Hallo ihr. Ich versuche, mich kurz zu fassen, auch wenn die Sache ziemlich kompliziert ist. (Spoiler: es wird mich nicht gelingen ;-)
Meine Frau und ich sind seit 14 Jahren zusammen, seit 6 Jahren verheiratet. Wir haben zwei Kinder, 8 und 5.
Vor etwa 1,5 Jahren hat sie einen neuen Chef auf Arbeit bekommen. Ein charismatischer Typ, der auf sein Äußeres achtet, nur etwa 3 Jahre älter als sie. Sehr erfolgreich, smart, Anzugträger. Ich merkte sofort, dass sie einen Draht zueinander haben. Schon bald ging es los, dass sie sich über's Handy Nachrichten austauschten. Erst nur alle paar Tage mal, dann immer häufiger. Irgendwann fast täglich. Ich habe das am Rande immer mal mitbekommen, sie hat auch kein Geheimnis draus gemacht, dass sie sich schreiben. Aber immer nur über Nebensächlichkeiten, Musik und Essen und sowas.
Ich habe in den folgenden Monaten immer mal wieder "spaßig" mit kleinen Andeutungen bei ihr geprüft, ob er zu ner echten Gefahr werden könnte. Aber sie hat immer wieder verneint und mir versichert, dass es höchstens ne Freundschaft ist und ich mir keine Sorgen machen soll. Und sie mir ja immer sagen würde, wenn sie mit ihm redet und so lange das so ist, könnte's ja unmöglich was Gefährliches sein. Außerdem hätte er ja einen kleinen Bauch und sowas würde sie überhaupt nicht attraktiv finden. Trotzdem habe ich ihr vor ungefähr einem Jahr mal sehr eindringlich und ernsthaft gesagt, dass ich mir Sorgen mache und dass sie mir bitte sofort sagen soll, wenn zwischen uns etwas nicht passt. Und dass ich sofort bereit wäre, etwas zu ändern, wenn sie ein Problem sieht. Aber auch da wieder: Sie sagte, ich würde Gespenster sehen und sie hätte mir schon den Besten und so weiter. Außerdem hat der Typ ja einen kleinen Sohn (heute 2) und eine Freundin und deshalb würde auch von seiner Seite aus eine Affäre üüüberhaupt niemals zur Debatte stehen.
Sie hat mich also beruhigt, immer und immer wieder. Das, und die Tatsache dass der Typ selbst in festen Händen ist und eben den Sohn hat, hat mich dann einigermaßen beruhigt, obwohl ich immer so ein unwohles Gefühl hatte.
Tja, der aufmerksame Leser wird wissen, was als nächstes kommt.
Vor etwa fünf Wochen hat sie mir ihr Handy mit der geöffneten Chat-App gereicht und mich halb vorwurfsvoll angeguckt. Ihr Augen sagten sowas wie "kontrollier mich ruhig, du siehst Gespenster, ich hab nix zu verbergen!". Ich hab schnell geschaltet, die App geschlossen und nach ner anderen Chat-App gesucht, diese geöffnet und ZACK... mein Leben stellt sich binnen einer Sekunde auf den Kopf. Ich klicke die Unterhaltung mit ihm an, sehe lauter Herzen und... dann sieht sie mir an, was da vor sich geht und nimmt mir das Handy aus der Hand. Ich stell sie zur Rede und sie bricht in Tränen aus. Sagt, sie hätte es mir bald gesagt und es tue ihr so leid, dass ich es so erfahren muss...
Bisher passiert ist angeblich nur ein Kuss, weitere fünf Wochen zuvor. Ich hatte mich das letzte mal 3 Wochen nach dem Kuss bei ihr nach ihm erkundigt. Hatte sie gefragt, ob es was ernstes ist. Wieder die gleiche Antwort: "nein, nein, kontrollier mich nicht so! Ich erzähl dir doch alles!"...
Ob es wirklich nur ein Kuss war, würde ich gerne glauben, es fällt mir nur so schwer.
