Hallo zusammen,
Ich habe ein riesengroßes Problem. Die letzte Woche war so ziemlich die schlimmste meines Lebens. Ich bin 23 und seit über einem Jahr mit meiner Freundin zusammen. Sie ist meine erste Partnerin und ich liebe sie über alles. Wir haben sehr schöne Zeiten miteinander verbracht. Nach etwa einem halben Jahr hat sich herausgestellt, dass wir in einigen Punkten andere moralische Einstellungen haben. Sie hat mir gebeichtet, dass sie schon seit längerem wieder raucht und auf regelmäßig kifft. Das war für mich ein ziemlicher Schock, denn ich habe ihr als wir uns kennengelernt haben mal gesagt, dass ich mir nicht vorstellen könnte mit einem Raucher / Kiffer zusammen zu sein. Nun ja, jetzt hatte ich mich aber schon in die verliebt und ihr Geständnis hat auch nichts an meiner Liebe zu ihr geändert. Klar gab es nochmal die ein oder andere Situation wo es zu einem Gespräch kam. Zum Beispiel ist sie vor ein paar Monaten in eine ziemliche Kiffer-WG gezogen. Und das ich das nicht wirklich toll fand hab ich ihr gesagt. Trotzdem habe ich ihr beim Umzug geholfen und alles für sie gemacht wo sie Hilfe braucht. Es war auch nie so, dass wir uns gestritten haben und wir haben immer sehr schnell wieder zueinander gefunden. Wir haben immer noch die gleichen Zukunftspläne. Wir beide wollen Kinder, wollen irgendwann zusammenziehen und erhoffen uns dasselbe vom Leben. Und das war für mich immer das wichtigste und ein Zeichen dafür, dass trotz unserer unterschiedlichen Einstellung in manchen Dingen wir eine glückliche Zukunft vor uns haben.
Bis vor ca. anderthalb Wochen, als meine Freundin mir in der Nacht sagte, dass sie nicht sicher ist, ob sie mir das geben kann, was ich mir vom Leben wünsche. Ich war total platt. Ich habe sie gefragt ob sie eine Auszeit möchte und sie sagte ja. Dann ist sie nach Hause gegangen und hat mich tränenüberströmt zu Hause sitzen lassen. Nach ca einer Woche habe ich sie angeschrieben und gefragt wie es bei ihr aussieht. Ob wir nochmal reden wollen. Ich war sehr aufgelöst. Sie hat extrem kalt und abweisen mit mir geschrieben, wollte sich aber auch nocheinmal mit mir treffen. Ich habe mir in der Zeit ohne sie sehr viele Gedanken gemacht und habe viele Dinge aus anderen Perspektiven betrachtet. Ich habe gemerkt, dass ich in einigen Punkten aufgrund meiner moralischen Einstellung zu Drogen / Rauchen sehr intolerant war, auch ihren Freunden gegenüber. Und ich glaube das hat sehr an ihr genagt ohne das sie mit mir jemals darüber gesprochen hatte. Ich habe einen 9 Seiten langen Brief mit sehr viel Feingefühl und Emotionen verfasst und ihn ihr gestern als sie bei mir war vorgetragen. In diesem entschuldige ich mich für meine teilweise verklemmten Ansichten. Ich habe ihr gesagt, dass sich jede Beziehung weiterentwickeln muss wenn man möchte das sie auf Dauer funktioniert. Und ich habe ihr einen Neustart vorgeschlagen indem ich ihr mehr Freiheten biete und habe sie an die schönen Zeiten in unserer Beziehung erinnert. Sie fand den Brief sehr rührend und hat sehr viel geweint (ich natürlich auch). Sie sagt das sie sich so unsicher ist und das sie nichts tun will was sie nicht später bereut. Einerseits sagt sie, dass sie sich emotional sehr weit von mir entfernt hat (und das obwohl sie mir vor 2 Wochen noch ihre Liebe beteuert hat!) und das sie sich momentan eigentlich nicht vorstellen kann mit mir zusammen zu bleiben weil wir in "vielen Dingen so verschieden seien" (abgesehen von unserer moralischen Einstellung zu Drogen passen wir in allen anderen Dingen sehr gut zusammen). Andererseits sagt sie, dass ich der beste Mann sei, den sie je kennengelernt hat und das ich ihr auf so vielen Ebenen mehr gebe als sie sich jemals gewünscht hat.
Sie sagte, dass sie sich eine Zukunft mit mir vorstellen kann, aber das es in iherer momentanen Lebensphase nicht passen würde. Ich sehe was sie meint und habe ihr gesagt, dass eine Beziehung kein statisches Konstrukt sei. Das ich sie als die Person liebe und akzeptiere die sie ist. Und das ich bereit bin mich ihr in vielen Punkten zu öffnen wo ich mich vorher sehr verschlossen habe. Sie sagte, dass ich ihr durch meinen Brief gezeigt habe, dass ich das wesentliche Problem erkannt hätte aber das sie nicht weiß, ob sie momentan einen Neustart mit mir wagen kann. Sie will mich aber auch nicht verlieren weil ich ihr immer noch so wichtig bin. Sie kann auch nicht mit der Vorstellung leben mich nie wieder zu sehen oder mich nie wieder berühren zu können.
