Hallo Allerseits,
freue mich über jede Art von Hilfe, die ihr mir geben könnt.
Mein Freund hat sich vor 2 Monaten nach 4 Jahren Beziehung von mir getrennt. Er hat sich gleich in seine Heimatstadt zurückversetzen lassen und dort eine neue Wohnung gefunden. Mein Problem: er hat mir nie klar gesagt, was Sache ist. Er sagt er zweifelt an seinen Gefühlen für mich, kann sich nicht vorstellen dass wir wieder einen Neuanfang hinkriegen können. Der Scherbenhaufen unserer Beziehung sei so groß geworden. Er hat mich um Zeit gebeten, sagt er muss eine Entscheidung treffen, aber er weiss nicht wie. Zwischenzeitig hatte er vorgeschlagen, dass man sich alle 1-2 Wochen sieht, etwas unternimmt, schaut, ob man die Basis wieder herstellen kann, aber das hat er momentan wieder verworfen. Die möglichen Wege, die ich ihm dafür aufgezeigt habe (Funkstille, definierter Zeitraum für eine Auszeit, oder man sieht sich gelegentlich und schaut wo die Reise hingeht, oder man versucht es mit Therapie) verursachen bei ihm alle Verunsicherung. Er ist zu keinem Commitment irgendeiner Art in der Lage. Ich bekomme doch mein eigenes Leben im Moment gar nicht auf die Reihe, sagt er zu mir.
Das ist der Punkt: in meinen Augen (und auch in seinen eigenen) hat er einige schwerwiegende Probleme. Unter anderem äussert sich das darin, dass er gänzlich antriebslos ist, offene Themen nicht angeht und ewig vor sich herschiebt. Klar, dass das in der Beziehung Streitigkeiten verursacht hat, obwohl ich natürlich nur das Beste für ihn wollte. Er ist ein Scheidungskind, hat zu Hause jahrelang dem Scheitern der Ehe seiner Eltern zugeschaut und ist seitdem vor Problemen geflüchtet. Seit er das erste Mal vor mir geweint hatte, hat er oft gesagt er glaube, ich könne nicht mehr zu ihm aufschauen und ihn als Mann sehen, weil ein Mann nicht weint (so ein Quatsch!). Zu Beginn unserer Beziehung ging alles noch ganz gut, aber dann wurden von seinem Chef Versprechen gebrochen, er verlor seinen Job. Er begann ein Studium, was ihn nicht ausgefüllt hat. Er war irrsinnig frustriert, fühlte sich wertlos und unmännlich. All das führte auch zu sexuellen Problemen. Er zog sich immer weiter zurück, verlor immer mehr sein Selbstbewusstsein. Mit der Zeit hatten wir fast gar keinen Sex mehr, obwohl für sonstige Zärtlichkeiten sehr viel Platz war. Ich habe lange Zeit versucht, mit ihm und für ihn zu kämpfen. Ich war immer die treibende Kraft hinter ihm, hielt ihn auf Kurs. Aber meistens blieb es dabei, dass Probleme zwar angesprochen wurden, aber von ihm nie eine Lösungsinitiative kam. Nach seinem Grundstudium musste er sich wieder bewerben, zweifelte aber so stark an seiner Qualifikation dass er erst auf massiven Druck meinerseits endlich ein paar Bewerbungen schickte. Der Job, den er fand, füllte ihn schon nach wenigen Wochen nicht mehr aus, er kam mit den Kollegen nicht klar und war sehr schnell wieder unglücklich. Auch in der Stadt, in die er meinetwegen vor 1 Jahren gezogen ist, gab er sich wenig Mühe, Kontakte zu knüpfen, verbrachte die meiste Zeit in seiner Stammkneipe, trank viel, ergoss sich in Selbstmitleid. Für de Beziehung tat er sehr wenig. Er kritisierte, dass wir keine Hobbies hätten, suchte sich aber auch keins. Ich kam nicht mehr davon weg, ihm Vorwürfe zu machen, er müsse etwas dafür tun, dass sein Leben funktioniert, dass er wieder glücklich wird.
