Ich war mit 16 das erste Mal richtig verknallt. Das war Ende der 80er Jahre. In einen Klassenkamerad namens Alexander - es war so schlimm, dass ich tagelang an nichts anderes mehr denken konnte als an ihn. Wir hatten viel Kontakt, haben uns täglich gesehen und ich habe ihm auch gesagt, was ich über ihn denke. Er hat allerdings nie gesagt, was er denkt. Aber er hat oft Kontakt zu mir gesucht und jede Schulpause und Freistunde mit mir verbracht. Wir haben ganze Nächte durch telefoniert damals.
Ich blieb jahrelang in ihn verknallt. Nach dem Abitur verloren wir uns etwas aus den Augen. Ich begann meine Ausbildung und war dadurch etwas abgelenkt, auch weil ich ihn nicht mehr täglich sah. Trotzdem ging er mir nie aus dem Kopf. Auch als ich ihn fast zwei Jahre nicht gesehen hatte, träumte ich immer noch beinahe jede Nacht von ihm. Ich habe dann mal wieder angerufen und wir haben uns danach wieder ab und zu getroffen. Mittlerweile war ich über 20 und noch genauso an ihm interessiert wie mit 16. Ich liess ihn das auch regelmässig wissen. Er äusserte sich nie dazu. Er suchte zwar meine Nähe und wir verbrachten ein paar schöne Abende zusammen - aber es kam nie zum Kuss oder ähnlichem. Als ich Mitte 20 war, trafen wir uns ca. einmal im Monat. Aber sexuell lief leider nichts. Nichteinmal ein Kuss wie gesagt. Weder er noch ich hatten bis zu diesem Zeitpunkt irgendeine Beziehung oder Affäre gehabt.
Dann begegnete ich einem anderen Mann, Thorsten, der aufgeschlossen an einer Beziehung mit mir war. Der Typ liebte mich über alles und charakterlich passte er absolut erfekt zu mir. Reifemässig war er Alexander um Jahrzehnte voraus. Während Alex nie über Gefühle reden konnte und sich nur für Technik und Sport interessierte, war es für Thorsten eine Selbstverständlichkeit offen über alle Gefühle zu reden. Er kann stundenlang zuhören, ist hochintelligent und an sehr philosophischen und tiefgehenden Gesprächen interessiert. Thorsten beschäftigt sich mit der Suche nach dem Sinn des Lebens und wir haben viele Nächte durchdiskutiert. Er geht arbeiten und schmeisst nebenbei noch den Haushalt. Im Prinzip war er mein Traummann - allerdings war ich seit knapp 10 Jahren in Alex verliebt. Da ich einsehen musste, dass Thorsten charakterlich viel besser zu mir passt als Alex beschloss ich ihn zu heiraten. Das ging relativ schnell. Ich zog nach einer kurzen Fernbeziehung von Dortmund zu ihm nach München. Eigentlich war alles perfekt - bis auf eine Sache: Thorsten wirkte nie so erotisch auf mich wie Alex. Ich hatte keine "Schmetterlinge im Bauch" und keinerlei erotisches Knistern. Einfach nix. Ich fand es erotischer Alexander anzuschauen als mit Thorsten eine ganze Nacht zu verbringen. Aber laut Literatur verschwindet dieses "Verliebtheitsgefühl" ohnehin nach drei Jahren Beziehung - also was soll's.