Als ich sie nach den Gründen fragte, meinte sie, dass sie seit etwa einem 3/4 Jahr das Gefühl hatte, dass wir uns auseinanderleben würden. Dass wir in verschiedene Richtungen gehen würden. Ich hatte dieses Gefühl überhaupt nicht, und habe es bis heute nicht. Ich war immer der Meinung, dass wir eine sehr stabile und innige Beziehung führen. Dass wir an einem Strang ziehen, was die Vorstellung vom Leben und von der Kindererziehung angeht. Dass wir gemeinsame Interessen haben, aber auch wertvolle Unterschiede. Dass wir uns einfach sehr gut ergänzen, ich als Kopfmensch und sie als Herzmensch. Wir hatten bis zu diesem Vorfall nicht eine einzige ernsthafte Krise in unserer Beziehung. Sicher, es gab auch mal 2-3 Wochen ohne große Leidenschaft oder so, aber ich war der Meinung, dass das normal ist und dass unser Fundament bombenfest steht. Anscheinend habe ich mich getäuscht, und war zu unaufmerksam.
Ein weiterer Grund, den sie angeführt hat, war der Alltagsstress. Sie hat meistens die Kinder abgeholt, meistens eingekauft und die Wäsche gemacht. Ich habe etwas mehr gearbeitet, aber nicht so sehr, dass ich gar keine Hilfe war. Sie sagt außerdem, dass ich ein großartiger Papa bin, der beste, den die Jungs sich wünschen können. Ob das stimmt, sei mal dahingestellt, aber ich gebe mir schon Mühe. Und ob dieser Satz so gut für meine Chancen bei ihr ist, bezweifle ich auch ein wenig...
Was ich einsehe, und was definitiv eine Besonderheit und große Belastung für sie war und ist, sind meine Eltern. Sie wohnen direkt nebenan bei uns und sind unsere Vermieter. Ich wusste schon immer, dass das nicht ideal ist, hab aber (genau wie sie) auch die großen Vorteile gesehen. Die Großeltern für die Enkel gleich nebenan, außerdem das große Haus mit dem großen Garten. Etwas dörflich zwar, dafür sehr behütet und ideal zum Aufwachsen für die Jungs. Die Situation wurde dramatisch verschlimmert, als meine Eltern wegen eines Unglücks in der eigenen Wohnung Anfang diesen Jahres für ein halbes Jahr zu uns ziehen mussten. Diese Zeiten war sehr anstrengend und aufreibend für die ganze Familie, und diese Zeit fällt genau mit der immer intensiveren Annäherung meiner Frau an diesen Typen zusammen...
Sicher, es wäre zu einfach, alles auf diese Sondersituation zu schieben. Und ich bin auch bereit, mich selbst zu hinterfragen. Aber ich glaube schon, dass meine Eltern einen großen Teil ihres "Unwohlseins" ausgemacht haben (und immer noch ausmachen). Sie sagt, sie empfindet eine immer größer werdende Enge, ihr würde die Luft zum Atmen fehlen. Das verstehe ich gut, und dass ich das so lange nicht ernst genug genommen habe, bereue ich sehr.
Andererseits finde ich es so unfassbar schlimm, dass sie nie mit diesen Sorgen und Nöten zu mir gekommen ist. Sie hat zwar immer mal gesagt, dass ihr mein Vater auf die Nerven geht, aber dass es so schlimm ist, dass sie am liebsten ausziehen will, hat sie nie offen angesprochen. Im Gegenteil, sie hat alle weiteren Pläne (Urlaub mit meinen Eltern, Wohnungsausbau) mitgetragen, über viele Jahre hinweg. Wenn sie mich, was man in einer Ehe doch erwarten kann, mal beiseite genommen und in Ruhe angesprochen hätte, hätten wir definitiv eine Lösung gefunden. Ich hätte mich immer für meine Frau entschieden, egal um was es geht. Das tue ich heute noch.
Außerdem hat sie das Thema, dass aus der Freundschaft mit ihrem Kollegen (mittlerweile nicht mehr ihr Chef, sondern nach oben versetzt) immer mehr wurde, ausschließlich mit sich selbst ausgemacht. Ich meine, es kann ja mal passieren, dass man sich aus einer Ehe heraus in einen andern verguckt. Davor ist wahrscheinlich niemand geschützt. Aber wenn ich spüre, dass sowas im Anmarsch ist, und mir wirklich was an meinem Mann und meiner Familie liegt, dann spreche ich das doch an... Das bin ich doch meinem Mann und insbesondere meinen Kindern schuldig.... oder nicht..?
