Liebes Forum,
ich bin mittlerweile ratlos. Ich bin seit ca. einem halben Jahr mit meinem Freund zusammen, den ich sehr liebe. Wir verstehen uns sehr gut, verbringen sehr viel Zeit miteinander, lachen viel und gehen sehr liebevoll miteinander um.
Allerdings hat er ADS und ist dadurch unberechenbar. Aus dem Nichts heraus kann ihn etwas wütend machen: Wenn ich schief gucke, etwas zur falschen Zeit im falschen Ton sage, wenn ich anspreche, dass ich etwas nicht gut fand oder mich etwas verletzt hat. Meistens sind es Dinge, wo er sich von mir angegriffen fühlt - auch wenn sie von mir gar nicht als Angriffe gemeint sind. Er fühlt sich superschnell kritisiert und regt sich dann über mein Verhalten auf. Der Wechsel geht in einer Sekunde von Alles-ist-gut zu Er-ist-wahnsinnig-wütend-auf-mich. So etwas wird dann zu einer endlosen "Diskussion", in der er motzt, wie ich mich so doof verhalten könnte, und es für mich im Prinzip keine korrekte Antwort oder Reaktion gibt - egal, was ich sage, es führt nur dazu, dass er sich noch mehr aufregt.
Oft gehen solche einseitigen "Streits" wirklich mehrere Stunden. Am Ende entschuldigt er sich und sagt, er wolle das nicht wieder tun.
Der Auslöser scheint nach dem, wie er mir seine Reaktion im Nachhinein erklärt, oft zu sein, dass er sich von mir bevormundet fühlt. Er hat dann wohl das Gefühl, ich kritisiere ihn und "verhalte mich wie eine Erzieherin". Bei ihm wurde in seiner Kindheit ADS diagnostiziert, er war wohl ein "Problemkind". Er ging auf ein Internat und dann, nachdem er vom ersten runtergeflogen ist, auf ein zweites. Er kifft, gegen das ADS, "um Ruhe in der Birne zu haben". Das hilft, aber ... nun ja. Oft scheint der Auslöser für seine Wut auch zu sein, dass er denkt, ich würde ihm vorwerfen, ein schlechter Freund zu sein. Dabei geht es wirklich immer um Kleinigkeiten.
Ich muss ihn mit Samthandschuhen anfassen. Ich darf nicht zu sehr nörgeln oder mich über etwas beschweren. Ich muss aufpassen, wann und wie ich es anspreche, wenn mich etwas stört. Sonst kippt die Stimmung schnell ins Extreme. Ich weine dann oft, weil ich es nicht gut haben kann, wenn er so hart mit mir redet. Er regt sich dann noch mehr auf. Erst nachdem das einige Zeit so gegangen ist, tröstet er mich. Er sagt dann im Nachhinein teils, dass er sich selbst nicht mögen würde, wenn er so mit mir redet. Aber er tut es trotzdem. Und ich merke, wie mein Herz ihm gegenüber mit jedem Streit etwas härter wird.
Wenn es dann wieder schön ist zwischen uns, weicht mein Herz wieder auf. Aber ich fühle mich gefangen. Ich fühle mich nicht mehr wie ich selbst, sondern wie jemand, der sich nicht mehr frei bewegen kann. Manchmal schaffe ich es, aus dieser Spirale auszubrechen, und mir meine Autonomie zu wahren. Dann läuft es gut. Aber es ist schwer.
Ich denke, diese Wutausbrüche liegen zum einen am ADS, aber ich denke auch, dass ADS keine Universal-Entschuldigung sein kann. Er macht keine Therapie. Seine letzten Beziehungen scheinen alle an genau demselben Thema zu Bruch gegangen zu sein - genau dieselbe Art von Streits, Motzereien. Ich habe ihm schon mehrmals gesagt, dass ich das so nicht weiter kann. Er hat sich danach teilweise deutlich bemüht, teilweise war es aber auch wieder genauso wie immer.
So kann es nicht weitergehen. Aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich will ihn nicht aufgeben, aber ich will mich auch nicht ständig fertigmachen lassen. Kennt das hier jemand aus einer Beziehung, vielleicht auch mit einem ADS-Partner oder einer ADS-Partnerin?
Entschuldigung für den langen Text. Danke fürs Lesen. :-)