Sie hat gestern bei unserem Treffen auch nicht zugelassen, dass ich sie berühre. Sie sagte es wäre ein so vertrautes Gefühl wenn ich sie umarme und gleichzeitig löse es schmerz in ihr aus. Später sagte sie unter Tränen aber auch, dass sie genau weiß wenn sie mir jetzt in die Arme fallen würde, wäre für ein paar Sekunden ihre Welt wieder in Ordnung. Mir scheint es (und da mag ich total falsch liegen), dass sie sich eine komplette Mauer um ihr Herz errichtet hat und aktuell nur die Probleme sieht die ihr die Sicht verschleiern. Ich habe laut ihrer eigenen Aussage mit meinem Brief den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich habe das wesentliche Problem erkannt und habe ihr viele Lösungsvorschläge für dieses genannt. Ich schätze damit hatte sie bevor sie gestern kam nicht gerechnet und hatte sich ursprünglich vorgenommen Schluss zu machen. Jetzt habe ich sie aber mit meinem Brief und meinen Lösungsvorschlägen doch nochmal zum nachdenken angeregt. Sie sagte dass sie jetzt noch keine Entscheidung treffen könne und sie bis Sonntag nocheinmal in aller Ruhe alles überdenken muss. Diese Zeit gestehe ich ihr natürlich ein. Auch wenn es für mich eine Qual ist jetzt schon seit fast 2 Wochen so in der Luft zu hängen und nicht zu wissen woran ich bin.
Als ich sie gestern zum Bahnhof gefahren habe, sagte ich ihr kurz bevor sie ausgestiegen ist, dass dies jetzt vielleicht die letzten Sekunden sind, in denen wir uns sehen. Sie war sehr erschrocken und hat gefragt wie ich das denn meinte. Ich habe ihr erklärt, dass wenn sie mir Sonntag schreibt, dass sie sich nicht auf einen Neustart einlassen kann, ich nicht in der Lage bin sie nocheinmal zu sehen. Sie meinte darauf hin: "Wollen wir uns dann nicht trotzdem nocheinmal treffen?" und ich habe ihr gesagt, dass meine Gefühle für sie viel zu stark sind, als dass ich es ertragen könne sie wiederzusehen in dem wissen, dass sie mich verlässt. Diese Worte haben sie sehr bewegt. Die Vorstellung mich nie wieder zu sehen hat sie zutiefst erschüttert. Dann ist sie ausgestiegen und ich bin gefahren.
Ich danke erstmal allen die sich mein gejammer bis zum Ende durchgelesen haben. Bestimmt könnt ihr euch denken wie ich mich gerade fühle. Ich bin seit anderthalb Wochen völlig am Ende und klammere mich an jeden Hoffnungshalm den ich greifen kann. Unser Gespräch gestern ging fast 5 Stunden. Wir saßen beide auf meinem Bett, keinen Meter voneinander entfernt. Der Schmerz, den ich gestern gefühlt habe, weil ich das Mädchen was ich liebe nicht berühren durfte und das obwohl ich vor gerade mal anderthalb Wochen noch mit ihr im Arm eingeschlafen bin war die bisher schlimmste Erfahrung meines Lebens.
Und jetzt sitze ich hier und versuche meinen Kopf innerlich darauf vorzubereiten, dass Sonntag schluss ist während mein Herz die Hoffnung hat, das mein Brief und die Lösungen die ich ihr darin dargelegt habe das Ruder noch einmal herumreißen können.
Es ist erschreckend zu sehen wie schnell sich ein Mensch emotional von einem anderen entfernen kann. Ich weiß das ich momentan nichts anderes tun kann als warten.
Mich würde interessieren, wie ihr die ganze Siutation beurteilen würdet? Glaubt ihr ich konnte sie nocheinmal zum nachdenken anregen? Wieso macht sie nicht einfach Schluss wenn sie die Beziehung nicht mehr will? Sind da doch noch irgendwo Gefühle für mich die sie aufgrund unseres Problems unterdrückt? Sollte Schlussmachen überhaupt ein Thema sein, wenn beide Partner den anderen Menschen um nichts in der Welt verlieren wollen?
Ich bin ebenso ratlos wie verletzt und traurig. Und ich weiß, dass mir keine Antwort auf der Welt diesen Schmerz nehmen kann.
Trotzdem danke ich jedem von Herzen, der sich die Zeit nimmt sich meiner anzunehmen.
Liebe Grüße
Luca