherein lässt sie sicht mit dem Beantworten von Nachrichten teilweise recht viel Zeit. Nach 1-2 Wochen dann ruft sie mich dann ganz unvermittelt an und wir unterhalten uns 2 Stunden. Unter anderem erzählt sie mir, dass sie für ein paar Tagen ihre Mutter und Oma besuchen fahre (2h entfernt) Und tatsächlich hat sie jetzt scheinbar mehr Freiheit und wir telefonieren täglich, teilweise mehrmals. Sie war sogar mal eifersüchtig, als ich in einem Nebensatz zu meinem Aufenthalt in der Reha über das autogene Training bei "der hübschen Therapeutin" sprach. Auf einmal wollte sie genau wissen, wen ich meinte, und was genau ich an der hübsch fand. Es war definitiv Eifersucht, sie schmierte mir dieses Thema auch noch mehrmals aufs Brot. Nach Rückfrage warum sie so reagiert meinte sie, man sage so etwas nicht, wenn man jemanden mag. Ich fand das befremdlich, weil ich es absolut bedeutungslos und nebenläufig erwähnte. Es folgen auch längere Chat-Sessions, zum Teil schon sehr anzüglich. Einen Abend an war es so krass, da verhielt sie sich als wären wir ein Paar. Das war der letzte Tag ihres "Urlaubs" bei der Mutter. Am nächsten Morgen auf der Heimfahrt rief sie mich ab und ich wusste es würde nichts Gutes kommen. Sie meinte, sie muss jetzt wieder zurück und kann ab jetzt nicht mehr telefonieren. Schreiben ebenfalls nicht mehr. Sie wirkte sehr distanziert und irgendwie auch sehr frustriert, wie ein anderer Mensch. Sie war viel am Schimpfen und Fluchen während sie fuhr. Ich fragte sie, mit wem ich denn da gestern abends so verfänglich geschrieben hatte. Sie meinte sie hätte etwas getrunken gehabt. Das hatte ich nun nicht erahnt, weil sie wie gewohnt fehlerfrei schrieb und auch nicht sonderlich langsam... Lirum Larum. Am nächsten Tag nach der Arbeit schreibt sie mir, sie habe viel nachgedacht und wolle mich anrufen. Das tut sie. Sie hat sich entschieden, und "bleibt erstmal in der aktuellen Situation". Es liegt nicht an mir, ich sei ein toller Mensch, etc. Ich soll nicht traurig sein. Sie weiß, dass ich in einer Woche nochmal eine OP haben werde und ich solle ihr schreiben, wie es mir erging. Gut, ich traurig und muss damit jetzt erstmal klarkommen. Das Thema ist wohl gegessen.
Weitere Erkenntnisse aus diesem Kapitel
* Sie scheint sich in ihrer aktuellen Umgebung abhängig und emotional verpflichtet zu fühlen, gleichzeitig aber extrem unglücklich. Beobachtet von den Schwiegereltern und gefangen. Sie sucht jeden Moment der Freiheit, zum Beispiel beim Spazieren gehen mit ihrem Hund. Oft habe ich denk Eindruck, das wäre ihr eigentlicher Partner. Mehrmals erwähnt sie (wörtlich!), dass sie eigentlich niemanden brauche im Leben, nur ihren Hund. Und sowas von jemandem, der in einer Beziehung im Haus ihres Partners lebt, mit den Schwiegereltern auf dem gleichen Gehöft. Ich denke es ist für sie einfach eine Zwickmühle. Wo soll sie hin, wenn sie sich trennt? Enge Freunde hat sie nicht. Die Eltern leben getrennt und haben wohl auch so einiges zu verantworten. Gleichzeitig hat sie den emotionalen Druck und möchte niemandem weh tun (das hat sie m.E. längst...)
* Licht ins Dunkel: Sie eröffnet mir, dass sie an einer ambivalenten Beziehungsstörung "leidet". Sie kann sich weder binden, noch kann sie sich trennen. Ich habe das nachgelesen, das erklärt einiges....
Kapitel 3:
Es ist Anfang Dezember, der Tag der OP. Schon auf der Station im KH, es wird mir eröffnet, dass alle nicht lebensnotwendigen OPs aufgrund C. abgesagt werden müssen. Entscheidung des Landes von diesem Morgen... So, das gibt mir den Rest...