Egal, ist nicht mehr zu ändern.
Jetzt mal zur aktuellen Situation. Die ist nämlich einigermaßen absurd.
Sie sagt, sie wäre sehr unentschlossen. Sie sagt, in ihrem Kopf ist sie sich vollkommen klar, dass sie uns als Familie und mich als Mann nicht aufgeben kann. Weil sie auch weiß, dass es dafür keinen objektiven Grund gibt. Ich habe ihr sofort nach dem die Sache raus kam, in Aussicht gestellt, dass ich bereit bin, alles auf den Tisch zu bringen und anzugehen. Wir können binnen einer Woche in eine Wohnung in einer Stadt ihrer Wahl ziehen, wir können unsere gesamte Familien- und Arbeitsorganisation neu angehen, wir können alles tun. Ich liebe sie nach wie vor sehr, und will sie und natürlich meine Kinder niemals hergeben. Schon beim Gedanken an ein Wechselmodell oder sowas wird mir speiübel...
Aber sie sagt eben, ihr Herz wäre verwirrt. Ihr Herz zieht sie zum anderen. Sie sagt auch, dass ihr vollkommen klar ist, dass sie nur die angenehmen Seiten von ihm kennt. Sie hat sogar schon mal gesagt, dass sie nicht glaubt, dass es auf Dauer mit ihm funktionieren würde. Aber sie könne ihr Herz eben nicht ignorieren. Ein bisschen verstehen kann ich das sogar...
Sie hat mich also um Zeit gebeten. Sie könne nicht sagen, wie lange es dauern würde, aber sie wäre sich sicher, dass ihr jetzt nur Zeit helfen kann. Und dass sie Angst hat, dass sie eine vorschnelle und falsche Entscheidung trifft, wenn ich ihr Druck mache.
Ich habe am Anfang lange geschwankt und überlegt, was ich jetzt tun soll. Soll ich Druck ausüben und ihr hart vor Augen führen, was sie verlieren kann? Soll ich ihr Ultimaten setzen? Die Kinder ins Boot holen, damit sie sieht, wie sie leiden? Sie zwingen, den Kontakt zu ihm abzubrechen?
Ich habe, auch weil ich solche Angst davor hab, dass die Kinder ein Trauma davontragen, mich dagegen entschieden. Ich habe mich dafür entschieden, ihrem Wunsch zu entsprechen. Ich gebe ihr also Zeit. Wir leben weiter unser Leben, haben den Kindern nix gesagt, und tun so, als wäre alles wie immer. Sie trifft sich ab und zu mit ihm, tagsüber, in meinem Wissen. Sie sagt, sie muss ihn treffen und zu begreifen, was sie wirklich will. Einzige Vereinbarung ist, dass es nicht körperlich werden darf. Ich leide natürlich sehr, gerade in diesen Stunden, aber auch sonst. Ich schlafe im Keller, sie nach wie vor in unserem Bett.
Warum mache ich das überhaupt mit? Nun, ab und zu gibt es gute Tage, an denen wir uns mehrfach umarmen. Dann spüre ich auch, dass sie auch etwas spürt dabei. Dass ich ihr nicht egal bin, dass zumindest ein Rest der Basis zwischen uns noch da ist. Sie stellt mir auch ab und zu in Aussicht, dass sie sich eine Zukunft mit mir und den Kindern auf jeden Fall vorstellen kann. Und dass sie auch voll mitziehen wird, wenn diese Sache durchgestanden ist. Manchmal hab ich richtig Hoffnung.
Aber dann schreibt sie wieder mit ihm. Unendlich viel. Abends manchmal stundenlang. Ich weiß nicht worüber man so lang schreiben kann. Ich habe sie gebeten, das mir zuliebe wenigstens in meinem Beisein zu lassen... aber sie sagt, sie könne nicht anders und ich solle ihr keinen Druck machen... immer und immer wieder dieses Totschlagargument... bloß kein Druck. Sie sagt, sie weiß, dass das sehr schwer ist für mich, und dass sie mich andersrum schon längst rausgeworfen hätte, aber sie könne nun mal nicht anders. Wenn sie nicht mit ihm kommuniziert, wird sie unglücklich, sagt sie.