Und das schlimmste: ich weiss gar nicht, was sein Problem ist. Er ist wundervoll. Er ist zärtlich, gutaussehend, intelligent, ein toller Liebhaber (zumindest war es mal so). Er ist sehr sensibel, ein Familienmensch, kommt bei seinen Mitmenschen gut an. Er findet schnell Freunde, ist zuverlässig und ehrlich. Ich liebe diesen Mann! Ich fühle mich bei ihm sicher und geborgen, ich liebe es, Zeit mit ihm zu verbringen. Aber auch das glaubt er nicht, bzw versteht er nicht, warum!
Irgendwann hielt die Beziehung dem Druck nicht mehr stand. Er sagte mir im Januar, dass er an seinen Gefühlen zweifelte. Zudem glaube er nicht, dass ich ihn noch lieben würde. Ich versuchte, ihn zu überzeugen, es zu versuchen, aber war zu dieser Zeit auch viel unterwegs und nicht genug für ihn da. Als ich wieder mal von einer Dienstreise zurückkehrte, stellte er mich vor vollendete Tatsachen. Er würde sich versetzen lassen und ausziehen.
Seitdem sind 2 Monate vergangen. Wir haben Kontakt. Ich habe alles versucht, um ihm zu zeigen, dass ich ihn noch liebe (und zwar wie verrückt). Er zweifelt auch daran, zweifelt offenbar an meinem Verstand dass ich mir ein Leben mit ihm wirklich wünschen würde. Und mir eine Zukunft mit ihm vorstellen könnte. Wir reden oft und viel darüber, was passiert ist, bzw versuche ich, Lösungsvorschläge zu machen, aber er grübelt nur und dreht sich mit seinen Gedanken immer weiter im Kreis. Er meidet die schönen Erinnerungen. Ein Fotoalbum, was ich ihm geschickt habe, hat er nicht geöffnet. Er sagte zu mir, er habe Angst vor den schönen Erinnerungen, und Angst davor, was es in ihm auslösen würde, die Bilder anzuschauen. Angst, dass er sich in dem Moment entscheiden müsse. Oder noch verwirrter wäre. Er muss eine Studienarbeit schreiben & am nächsten Freitag abgeben, hat die Frist bereits 2 Mal verlängern lassen. Er ist unglücklich mit dem Resultat seiner Arbeit (er hatte 3 Wochen Urlaub, um diese Arbeit zu schreiben), sagt er scheitert schon wieder, befürchtet, dass er das Studium ohne Abschluss beenden wird. Ich kann doch gar nicht an uns glauben, wenn ich schon merke, dass ich an meinen eigenen Themen scheitere, sagt er. Wenn ich das alles schon nicht schaffe, wie soll ich daran glauben, dass wir unsere Themen hinkriegen?
Er verhält sich inkonsequent, ist hin- und hergerissen, unglücklich, depressiv. Er hat fast 10kg abgenommen. Am Telefon hat er oft begonnen zu weinen. Ich glaube es plagt ihn, dass er mir das antut, aber er findet keinen Ausweg. Wir haben uns seit der Trennung ein paar Mal gesehen, waren einmal essen, dann haben wir uns getroffen um die Sachen in der Wohnung aufzuteilen. Er blieb über Nacht und ich schlief in seinem Arm. Vorher bat er mich unter Tränen, bitte nicht zu versuchen mit ihm zu schlafen. Er habe Angst, noch mehr kaputt zu machen. Es würde ja doch nicht funktionieren in einer Situation, wo er so unter Druck steht. Als ich ihm sagte, ich denke dass es ein wichtiger Schritt ist, dass Du Dich ein Stück weit einlässt, und man es versucht, unter anderem auch versucht miteinander zu schlafen, sagte er nur, er könne das nicht tun weil er Angst hätte er würde nach kurzer Zeit wieder das Zweifeln beginnen. Das könne er mir nicht antun.
Gestern hat er den Rest seiner Sachen geholt. Als ich ihm zum Abschied sagte, dass ich an ihn glaube und dass ich ihn liebe, weinte er mit mir.
