Hallo liebes Forum,
ich (34) möchte mich heute an euch wenden, um mal mein momentanes Gefühlschaos aufzuschreiben. Vielleicht kommt ja etwas hilfreiches dabei raus, gegrillt werde ich so oder so. Aber wahrscheinlich ist das auch gut so. VORSICHT, LANG!
Ich habe eine langjährige wirklich schöne Beziehung. Wir hatten erst eine WE-Beziehung, dann wohnten wir drei Jahre zusammen und es war einfach nur perfekt und ich war happy wie nie zuvor. Dann wurde dank meines Berufs wieder eine WE-Beziehung draus. Ich merkte, wie ich mich irgendwann begann als zwei Personen zu fühlen, ich weiß nicht, ob das wer kennt als pendelnder Teil. Man hat seine Arbeit dort, seine kleine Wohnung und irgendwann entwickelt sich auch ein Sozialleben. Ich fing an wieder bewußt andere Männer wahrzunehmen, also rein optisch zu denken, ja der schaut gut aus. Trotzdem nichts weiter dabei gedacht. Ich war und bin ja glücklich bei meinem Freund (40). Dieser ist wirklich ein ganz toller Mensch, ist immer für mich dagewesen und wir verstehen uns einfach blind. Charakterlich wie Faust aufs Auge. Dazu muss ich sagen, dass wir erst befreundet waren, bevor ich mich verliebt habe. Weil er optisch eigentlich nicht mein Typ ist, etwas mollig, ein bisschen kleiner als ich. Aber was solls, ich habe (?) ihn trotzdem über alles geliebt.
Tja und nun kommt wie ihr euch ja denken könnt, der unschöne Teil. Seit Dezember letzten Jahres habe ich eine sehr intensive und sehr heftige Affäre mit einem Arbeitskollegen (44). Wir kennen uns ein paar Monate (er neu) und er fing sehr harmlos an zu flirten. Ich habe das zwar registriert, bin aber nicht drauf eingestiegen. Nett aber nein danke, bin ja vergeben - komischerweise erwähnte ich ihm gegenüber meinen Freund aber nicht. Wir haben arbeitsmäßig ab und an etwas miteinander zu bekaspern, es entstand email-Kontakt, der immer auch ein paar belanglose private Worte enthielt. Eines Tages war ich arbeitsunwillig und müde und ich rief ihn an, ob er Lust hätte etwas spazierenzugehen (sind relativ frei in der Arbeitseinteilung), ich wäre kurz vorm einschlafen. Er war binnen 5 Minuten da und wir sind an die fische Luft gegangen (wenn auch eisekalt) und haben locker erzählt. Wie die Latinos (ist er nämlich) so sind, ist er etwas touchy beim erzählen und so ist er mir öfters nahe gekommen. Hat wie öfter schon beim Geplänkel gefragt, wann ich ihn endlich zum Kaffee einlade. Außerdem erzählte er, dass bereits in der folgenden Woche in den Weihnachtsurlaub geht. Wiedersehen erst Mitte Januar. Irgendwie hat mich das auf einmal erschreckt, ihn solange nicht zu sehen. Außerdem bin ich total auf seinen Geruch abgefahren, hatte auf einmal Fantasien davon, wie er mich küsst als wir nah beieinander standen. Aber es gab nur Wangenküsschen beim Abschied und wir gingen wieder an die Arbeit. Doch es hat mich nicht losgelassen, ich hatte das übermächtige Bedürfnis, ihn zu spüren. Keine Verliebtheit, einfach nur der Wunsch, Sex mit diesem Mann zu erleben. Ich folge leider oft meiner Intuition und ich habe ihn am nächsten Tag spontan per email abends zum Kaffee eingeladen. Sprich, ICH habe den ersten Schritt gemacht. Ohne Reue, obwohl ich genau wusste, was ich tat und worauf das hinauslaufen wird. Die innere Stimme sagte, es muss sein, egal was kommt. Er kam natürlich, wir haben geredet auf der Couch gesessen und Wein getrunken und irgendwann hat er mich geküsst. Ab da war der Damm gebrochen und wir hatten hammermäßigen Sex. Er fragte, ob ich schon bei der email Sex im Sinn hatte. Ich sagte ja. Gut, sehr gut, war seine Antwort. Im Gespräch kamen wir auf meinen Beziehungsstatus und ich erzählte ihm endlich von meinem Freund. Er war zwar erstaunt, meinte aber, das ist ok. Er sei Single, schon seit langem und könne sich eine Beziehung nicht vorstellen. Er blieb über Nacht, es war sehr schön, ihn neben mir zu haben. Den nächsten Tag haben wir uns kurz auf der Arbeit zu einem Kaffee gesehen, abends war verplant. Aber am letzten Abend meiner Arbeistwoche kam er wieder, es war alles klar. Er blieb wieder über Nacht, der Sex war unbeschreiblich, dazu gleich mehr.