Ich versuche ihr manchmal klarzumachen, dass sie einer Illusion hinterher rennt. Dass dieses viele Geschreibe nicht das reale Leben ist. Aber sie ist süchtig danach. Manchmal geht sie abends auch noch ne Stunde mit ihm telefonieren, draußen beim Spazieren. Sie sagt es mir knapp und ist dann weg.
Ich sitze dann im Haus und bringe die Kinder ins Bett und frage mich, warum ich das eigentlich mit mache. Und ob sie mich von vorn bis hinten verarscht...
Aber dann gibt es immer wieder diese Momente, in denen ich spüre, dass sie mich nicht loslassen kann. Dass sie zweifelt. Dass es noch Hoffnung gibt. Und daran klammere ich mich so fest. Und ertrage dann so einiges...
Mir geht es sehr schlecht, ihr geht es augenscheinlich deutlich besser. Sie ist auch manchmal nachdenklich und so, aber ich habe das Gefühl, sie genießt, dass ich einigermaßen still halte und sie gleichzeitig relativ frei ist, was den Typen angeht. Mich macht das wahnsinnig und wütend, aber ich beiße mir auf die Zunge...
Ich hänge wirklich extrem an ihr und meiner Familie. Ich will alles dafür tun, um das zu erhalten. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass sie zur Zeit nicht sie selbst ist, und dass sie es eines Tages bitter bereuen würde, wenn sie uns jetzt verlässt. Davor will ich sie und uns bewahren. Ich bin auch ein Stück weit fatalistisch: Ich sage mir, ich will sie unbedingt erhalten, und wenn das nicht gelingt, dann wird sowieso alles schrecklich und dann sind paar Wochen/Monate Quälerei, die ich derzeit ertrage, im Großen und Ganzen auch nicht mehr so wild...
Wir waren schon bei der Paartherapie (sie war auch relativ bereitwillig, mitzukommen) und haben bald unseren nächsten Termin. Die erste Sitzung war gut, wenn auch noch relativ oberflächlich. Die Therapeuthin hat angeregt, dass wir mal zu zweit verreisen, uns eine Weile lang nur auf uns konzentrieren. Das wollte sie überhaupt nicht, sie glaubt, man könne "Nähe nicht durch Nähe erzeugen." Dann hat die Therapeuthin alternativ vorgeschlagen, dass sie mal alleine ne Woche verreist, um in sich zu gehen. Das konnte sie sich schon eher vorstellen, ich unterstütze sie auch sehr bei dieser Idee, aber so richtig will sie es nicht. Ich frage sie immer mal wieder, ob sie vielleicht bald sowas machen will, ob sie ein schönes Hotel suchen will. Aber sie wirkt da relativ halbherzig.
Und so ist meine große Befürchtung, dass dieser komische Wartestatus noch sehr lange Bestand hat. Die Sache ist jetzt 5 Wochen her und gefühlt sind wir keinen einzigen Schritt weitergekommen. Wir haben unseren Alltag, gehen beide arbeiten, kümmern uns um die Jungs. Sie trifft sich ab und zu mit ihm und schreibt sich ständig mit ihm. Nach innen ist schwer zu ertragen, und nach außen auf Dauer die heile Weilt zu spielen, natürlich auch.
Und es ist einfach nicht absehbar, wie sich die Situation ändern soll. Mache ich ihr Druck, schreckt sie sofort zurück und "droht" (unausgesprochen) damit, dass jeglicher Druck sie wegscheuchen würde. Also gebe ich klein bei und spiele mit. Bin der liebe Papa und ihr Mann, ohne ihr irgendwelchen Druck zu machen. Es ist absurd und demütigend, aber ich habe solche Angst... auch davor, irgendwann zu erkennen, dass ich ohne die Frau, die ich so liebe, auf Dauer besser dran bin...
Vielen Dank, dass du tatsächlich bis hier gelesen hast! Ich weiß gar nicht, was ich genau für einen Rat hören will. Vielleicht kennt jemand so eine seltsame "Unentschlossenheits-Situation" ja und kann berichten, was da helfen kann. Danke!