Vorsicht lang
Ich hatte vorhin schon mal einen sehr langen Beitrag geschrieben, aber irgendwie mochte mein Internet dann nicht mehr, also versuche ich in der Kurzversion nochmal von meinem "Problem" zu berichten.
Im Frühling habe ich ihn kennengelernt, wir waren uns sofort symphatisch auf eine freundschaftliche Weise. Wir konnten stundenlang quatschen und so wusste ich natürlich recht bald, dass er verheiratet ist und zwei Kinder im Teenageralter hat. Ich selbst bin Mitte 20, er ist rund zehn Jahre älter. Eigentlich war er auch gar nicht mein Typ- ja eigentlich. Abgesehen davon, dass er nur so groß ist wie ich (was mir mir immer viel zu klein war), war er mir auch noch zu alt und vor allem zu verheiratet. Noch Anfang des Jahres hätte ich wohl eher mir ein Bein abgehackt, als mich auf einen verheirateten Mann einzulassen. So waren wir rund drei Monate nur normal befreundet, konnten uns über alles offen austauschen und sahen uns beinahe täglich oder telefonierten zumindestens. Er hat mir gegenüber immer mit offenen Karten gespielt.
Wir waren wirklich gute Freunde, sehr vertraut, immer ehrlich, aber es war nie "mehr" dabei. Bis zu diesem Abend im Juni. Wir haben uns nach der Arbeit auf ein Feierabendbier gertroffen, wie schon öfters davor. Aus Flachs meinte ich dann, ob er mir den Nacken massieren könne, weil dieser so verspannt sei. Ich bin eine typische Bürostuhltäterin und neige dann leider zu Verspannungen. Es gab's auch schon vorher, dass er mir manchmal aus Jux so ein bisschen den Nacken massierte oder ich ihm. Also fing er an meinen Nacken zu bearbeiten, meinte aber recht bald, dass er die ihm abgewandte rechte Seite nicht erreiche. Da wir auf so großen Stufen saßen, bin ich dann ein Stück nach vorne geruscht und er ist hinter mich geruscht, um sich (breitbeinig) hinzusetzen. Sein Glas hatte er dann schon neben mich gestellt und ich ließ nach einer Weile entspannt mein Kinn auf meine Brust sinken, als ich plötzlich seine Lippen an meinem Nacken spürte. Mir wurde im gleichen Augenblick heiß und kalt und mindestens ebenso übel. Da saß ich nun, genau wissend, dass er verheiratet ist und Familie hat. Eine gefühlte Ewigkeit habe ich mich nicht bewegt, habe krampfhaft die Augen zusammengepresst und überlegt, während ich langsam tiefrot wurde. Dann hob ich den Kopf, drehte mich zu ihm um und meinte nur sehr sinnig. "Frechdachs." Wie er mir selbst Monate später erzählte, ist er in dem Moment auf volles Risiko gegangen und hatte eigentlich erwartet, das ich ihn (verbal) ohrfeige. Wir hatten uns darüber unterhalten, sind beide altmodisch und grade mir war die Ehe immer heilig. Sex verbinde ich immer mit Liebe, ich könnte nie mit jemanden schlafen ohne Gefühle und das geht ihm genauso. Aber ab dem Moment war's, als sei in meinem Kopf ein Schalter umgelegt wurden. Natürlich wusste und weiß ich immer noch, dass er verheiratet ist und wenn ich daran denke, ekel ich mir vor mich selbst. Natürlich weiß ich, wie mies das gegenüber seiner Frau und seinen Kindern ist.
Trotzdem ist es passiert. Ab diesem Moment war alles anders. Rund fünf Wochen lang wurde es immer intensiver, zärtlicher, inniger und vor allem körperlicher bis wir dann Anfang Juli das erste Mal in meiner Wohnung miteinander schliefen. Am nächsten Tag bin ich ohne eine Sekunde Schlaf, aber so strahlend wie ein Honigkuchenpferdchen ins Büro gegangen, dass es sogar meinem Chef auffiel. In seiner Familie wird wenig Zeit zusammen verbracht, sie essen im Zweifel nicht mal zusammen, geschweige denn alle das gleiche Gericht. Ich kenne das von zu Hause anders und bin immer sehr familienorientiert gewesen. Was es zusätzlich begünstigt, ist das seine Frau Schichtdienstlerin ist (inklusive Nachtschichten). Außedem schlafen sie schon seit Februar getrennt (dafür bin ich nicht der Grund, denn da kannten wir uns noch nicht mal). Ab da hat er noch mehr Zeit mit mir verbracht, so dass es mir fast schon zu eng wurde. Trotzdem war die Zeit sehr schön und leidenschaftlich. Wir haben eben nicht nur miteinander geschlafen, wir haben schon immer über alles geredet und er ist gleichzeitig mein bester Freund (geworden). Er weiß fast alles über mich und ich über ihn. Meistens verstehen wir uns schon mit einem Blick. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, dass ich niemals seine Frau oder Kinder sehen möchte oder ihre Namen wissen will. Mittlerweile habe ich alle auf Fotos gesehen, kenne ihre Namen usw.
Auch und vielleicht grade durch unseren Austausch wurde das Verhältnis noch intensiver. Mittlerweile sind wir manchmal fast schon wie ein Pärchen, auch wenn ich natürlich immer die kleine Stimme im Hinterkopf habe, die mir böse zuflüstert: Er ist bereits verheiratet. Er hat eine Familie...
Trotzdem konnte ich es nicht verhindern, dass passieren musste, was so offensichtlich und konsequent war. Ich habe mich in ihn verliebt. Über Gefühle reden wir aber konsequenter Weise nie. Eher sagen wir uns, wie sehr wir uns vermisst haben, dass wir den anderen in der und der Situation gerne dabei gehabt hätten oder wie wichtig wir einander sind. Er ist wirklich sehr wertekonservativ und ich glaube schon, dass er auch für mich Gefühle hat. Gleichermaßen würde ich ihn niemals darauf ansprechen, es gehört zu den letzten Tabuthemen bei uns. Genauso wie wir niemals über eine mögliche Trennung von ihm geredet haben; zumal ich nicht weiß, ob ich momentan überhaupt eine Beziehung führen kann aufgrund meiner Lebensumstände. Bisher war es immer die perfekte Lösung für uns.
Anfang Dezember kam dann sein Kind ins Krankenhaus und es war plötzlich Funkstille bzw. der Kontakt war sehr sporadisch. Anfang der Woche bat er mich dann um ein Telefonat, dass wir mittlerweile geführt haben. Sein Kind ist wirklich schwerkrank und er ist total traurig. Ich würde so gerne ihm helfen und jetzt ist Weihnachten was abermals Funkstille bedeutet. Ich weiß, dass es unglaubwürdig und erfunden klingt, aber ich sorge mich wirklich um sein Kind. Ich weiß, wie sehr alle Familienmitgleider darunter leiden und gleichzeitig bin ich zum Däumchendrehen verurteilt. Ich warte wirklich noch auf den Weltuntergang... :(