Hallo ihr Lieben, ich brauche mal Rat von Außenstehenden, weil sich meine Gedanken mittlerweile nur noch im Kreis drehen.
Seit etwa einem halben Jahr bin ich jetzt mit meinem Freund zusammen, die "Honeymoon-Phase" ist so langsam vorbei und so allmählich hat man sich richtig kennengelernt. In den letzten Wochen ist mir immer öfter aufgefallen, dass mein Freund mich gerne beldeigt, natürlich immer nur im Spaß. Das ist zwar eigentlich schon immer so ein Ding zwischen uns gewesen, dass wir uns gegenseitig aufziehen, aber in letzter Zeit ist es immer häufiger und vor allem immer einseitiger. Immer wieder gibt es Tage, an denen er mich aus irgendeinem Grund ständig mit irgendwas aufzieht und stichelnde Kommentare abgibt, vor allem, wenn andere Leute dabei sind. Er stellt mich gerne als faul da, als inkompetent in bestimmten Situationen, lacht über mich, wenn ich mal ironische Kommentare nicht verstehe und macht mich allgemein ziemlich runter.
Danach kommt dann oft ein "Du weißt schon, wie lieb ich dich eigentlich habe" und so, aber verletzt bin ich trotzdem. Ich zeige das dann meistens nicht, weil ich nicht als humorlose Zicke darstehen will, aber gerade wenn es sich häuft, ist mein ohnehin schon schlechtes Selbstwertgefühl am Ende des Tages am Boden. In solchen Momenten fällt es mir auch schwer, zurück zu schießen, was das ganze noch unausgeglichener macht. Eigentlich bin ich auch recht schlagfertig, aber nicht vor meinem Freund. Da verschlägt es mir einfach die Sprache, jegliches Selbstbewusst sein, etwas zu sagen, ist weg. Durch diese Struktur hat sich ein wenig ein Autoritätsverhältnis in die Beziehung eingeschlichen.
Ihr müsst wissen, mein Freund ist jemand, der - anders als ich - äußerlich vor Selbstbewusstsein strotzt (klar hat er auch seine Unsicherheiten, aber die zeigt er natürlich fast nie). Er bleibt in jeder Situation souverän, ist super schlagfertig. Leider fällt es ihm schwer, Probleme anzusprechen (warum, das habe ich noch nicht ganz herausgefunden). Deshalb habe ich immer, wenn er mich ärgert, das Gefühl, dass es eben nicht nur scherzhaft ist, sondern versteckte Kritik dahinter steckt, die er nicht normal äußern kann. Um so mehr verletzen mich seine Kommentare.
Ich dagegen habe nach zwei Jahren Therapie aufgrund von Depressionen den Wert von solchen Gesprächen erkannt und spreche öfter mal Dinge an. Dann lässt er auch mit sich reden und öffnet sich ein wenig. Trotzdem hat er noch nie von selbst etwas angesprochen.
Dieses Thema habe ich auch schon angesprochen und ihm erklärt, dass es mich verletzt, dass ich nicht das Gefühl habe, dass es ein Witz ist, sondern dass es ihm ernst ist. Und dass es mich noch mehr verletzt, wenn es offensichtlich ist, dass ich das nicht mehr lustig finde und er trotzdem weiter macht und das obwohl er meine Probleme mit meinem Selbstbewusstsein kennt. Allerdings war das in einer angespannten Situation, weil wir beide einen stresisgen Tag hatten und er auch von mir ein wenig genervt war (wegen anderen Dingen und das auch zu recht. Ich habe mich dann entschuldigt dafür). Er hat zugegeben, dass das "seine Art ist Dinge anzusprechen", ich hab ihm gesagt, dass das ne scheiß Art ist und gefragt, warum er nicht in der lage ist, dass normal anzusprechen. Keine Antwort. Er war nicht wirklich veständnislos, ich glaube schon, dass mein Anliegen zu ihm durchgedrungen ist. Aber etwas wie eine Entschuldigung oder so kam nicht.
Jetzt mache ich mir Gedanken: Sollte er nichts an seinem Verhalten ändern, wird die Beziehung mein Selbstwertgefühl schwächen, wird also nicht gerade gut sein für meine psychische Gesundheit. Eigentlich bin ich "austherapiert", habe meine Medikamente abgesetzt und war setzt sein knapp einem halben Jahr nicht mehr in Therapie. Innerhalb der letzten vier Monate hatte ich zwei Panikattacken, beide in seiner Anwesenheit, beide nach einem dieser Tage, an denen er mich gepiesakt hat. Ich habe diese Attacken im nachhinein als "Appell" an ihn wahr genommen, als eine Art Ausruf "Schau, mir gehts schlecht, bitte kümmere dich um mich." Klingt alles nicht besonders gesund, ich weiß.
Andererseits können diese Panikattacken auch andere Ursachen haben, weil gerade viel in meinem Leben passiert und umgewälzt wird und Corona mich ganz schön fertig gemacht hat. Und wir haben auch soo viele gute Momente. Und ich liebe ihn sehr.
Ich mache mir Sorgen, dass ich (obwohl ich mich für recht aufgeklärt und reflektiert halte, was das angeht) in einer "toxischen" Beziehung bin. Denn je mehr er mich aufzieht, desto geringer mein Selbstewusstsein und je geringer mein Selbstbewusstsein, desto mehr bin ich emotional abhängig von ihm und desto mehr lasse ich ihm durchgehen. Ich weiß halt nicht wie weit er noch geht. Ich glaube nicht, dass ihm bewusst ist, was er tut. Aber er kennt mich mittlerweile gut genug, dass er weiß, welche Knöpfe er bei mir drücken muss um mich zu verletzen, um mich bei ihm zu halten, mich gut oder schlecht fühlen zu lassen. Bisher ist mir keine bewusste Manipulation aufgefallen, aber ich will es lieber merken bevor es zu spät ist. Ich weiß einfach nicht, wo ich die Grenze ziehen sollte. Was denkt ihr über sein Verhalten? Ist das akzeptabel, wenn man mal darüber redet oder geht das gar nicht? Sollte ich meine Sorgen ansprechen? Vielleicht könnt ihr ja mal eine Einschätzung dazu abgeben.
Vielen Dank an alle, die sich bis hier her durch gekämpft haben! Und ich freue mich über Antworten.
LG