Nun, hier sind ein paar seltsame Vermutungen, welche auf diversen Vorurteilen basieren genannt worden. Letztendlich kann keiner von uns in eure Beziehung hineinsehen und weiß, welche Gedanken in dem Kopf deines Freundes herumgeistern.
Die Situation, welche ihr gerade durchlebt, gibt es in jeder Beziehung - mal mehr oder weniger ausgeprägt.
Ja, auch so eine Situation kann gekittet werden, dazu ist aber nötig, das beide Partner wirklich an der Beziehung arbeiten wollen.
Beispiel: meine Beziehung. Meine Frau hatte Gefühle für jemand anderen entwickelt und wollte die Beziehung beenden. Nach einem Tag Pause und beiderseitigem emotionalem cooldown konnten wir darüber sprechen, was uns an der Beziehung wichtig ist und das wir sie im Grunde nicht aufgeben wollen. Auch die Alternativen, welche wir nich haben wollen, haben wir auf den Tisch gebracht. So haben wir uns zumindest darauf geeinigt, dass wir die Beziehung nicht aufgeben und daran arbeiten wollen. Dann haben wir unsere Randbedingungen abgestimmt - hier war mir die Paartherapie sehr wichtig, was sich im Nachhinein als richtig erwiesen hat.
98% der Gründe für so eine Situation, wie der euren, liegen an der mangelnden bzw. fehlenden Kommunikation. Einfach erklärt: am Anfang einer Beziehung ist man neugierig auf den Partner, frägt nach, will alles wissen und alles mitteilen. Man stimmt sich ab und aufeinander ein. Nach einiger Zeit denkt man, man hat nun alles erfahren und die Gespräche stellen sich ein. Nein, damit meine ich nicht, dass sich die Partner nun anschweigen, aber sie unterhalten sich über belangloses, was der Beziehung nicht wirklich weiterhilft. Somit fangen die Partner an, nebeneinanderher zu leben, Gedanken kommen hoch, wie "wieso macht er jetzt das oder jenes nicht?..." Man erlebt enttäuschungen und zieht sich gegenseitig zurück, statt aufeinander zu. Dann fangen Streitereien an und weil man enttäuscht ist, werden die Argumente mit leichten Sticheleien oder Schuldzuweisungen garniert "Du hast..., du hast nicht..., du macht immer..."
Was uns in der Paartherapie geholfen hat, ist das richtige Streiten zu lernen. Erkennen, wenn wir in unsere typischen Streitmuster verfallen (Irgendwann überwiegen die gegenseitigen Schuldzuweisungen und es geht nicht mehr um das ursprüngliche Thema, welche natürlich so nie gelöst wird) und diesen Teufelskreis durchbrechen können. Wir haben auch gelernt, dass wir uns gegenseitig nicht unsere Bedürfnisse erzählt haben und unsere Gefühle und Gedanken, welche für die Beziehung von relevanz sind. Denn jeder Mensch ist selbst dafür verantwortlich, dass es ihm gut geht und nicht der Partner, denn wie soll der andere wissen, was sein Partner braucht? Gedankenlesen kann nunmal keiner.
Und dann muss man auch erkennen, dass wir mit Wahnvorstellungen indoktriert wurden und zwar von den Märchenbüchern, Disney oder Hollywood: Es gibt nicht die einzig wahre Beziehung, bei der man sich ohne zu reden versteht, die Wünsche von den Augen abliest und glücklich bis ans Lebensende ist. Das sind sehr schöne Bilder, aber Beziehung ist harte Arbeit, denn - wie bei einer Blume - möchte sie jeden Tag aufs neue, dass man sich um sie kümmert. Jeden Tag muss man um seinen Partner erneut kämpfen und darf ihn nicht als "gegeben" ansehen.
Viele Worte und nun mein Fazit zu deiner Geschichte:
Ja, ich glaube, dass es möglich ist, die Beziehung zu retten. Wenn ihr es schafft, aufeinander zuzugehen und lernt miteinander richtig zu kommunizieren, dann kann die Beziehung a) gerettet und b) auf ein ganz neuen Level angehoben werden. Ich sage gern: Jede Beziehung bekommt genau diese Kriese, die sie verdient, denn sie zeigt auf, wo der Hund gerade begraben liegt. Was ein Vorteil ist, denn dann weiß man, wo man angreifen muss.
Wichtig: dazu müsst ihr aber beide bereit sein, die Beziehung fortführen und daran arbeiten zu wollen. Wenn es nur eine Seite möchte, dann wird es nicht funktionieren.
Was schade an der "Trotzhaltung" deines Freundes: es bringt weder ihm noch dir etwas. Schmeißt er die Beziehung weg, dann kann er sich auch selbst nicht weiterentwickeln und kommt tritt bei seiner nächsten Beziehung in das selbe Fettnäpfchen und scheitert. Aber das ist ja momentan typisch für unsere Wegwerfgesellschaft: eine neue Beziehung ist ja einfach zu finden, man muss sich nur im Internet umsehen und bekommt sie auf Mausklick.
Aber das sind nur Augenwischereien. Die meisten sitzen erst einmal alleine zuhause herum, haben verlernt auf andere zuzugehen und ziehen sich immer mehr zurück. Ihr dürft euch gern beim miteinander reden auch mal die worst-case-szenarios mal ausmalen, wenn ihr die Beziehung beendet und dann alleine seid. Wer bekommt welche Möbel? Wer welche Wohnung? Wie wird es finanziell aussehen? Was muss neu angeschafft werden? Wie sehen die Tagesabläufe aus, wenn man sich den Haushalt nicht mehr teilt?...
Manchmal braucht man so simple Anreize, damit der Denkapparat sich einschaltet und man feststellt, wieviel einem die Beziehung (die gerade nervt) einem doch bedeutet. ;-)
Ich drücke dir die Daumen, dass ihr wertvolle Gespräche führen könnt.
Hardy