Hallo,
der Libidoverlust ist leider bei Depressionen weit verbreitet und hat tatsächlich verschiedene Ursachen. Auch ist sehr bekannt, dass Partnerschaften darunter leiden. Das Problem ist dabei nicht zwingend der Lividoverlust an sich, sondern vielmehr die Bewertung des Paares der Situation und ihrer Kommunikation. Du denkst nämlich inzwischen, es liegt an dir. Er hingegen wird unter einem enormen Erwartungsdruck stehen und besonders Männer fühlen sich in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt dadruch weniger männlich.
Eine Depression ist eine Erkrankung des Gemütes, welche eine große Beteiligung anderer Bereiche beeinhaltet. Diese schwere und oft unterschätzte Erkrankung wird sehr belastend erlebt.
Dein Mann ist arbeitsunfähig und leidet unter Libidoverlust. Das lässt darauf schließen, dass es sich zumindest um eine mittelgradige depressive Episode handelt. Zu dem Gemüt gehören auf der einen Seite die Affekte. Dazu zählt z.B. Freude und Interesse. Bei einer Depression sind diese Affekte beeinträchtigt, bzw. sie verarmen oder können auch verflachen. Daraus können viele andere äußerst belastende Umstände entstehen z.B. eine Anhedonie. Das ist der Fall, wenn die Person keine Freude mehr empfindet und es zusätzlich noch zu einer Genussunfähigkeit kommen kann. Genießen können wir verschiedene Dinge unter anderem Essen oder auch Sexualität.
Je schwerer die Depression, um so mehr belastende Umstände stellen sich ein. Unter anderem kann es dazu kommen, dass die Menschen keine Energie mehr aufbringen können. Es gibt nämlich auch den Antrieb, der bei dieser Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen wird. Es kann also z.B. sein, dass der Mensch etwas tun will, absolut tun will, es aber nicht schafft. Er fühlt sich innerlich gebremst und hat immer das Gefühl gegen einen Widerstand anzutreten. Dieses Vorgehen nimmt so viel an Energie in Anspruch, dass das Gefühl einer tiefgreifenden Erschöpfung vorhanden sein kann.
Oftmals kommen noch andere belastende Umstände hinzu, wie z.B. frühes Auffachen, ein Morgentief, schlechter Schlaf und Appetitverlust oder sogar Gewichtsverlust. Und eben der Libidoverlust. Alles in allem Hinweise auf eine fortschreitende, schwere Entwicklung.
Was immer beeinträchtig ist, sind Selbstvertrauen und auch das Selbstwertgefühl. Meistens, bereits bei leichteren Erkrankungsformen kommt es zu Schuldgefühlen und Gedanken über die eigene Wertlosigkeit. Je stärker die Depression wird, umso stärker wird das Gefühl der Schuld. Das ist wohl gemerkt eine Schuld ohne Schuld und ist schwer aushaltbar.
Warum schreibe ich das?
Weil du verstehen musst, was diese Erkrankung mit deinem Partner macht!
Schuldgefühle, die also bereits durch die Erkrankung vorhanden sind werden verstärkt durch Erwartungen. Das sind einmal die Erwartungen an mich selbst. Das ist schon äußerst schlimm zu empfinden. Dann gibt es aber noch die Erwartungen, die der Partner an mich stellt und ich weiß, ich kann sie nicht erfüllen.
Daraus entwickelt sich ein Kreislauf aus Selbstbeschuldigung, Angst und auch Scham. Die Unterscheidung zwischen Scham und Schuld ist übrigens die Bewertung. Scham ist die Folge einer negativen Bewertung des eigenen Selbst. Man setzt dadurch seinen eigenen Wert herab. Das spielt sich in der Werte-Instanz des Menschen ab. Schuld hingegen ist die Folge einer negativen Bewertung von Verhalten. "Das hab ich völlig falsch gemacht, war ja klar"
Um das alles zu umgehen, muss man erst einmal darum wissen.
Und dann geht es darum eigenes Verhalten und auch die Kommunikation zu verändern. Wir haben oftmals verlernt über unsere Gefühle zu sprechen, wir sprechen häufig so, dass andere es wie eine Forderung empfinden oder eine Erwartung, die wir an sie stellen. Das baut Druck auf. Den könnt ihr in der jetzigen Situation nicht gebrauchen. Wobei ein depressiver Mensch oft auch Schwierigkeiten hat emotional zu reagieren. Das ist ein weiterer erschwerender Punkt. Entweder sind Gefühle tatsächlich abhanden gekommen, oder sie können schlecht in Worte gefasst werden. Damit ist nicht nur ein Gefühl der Liebe gemeint, es betrifft oft grundsätzlich die Gefühle an sich.
Ein liebevollen und vertrauensvolles Gespräch über Unzulänglichkeiten oder auch Versagen kann Menschen helfen diese Genussunfähigkeit oder den Libidoverlust nicht mehr so negativ zu bewerten. Er verliert dadurch etwas an Schrecken und sorgt für mehr Nähe in der Beziehung. Für diese Art Gespräch muss man zwingend die Zeigefinger auf andere Menschen "du hast aber" oder "ich will aber" unterlassen.
Über Gefühle sprechen lernen ist ein sehr guter Weg und er wirkt der Erkrankung deines Mannes entgegen. Meine Worte waren hoffentlich verständlich. Das Gefühl einer Schuld hält ihn in seiner Erkrankung. Das darf nicht passieren. Deine bisherige Kommunikation ist freundlich ausgedrückt nicht angemessen. Ich verstehe dich, aber es ist nicht hilfreich.
LG Sis