Naja,
auch wenn jeder einen eigenen Charakter besitzt, gibt es aufgrund von Erziehung, soziale Rolle des Mannes bzgl. seiner Kultur etc. bestimmte Stigmata. Ich bin seit einem Jahr mit einem Süditaliener zusammen - ein verzweifelter weiterer Versuch mein diesbezügliches Männerbild zu ändern (da auch ich früher dachte, dass man nicht alles in einen Topf werfen kann), was heute aber nicht mehr ganz gelingen mag.
Ich kann nur von meiner Erfahrung sprechen: Egal, ob Sie Dir ewige Liebe schwören, Dich heiraten oder ein gemeinsames Leben mit Dir wollen. Diese Männer sind leider wenig flexibel, d.h. sie haben es nie gelernt, wirklich zuzuhören bzw. gehen davon aus, sie hätten immer Recht. Südländer sind im allgemeinen auch nicht so direkt wie wir Deutschen, sondern eher diplomatisch im Umgang. D.h., wenn Du direkt etwas an ihm kritisierst (was Männer im allgemeinen ohnehin nicht mögen), dann reagiert er nur umso heftiger. Dann muss er Dir zeigen, wer der "Herr" ist. In meinen beiden Beziehungen kam/kommt es deswegen immer zu Machtkämpfen - wie das dann ausgetragen wird, ist indvidiuell.
Du musst Dir da so vorstellen: Für eine italienische Mamma ist ihr Sohn alles. Sie umsorgt ihn so lange sie kann - und wenn es ein ganz konservatives Elternhaus ist, mischt sie sich sogar in die Wahl der Schwiegertochter ein. Auf jeden Fall will sie immer eine Rolle in Leben ihres Sohnes spielen (die italienische Mamma hat ja in der Gesellschaft einen unheimlich hohen Stellenwert). Sie wird ihren Sohn niemals direkt kritisieren (höchstens, wenn er gegen die Interessen der Familie verstößt) und so entwickeln sich tendenziell kleine Machos, die zwar in der Gesellschaft an ihre Grenzen stoßen, aber sich zu Hause um so mehr durchsetzen und das auch gewohnt sind.
Ein italienischer Mann, wenn er eine Frau wirklich liebt, wird in ihr immer seine Mutter erkennen (wollen). Alles andere sind für ihn nur Spielereien und Bettgeschichten. Und die Mamma kann für ihn nur die sein, die sich auch so verhält: Ihm ständig gut zuredet, für ihn kocht und ihm das Gefühl gibt, genial zu sein. Im Prinzip kann man sagen, dass viele italienische Männer genau aus diesem Grund an einem ödipalen Komplex leiden.
Suche die Schuld daher nicht bei Deinem Freund, sondern versuche zu verstehen, dass er aufgrund seiner Erziehung gar nicht anders kann. Er ist mit dem Gefühl groß geworden, für seine Mamma der Größte zu sein bzw. eine Frau bei sich zu Hause zu haben, die die Klappe hält und sich nur gegen ihren Mann zur Wehr setzt. Ihrem Sohn wird sie dagegen alles nachsehen. Ich wünschte mir, ich hätte das vor meiner zweiten Beziehung schon so deutlich gesehen.
Auch ich habe das Problem, dass er von zu Hause total verzogen ist (aus emanpzierter Sicht) und ihn seine Mutter zudem nur schwer gehen lässt. Also kann er sich auch nur schwer von zu Hause lösen, weil`s so bequem ist (Essen kochen, Wäsche wachen, putzen, Probleme anhören, Klappe halten) und ihm obendrein -wenn er wirklich sein eigenes Leben möchte - noch dazu ein schlechtes Gewissen bzgl. des Jammertales dieser Erde macht, dass sie ganz allein ist, und dass doch noch so viele Reparaturen im Haus anstehen...dann wird der erwachsense Mann (wie leider in meinem Fall) auch schnell mal zum Ersatzpartner und bleibt trotzdem Kind.
Das sind im Prinzip völlig primitive Strukturen, die da greifen: Dein Freund fällt im Streit automatisch zurück in die Rolle eines Kleinkindes, das nie gelernt hat, mit Konflikten konstruktiv umzugehen. Eben, weil ihn seine Mutter immer verhätschelt hat. Jetzt stell Dir mal vor, Du greifst jemanden an, der es gewohnt ist, nie angegrifen zu werden, weil er einfach der Größte ist. Der versteht doch die Welt nicht mehr und wird denken, Du liebst ihn nicht mehr. Und zur Strafe macht er dann mit Dir Schluss. Allerdings muss ihm auch wirklich etwas an Dir liegen, dass er am Ende doch über seinen Schatten springt.
Was das Thema "Frauen" betrifft: Wie schon gesagt, das Frauenbild eines Italieners ist stark von der Mutter gesprägt. Trotzdem gibt es auf der anderen Seite den Sexualtrieb: Im Extremen lassen sich beide Seiten kaum vereinen, da man ja nicht mit der eigenen Mutter schlafen kann. Weil ein Italiener aber seine Mammi am liebsten heiraten würde (Bequemlichkeit und einziger Mensch der einem das Ego aufbläst), ergibt sich daraus ein Grundkonflikt, der bis zur drohenden Impotenz bzw. sexuellen Schüchternheit beim Mann führen kann gegenüber eine Frau, mit der er ernste Pläne hat.