Mittlerweile sind wir über 10 Jahre verheiratet. Eigentlich ist alles perfekt. Im grossen und ganzen ist Thorsten wirklich mein Traummann. Er versucht mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen, ist der Inbegriff der Treue, käme nie auf den Gedanken eine andere Frau auch nur anzuschauen und vergöttert mich richtiggehend. Er bringt genug Geld heim, dass er es mir ermöglicht hat meinen alten Beruf an den Nagel zu hängen und jetzt als freischaffende Fotografin zu arbeiten. So konnte ich mein Hobby zum Beruf machen. Ich habe keine festen Arbeitszeiten und bin mein eigener Chef. Einmal im Jahr fahren wir für mindestens einen Monat in Urlaub, so haben wir mittlerweile alle Kontinente zusammen bereist. Wir haben in nahezu allen Belangen die gleichen Interessen. Er ist in allem das Gegenteil von Alex. Alex hatte nie was mit Frauen, geht regelmässig mit ein paar Kumpels aus, Bier trinken und Fussball ist neben dem Beruf das wichtigste. Thorsten hat in seinem ganzen Leben noch nie ein Glas Bier getrunken, hat keinerlei andere Kumpels mit denen er ausgeht und schaltet sofort weg, wenn im Fernsehen Sport kommt. Eigentlich ist es ein perfektes Leben. Wir haben in den 10 Jahren, die wir jetzt zusammen sind noch keinen einzigen Streit gehabt. Er liebt mich wirklich über alles - und ich liebe ihn ebenso und will den Rest meines Lebens mit ihm verbringen.
Aber es gibt eine Sache, die mich belastet: ich bin immer noch in Alex verknallt. Es ist genau wie zur Schulzeit, als ich nicht für eine Englisch-Klausur lernen konnte, weil ich nur an Alex denken konnte. Heute geht es mir genauso. Ich war die letzten zwei Tage völlig unproduktiv und kann nur an Alexander denken. Ich kriege ihn einfach nicht aus dem Kopf. Selbst wenn es mir gelingt aktiv alle Gedanken an ihn zu unterbinden - dann träume ich nachts von ihm. So ging es mir auf einer zweimonatigen USA-Tour mit meinem Mann. Wir waren jeden Tag woanders, es gab Tausende neue Eindrücke und war eine fantastische Reise. Ich musste nie an Alex denken - doch sobald ich einschlief hatte ich erotische Träume von Alexander. Jede Nacht! Es gab in den 20 Jahren glaube ich keine Woche, in der ich nicht mindestens eine Nacht von Alex geträumt hätte, auch wenn wir zwischendurch mal ein paar Jahre (!) keinen Kontakt hatten. Der Typ hat mir völlig den Kopf verdreht. Zur Zeit sehe ich Alex rund 2x pro Jahr. Er ist für mich wie eine Droge: Ich weiss, dass der Kontakt zu ihm nicht gut für mich ist, aber ich fühle mich unglaublich gut, fast schon berauscht, wenn ich ihn sehe oder seine Stimme höre. Allerdings habe ich unglaubliche Entzugserscheinungen (sowohl psychisch als auch physisch) wenn er dann wieder weg ist. Wobei es im Gegensatz zu früher heute ausschliesslich "Lust" ist, was Alexander angeht, denn in wirklich allen anderen Belangen ist er Thorsten haushoch unterlegen. Aber Alex ist der einzige Mann, bei dessen Anblick ich erotische Gefühle habe. Und das seit über 20 Jahren!
Alexander ist noch ein Jahr älter als ich, also 37 Jahre. Er hatte bislang noch nie eine Beziehung, nichteinmal ein Techtelmechtel mit einem Kuss. In ein paar Monaten möchte er mich in München für eine Woche besuchen. Er wird bei uns übernachten, eventuell fahre ich mit ihm auch für ein, zwei Tage in die Berge und wir nehmen uns dort ein Hotelzimmer, falls ich ihn dazu bringen kann mit mir ein Zimmer zu teilen. Ich kann es kaum abwarten, ihn zu sehen. Mein Mann weiss übrigens nicht, was ich über ihn denke. Für ihn ist es nur einer meiner ehemaligen Klassenkameraden.
Das ist schon eine verrückte Situation.... wie soll ich mich verhalten? Ich kriege Alex einfach nicht aus dem Kopf, egal was ich mache. Wie gesagt, selbst wenn ich ihn aktiv verdränge, dann sorgt mein Unterbewusstsein dafür, dass ich ihn in meinen Träumen sehe.