Ohne Erwartungen schreibe ich ihr einen Einzeiler "keine Ahnung ob es dich noch interessiert, mir geht's gut, OP wurde heute morgen auf dem OP-Tisch abgesagt". Was kommt zurück? Sie musste die ganze Zeit an mich denken, das sei so schade für mich. Sie fühle mit mir. Ich sollte weiter kämpfen, ich habe so viel geschafft (das habe ich tatsächlich, man muss das immer in diesem Kontext sehen, vor 4 Monaten bin ich vor dem Licht im Tunnel abgehauen...)
Am nächsten morgen ruft sie mich an und schildert das nochmal. Ich sei "ihr Spiegel". Nach unserem Abscheid in der Klinik habe sie ihre Ernährung umgestellt und habe 10 Kilo verloren. Also bin ich so etwas wie ein Vorbild? Im gleichen Gespräch, wir reden über Motivation und Erfolgswillen und frühe Selbstständigkeit, zieht sie scheinbar über ihr "Gegenüber" her... "Mit 30 noch bei den Eltern, das ist doch nicht normal".
Sie ruft jetzt jeden (!) Tag an, scheinbar arbeitet er in Schichten, mal morgens und mal abends. Das Gespräch dauert immer mind. 1h. Außerdem schreiben wir etliche Nachrichten am Tag. Wir reden auch über uns, ob das mal was werden könne. Sie brauche Zeit. Sie wolle aber ausziehen, hat sich auch schon nach einer neuen Stelle umgesehen. Ich achte sehr darauf, bei diesen Äußerungen ihrerseits niemals meine Person ins Bild zu setzen. Alles zu ihrer Beziehung kommt allein von ihr und ich mische mich da niemals ein! Ich verhalte mich weitestgehend, als gäbe es keinen Freund.
Vor einer Woche dann war plötzlich Funkstille, sie rief nicht mehr an, ohne jeglichen erkennbaren Grund. Meine Anrufe erwidert sie auch nicht. Fragt nur später, worum es ging. Per Whatsapp schrieben wir uns noch ein paar Tage, sie schien aber irgendwie distanziert. Ich fragte sie, ob wir uns mal unverbindlich treffen wollen, spazieren im Wald. Sie meinte "irgendwie schon gern, aber sie könne aktuell weder ja noch nein sagen. Es folgten noch ein paar belanglose Nachrichten und seit Freitag ist Ruhe, es kam einfach nichts mehr von ihr.
Kapitel 4 oder Epilog?
Ich bin ratlos, weiß nicht, wie ich weitermachen soll. Ich mag Sie wirklich sehr, auch wenn das alles so ziemlich das komplizierteste ist, was ich jemals erlebt habe. Einfach aufgeben werde ich nicht, wir fühlen uns definitiv seelisch verbunden und haben so viele ähnliche Erfahrungen und Fehler gemacht im Leben, darauf bin ich hier jetzt gar nicht eingegangen.
Seit Freitag haben wir keinen Kontakt mehr (wie gesagt, kein Streit oder sonstiges, es kam einfach nichts mehr). Ich renne ihr auch nicht hinterher und lasse sie erstmal in Ruhe.
So, und eine konkrete Frage habe ich jetzt eigentlich auch nicht, außer vielleicht (gerne auch Input von den Damen)...
* Hat schon jemand Erfahrungen mit diesem Bild der Persönlichkeitsstörung (ambivalente Beziehungsstörung) und kann das die Erklärung für dieses Wechselbad der Gefühle sein?
* Kann irgendwer einschätzen, was wohl in ihr vorgehen mag, vielleicht mal jemand in einer ähnlichen Situation gewesen (unglücklich vergeben, nebendran einen Verehrer)
Ich weiß, der Ratschlag wird lauten "Jung, lass die Finger von der". Werde ich vielleicht auch, aber nicht ohne Aussprache. Ich möchte wissen, warum jetzt, Ende Kapitel`3, sie einfach alles einschlafen lässt, ohne Grund, ohne Streit, ohne Missverständnisse. Mit ungelösten Konflikten kann ich keine "Projekte" beenden...
Mein Plan wäre, dass ich mich nach einer Woche Funkstille nochmal melde, mit einem unbefangenen "Wie gehts". Ich möchte sie auf keinen Fall in eine Rechtfertigungssituation oder Verteidigungshaltung bringen... Und dann mal fragen, ob sie den Kontakt fortsetzen möchte...?
Danke für's Lesen