tito_11981939Sorry, aber...
... ich habe an keiner Stelle geschrieben, dass Du Dich ändern sollst und dass Du ein planloses, faules, was auch immer Leben führen sollst. Das ist das, was Du in meine Worte hineininterpretierst, es ist aber absolut nicht das, was ich meine. Und nein, wenn man mal einen Nachmittag lang nicht hinter den Büchern hockt, heißt das nicht, dass man ein fauler, chaotischer und planloser Penner ist! :roll: Da liegt Dein Denkfehler - Schwarz- und Weiß-Denken vom Feinsten!
Eine Sache, die Du gleich zu Anfang geäußert hast, finde ich sehr bedauernswert: Dass es nichts gibt, was Dir Spaß macht außer dem Lernen. Es ist toll, dass Du so ein zielstrebiger und disziplinierter Student bist. Dafür muss man Dir durchaus ein ehrliches Lob aussprechen. Du wirst es beruflich weit bringen, das ist sicher. Aber darüber hinaus gibt es mehr im Leben. Du hast nur ein einziges - jetzt, mit 22, ist Dir das noch nicht klar, wie schnell die Zeit vergeht, aber je älter Du wirst, umso mehr wirst Du Dich fragen, wo die Zeit hingeht und wie Du sie bisher verbracht hast.
Und davon abgesehen: Woher willst Du wissen, ob etwas Spaß macht oder nicht, bevor Du es ausporbiert hast? Von vornherein zu sagen, dies und jenes macht mir keine Freude, ist doch sehr pauschal und nicht wirklich haltbar. Erinnere Dich an Deine Kindheit und frühe Jugend: Was hat DIr da Spaß gemacht? Was wolltest Du immer ausprobieren, wenn Du "groß" bist? Und dann tu es einfach - auch wenns Dir albern vorkommt, vollkommen egal! Jetzt ist die Zeit, um Träume zu verwirklichen. Und ich kann einfach nicht glauben, dass es absolut nichts gibt, was Du gern mal ausprobieren würdest.
Noch ein Punkt: Ich wollte mit meiner Aussage bezüglich Bildung nicht Dein Allgemeinwissen klein machen. Im Gegenteil. Es ging mir um was ganz anderes - um Lebenserfahrung. Und davon hast Du noch nicht genug mit Anfang 20. Das ist einfach Fakt, denn die stellt sich erst im Laufe des Lebens ein. Und je mehr man macht und ausprobiert, je mehr ungewohnte, neue Erfahrungen man macht, umso mehr Erkenntnisse gewinnt man.
Woher willst Du wissen, ob der Student/ die Studentin, den/ die Du als "grottig und faul" aburteilst, nicht deshalb so schlecht im Studium ist, weil er/ sie nebenbei noch arbeiten geht und nicht so viel Zeit zum Lernen hat wie Du? Vielleicht ist es auch der falsche Studiengang, derjenige studiert dieses Fach nur, weil seine Eltern es wollen und hat keinen Mut, sich gegen die Eltern zu stellen, weil er nicht weiß, wie? Oder er hat schlicht und einfach keine Lust, weil er Depressionen hat? Es gibt immer einen Grund, wenn jemand Probleme in seinem Studium/ Ausbildung/ Beruf/ Freundeskreis/ Beziehung hat. Bei den einen zeigt es sich, indem sie keinen Bock aufs Studieren haben, bei den anderen zeigt es sich, indem sie einfach keinen Bock auf Freunde/ Privatleben haben.
Und das ist es auch, was ich mit Bildung und Erfahrung meinte. Es ging mir nicht um Deine Intelligenz und Dein Allgemeinwissen, sondern um Empathie. Und die fehlt Dir. Du sitzt auf einem - entschuldige, wenn ich das sage - sehr hohen Ross, was Dein Studium angeht. Deinen Zeilen entnehme ich, dass Du Dich durchweg für was Besseres hältst als die meisten Deiner Mitstudenten. Dir fehlen Empathie und Verständnis, die Bereitschaft, auch anderes gelten zu lassen als das, was Du für Dich als ideal empfindest. Wer nicht so ein mustergültiger Student ist wie Du, den siehst Du gleich als faul, chaotisch, grottig schlecht an. Deine Worte. Wie gesagt - Schwarz-Weiß-Denken pur.
Die Bildung von vorschnellen Urteilen über andere (und das als angehender Jurist!), Engstirnigkeit, Faulheit und Bequemlichkeit, wenn es darum geht, sich auf was Neues, Unbekanntes einzulassen, mangelnde Neugier auf das Leben, sozialer Neid, das strahlen zumindest Deine geschriebenen Worte aus. Das eine bedingt das andere: Du kannst im Prinzip andere Menschen nicht leiden, Du verachtest die meisten von ihnen, weil sie nicht so viel Leistung wie Du bringen ("faule Mitstudenten", gleichzeitig bist Du neidisch, weil sie sozial erfolgreicher sind, im selben Zug machst Du ihren sozialen Erfolg nieder, indem Du sie abwertend in Stereotypen kategorisierst ("Tussis", "Aufreißer-Typen") und ihre Leistungen negativ wertest, damit Du wenigstens in dem Bereich besser fühlst.
Hättest Du genug Lebenserfahrung, wüsstest Du, dass die Menschen nicht so einfach einzuteilen sind, dass hinter jedem menschlichen Verhalten noch was anderes steckt als ein Klischee. Du würdest weniger hart urteilen, wenn Du fähig wärst/ Dir erlauben würdest, hinter die Fassaden zu schauen und nach dem Warum und vor allem nach dem Wozu zu fragen. Wozu dient diese oder jene Verhaltensweise? Was steckt dahinter? Es sind immer Wenn-Dann-Bedingungen. Eine Sache bedingt die nächste.
Wie gesagt: Frag Dich mal, wovor Dich Deine Ablehnung und Dein Herabschauen auf andere Menschen schützen soll. Ich würde vermuten, dass Du Angst davor hast, Gemeinsamkeiten zu entdecken, aufgrund derer Du Dich nicht mehr als Außenseiter fühlen kannst. Denn das ist der Status, den Du gleichzeitig an Dir magst (zumindest lese ich das zwischen den Zeilen) und über den Du - vorgeblich - jammerst. Er ermöglicht Dir, Dich einmalig zu fühlen, und liefert gleichzeitig eine Erklärung, warum Du keine Freundin findest ("alle nicht gut genug, weil sie ja alle Tussis sind, die nicht auf Streber stehen, sondern auf Aufreißer"). Was würde passieren, wenn Du nicht mehr "einmalig" wärst?
Verallgemeinerungen und Klischees schützen vor Arbeit. Nämlich der Mühe, hinter die Fassade zu schauen. Und genau das sollte als Jurist in spe Dein zweiter Vorname sein!