Vier Wochen des nichtsehens kamen, wir hatten email Kontakt, auch etwas anzüglicher. Nebenbei versuchte ich zu verstehen, was ich da tue und warum. Betrachtete meine Beziehung von außen und sah nichts, was nicht stimmen würde - außer das der Sex mich jetzt nicht mehr erfüllte. Aber nach wie vor ist er mein Seelengefährte und ich kuschele auch gern mit ihm. Auch jetzt noch. Die Weihnachtspause verging und seitdem wir beide wieder arbeiten, führe ich ein Doppelleben. Mein Geliebter ist jede Nacht bei mir, auch wenn er oft erst spät kommt. Am Wochenende bin ich mein altes Ich, auch zufrieden, wie eine warme alte gemütliche Wolldecke (mir fällt grad kein anderer Vergleich ein). Auch er fährt jedes WE in seine alte Stadt und lebt sein Singleleben, geht feiern. Ich frage ihn nicht nach anderen Frauen, es interessiert mich nicht.
Unter der Woche entdecke ich meine Sexualität neu, Fantasien die vorher nur diffus in mir waren, kommen ans Tageslicht. Ich kann mich total fallen lassen, mir ist nichts peinlich. Wie schon erwähnt, haut mich sein Duft um, ich kann gar nicht genug davon bekommen, auf seiner Brust zu liegen und ihn einzuatmen. Ich vertraue ihm von der ersten Nacht an. Er ist beim Sex sehr dominant und es entwickelt sich langsam eine mir bisher unbekannte Sexualität. Ich spüre aber, dass ich mehr und mehr damit identifizieren kann, dass es etwas ist, was mir immer gefehlt hat, auch wenn ich es nie benennen konnte.
Trotzdem respektiert er mich, sobald der Akt vorbei ist, wir reden, wir küssen uns, wir kuscheln und wir haben auch nicht immer Sex, wenn wir beide von der letzten kurzen Nacht noch vollkommen k.o. sind. Aber es ist keine Liebe, da bin ich mir sicher. Ich kann also nicht zu meiner Verteidigung anbringen, dass ich blind vor Gefühlen bin. Ich bin voller Gefühle ja, aber die sind nicht jugendfrei.
Blind bin ich nicht, ich sehe was ich tue. Der Kopf analysiert eiskalt und hält die Moralpredigten. Das Herz sagt aber, alles ist ok, so wie es ist, es wird alles gut, auch wenn du den Weg noch nicht sehen kannst. Trotzdem sträube ich mich gegen die Konsequenzen. Ich müsste aller Logik und Fairness nach meinen Partner verlassen. Ich weiß, dass das schwer wird, auch für mich. Ich würde ihn als meinen Seelenpartner verlieren, familiär würde das einschlagen wie eine Bombe, Freundschaften stehen auf dem Spiel, ein Haus. Keine Kinder, das wenigstens nicht. Aber all das würde ich ertragen können, nur ertrage ich nicht seinen absehbaren Schmerz. Ihm eiskalt ein Messer ins Herz zu stoßen und zu gehen (mit welcher Begründung überhaupt? Schatz, ich will Sex mit anderen obwohl ich dich noch liebe?). Ich weiß er liebt mich wirklich über alles, das merke ich jeden Tag (wir telefonieren) und er ist immer so froh, wenn ich wieder zu Hause bin.
Er ist niemand, der jemanden leicht in sein Leben lässt und wenn er alles erfahren würde, würde er die Welt nicht mehr verstehen. Ich habe am meisten Angst davor, seelisch einen Menschen zu ermorden, genauso fühlt es sich an, wenn ich das in Gedanken durchspiele. Der Witz dabei ist, ich bin nicht unglücklich zu Hause. Im Moment bekomme ich das doppelte Leben gut geregelt, aber ich weiß, das ist keine Dauerlösung. Ich kann doch nicht zwei perfekt passende Partner, einen für das emotionale und einen für das sexuelle haben? Aber wieder zurück zum Durchschnittssex, die Affäre beenden kann ich momentan auch nicht. Ich will wissen, wohin das führt, habe das starke innere Gefühl, dass dies wichtig ist für mein Leben, für meine Entwicklung. Will aber vor allem meinen Lebenspartner nicht verletzen und tue alles, um das geheimzuhalten, lösche alle SMS und Anruflisten bevor ich zu Hause bin. Und frage mich, seit wann ich so kaltblütig bin, wo mein Gefühl des zerreißens bleibt. Es zerreißt mich nur, wenn ich denke, wie sehr es ihn verletzen würde, wenn er das wüsste.
Andererseits stelle ich mir grundsätzliche Frage über die Liebe. Ist es denn definitiv keine Liebe mehr, nur weil ich ihn sexuell nicht liebe? Was ist wichtiger, die körperliche Liebe (ja so würde ich das Gefühl für meinen Geliebten ausdrücken ich liebe seinen Körper und er meinen) oder die geistige? Die erste geht irgendwann ganz bestimmt, dafür alles wegwerfen? Die zweite bleibt aber ihr zuliebe für immer auf die erste zu verzichten? Denn ich spüre, sexuell wird mir immer etwas zu Hause fehlen und nein, ich will mit ihm nicht daran arbeiten. Dieses steckt nicht in ihm und ich wollte auch ihn nicht in dieser Rolle sehen, er hat mich sexuell nie so angesprochen, wie dieser Mann jetzt. Wie gesagt, es fing als freundschaftliche Liebe an, der Sex gehörte dann dazu, war auch schön aber nie so explosionsartig und ich kann mir diese Art der sexuellen Erfüllung mit meinem Freund einfach nicht vorstellen.
Danke für alle, die es mit dem lesen bis hierher geschafft haben. Kreuzigt mich, wascht mir den Kopf und sagt, wie ihr von außen die Situation seht.