Bei Euch beiden denke ich schon, dass ihm etwas an Dir liegt - wenigstens führt ihr eine freie Beziehung, doch musst Du Dich damit abfinden, dass seine Mutter ihm immer wichtiger sein wird (bewusst oder unbewusst). Jetzt denk nicht gleich, er würde Dich nicht lieben, aber er ist nunmal stark mutterfixiert und wenn er Dich eines Tages heiraten möchte, dann heißt das, er möchte Dich zu seiner Mutter machen. Wobei seine Mutter auch wenn er alt ist, immer seine große Liebe bleibt, die Frau, die er geheiratet hat, dagegen die diejenige ist, die er respektiert. Deshalb wird dann wahrscheinlich auch die Sexualität weniger und er sucht sich seine Bestätigung/Vergnügung außerhalb. Komm aber bloß nie auf die Idee, dasselbe einzufordern. Jungfrau Maria ist keine ... ..
Deshalb ist für eine moderne Frau (und viele Italienierinnen sind heute modern und suchen sich daher auch deutsche Männer, oh Wunder...) eine ernste Beziehung mit einem klassisch erzogenen Italiener (meist aus dem Süden) weder körperlich noch seelisch eine befriedigende Angelegenheit. Es sei denn, man findet sich damit ab, in seinem Leben immer die zweite oder dritte Geige (Mutter, Arbeit bzw. Freunde) zu spielen. Natürlich sagt er das nie (weil er es selbst nicht besser weiß) - aber er lässt es Dich spüren (kennt es ja selbst vom Vater nicht anders, der wahrscheinlich seine Ehefrau auch vernachlässigt hat und diese daher ihre Kinder - besonders die Söhne in den Mittelpunkt ihres Lebens rückt - das nennt sie dann Familienzusammenhalt - ist ihr auch nicht bewusst, sind alles automatische Strukturen, die über Generationen funktionieren).
Warum verhält sich die italienische Mamma so machtbesessen, dass sie aus moderner Weltsicht das Leben ihrer Söhne zerstört, in dem sie diese nie erwachsen werden lässt? Vielleicht ist es damit zu erklären, dass in der italienischen Gesellschaft das "Invidiuum" weniger zählt als das "Kollektiv". Im Gegenteil, willst Du Dich selbst verwirklichen und abnabeln (was wir ja als positiv bewerten) kann Dir das in Italien schnell negativ ausgelegt werden und Du gilst als Egoist. Man tut alles für die Familie und richtet sich nach deren Wünschen - und dort entscheidet zuletzt die Mutter.
Was den scheinbar strengen Wochen- bzw. Tagesrhythmus Deines Freundes betrifft: Auch diese Erfahrung habe ich mit meinem Exfreund gemacht. Es war jeden Samstag derselbe trott, so trottig, dass es ihn beinahe selbst begonnen hat zu nerven. Es sind Zwangs- und Gewohnheitsmuster, denen er da erliegt. Er ist ja ohne die Familie nichts und fühlt sich daher auch relativ minderwertig. Also bleibt er zu Hause und verhält sich, nach einem famililär festgelegten Rhythmus, z.B. zu festen Zeiten essen (was ja grundsätzlich nicht schlecht ist) oder sich vor die Glotze zu setzen, wenn er nicht arbeiten muss.
Er denkt ja nicht daran, auch mal etwas allein zu unternehmen oder sich selbst etwas einfallen zu lassen - eine außergewöhnliche Idee. Das wäre zu individuell - und er hat einfach nie gelernt, sich individuell zu verhalten. Verwechsel das nicht mit Trägheit - es kann auch einfach nur Unsicherheit sein, sich allein oder mit Dir (auch das bedeutet Verantwortung) zu beschäftigen. Er wird sich immer jemanden suchen (Freund oder Familie), mit dem er etwas unternehmen kann. Dieses "Sozialleben" nimmt in Italien (Kollektivgesellschaft) ja auch einen viel höheren Rang ein als bei uns. "Soziales Leben" ist bei uns primär auf den Beruf, und dann auf das Privatleben ausgerichtet. Der Italiener sieht es umgekehrt bzw. gleichrangig. Wenn man das nicht weiß, kann es schon mal zu Eifersüchteleien kommen (von wegen, Du bist nie zu Hause...) Also: Versuche nie aus einem Italiener einen Deutschen zu machen - das wäre unfair.
Was zuletzt den Sexualtrieb betrifft: Der ist tatsächlich individuell. Zumindest mein Ex-Freund war etwa wie Deiner - und hat sich auch regelmäßig aktiv nach Frauen umgedreht, was für mich eine persönliche Beleidigung war. Mein jetziger Freund "braucht" wesentlich weniger und ist mehr der Kuscheltyp. Kann man tatsächlich nicht auf die Kultur zurückführen - alles andere schon.
Liebe Grüße,
Allegra
P.S. Ich hoffe nicht, mit meinem Beitrag jemanden wütend gemacht zu haben. Wenn doch, möchte ich mich dafür entschuldigen. Ich habe einfach nur von meinen Erfahrungen berichtet und wie ich als moderne Frau die klassische italienische Familie aus dem Süden kennen gelernt habe.