Es gäbe so viele Momente, in denen er an mich denken würde, sagte er, in denen er Gefühle spüren würde, aber es sei doch gewiss nur Gewohnheit, oder Mitleid. Oder die Trauer darüber, dass all das, was wir uns aufgebaut haben, endet. Als ich ihm gegenüber erwähnte, dass ich jemanden kennengelernt hatte, und ein Date geplant war, sagte er, es würde ihm weh tun sich vorzustellen wie ich im Arm von jemand anderem liege. Natürlich kann ich es Dir nicht verbieten, sagte er. Als ich ihn fragte, wie er das handhaben würde, sagte er nur, er könne sich noch nichtmal im Ansatz vorstellen, mit einer anderen Frau Sex zu haben. Das Thema sei generell so ein riesiges Problem für ihn, dass er im Moment gar nicht an Sex denken könne.
Jedes Mal wenn er fährt rechne ich damit, dass er den Kontakt einschränkt, aber jedes Mal meldet er sich bei mir, sobald er zu Hause ist. Ich habe ihm mehrfach gesagt, bitte, wenn Du nur die negativen Seiten der Beziehung siehst, dann bitte sag mir doch dass es endgültig aus ist. Wenn Du alle Emotionen in die Gewohnheit und Mitleid-Schubladen einsortieren willst, wie soll sich daraus eine Chance ergeben? Ich habe Dir 2 Monate lang alles gegeben, Dir gezeigt, dass ich Dich noch liebe, wie viel Du mir bedeutest, dass ich an Dich glaube. Wenn das alles nichts bewegt hat, dann sag mir doch dass es aus ist. Es ist doch leichter für uns beide.
Er tut auch das nicht. Er weinte nur und sagte, es täte ihm so leid dass er mich wieder in der Luft hängen lassen würde.
Ich habe ein paar Mal das Thema Therapie angesprochen. Ich habe seit der Trennung eine Therapie begonnen, und er sagte, er würde gern mal mitkommen. Aber eine Therapie? Er sagte, er habe Angst davor. Erstens, wie sollten ihm die Leute helfen können, wenn er sich nicht sicher sei. Und zweitens, Angst davor dass herauskommt, dass alles seine Schuld ist.
Er sagte, das einzige was er mir im Moment geben kann, ist, dass er mich nicht verlieren möchte. Dass er sich wünschen würde, eine Freundschaft zu führen, und dann mal abzuwarten was passiert. Ich sagte, naja, eine Freundschaft mit der Option, dass wir beide mal offen bleiben und schauen was passiert, das ist die eine Sache (sicher im Moment auch nicht ganz unvernünftig), aber eine Freundschaft mit mir, während Du nach jemand anderem suchst, während ich darauf hoffe, dass noch mal mehr aus uns wird, das kann es nicht sein. Ich kann nicht zulassen, dass Du mit mir befreundet sein möchtest, damit Du bei mir anrufen kannst, wenn es Dir schlecht geht, weil ich ohnehin weiss, wie es in Dir aussieht, und weil Du anderen keine Schwäche zeigen willst. Ich brauche irgendeinen Plan.
Er kann mir im Moment nichts geben. Einerseits verstehe ich das, denn er steht bis zum Hals unter Druck. Im Studium, auf der Arbeit. Er zeigt erste Anzeichen eines Tinnitus, schläft unruhig, ist ständig übermüdet und hat Probleme, sich zu konzentrieren. Und leider gelingt es mir auch nicht, ihm zumindest was mich angeht, den Druck zu nehmen. Denn mir geht es ja auch kein Deut besser. Ich stehe zwar mit beiden Beinen im Leben und bin erfolgreich im Job, aber auch ich bin mit der Situation überfordert.
Dazu kommt erschwerend, dass er 1-2 Mal die Woche zu Terminen bei mir am Standort muss. Unter anderem morgen. Ich nehme an, dass wir uns nicht sehen werden.
Fakt ist: ich glaube ihm nicht, dass er mich nicht mehr liebt (hat er ja auch so nie gesagt). Ich glaube ihm, dass er sein Leben auf die Reihe kriegen und mit sich selbst ins Reine kommen muss, bevor er sich überhaupt seiner Gefühle klar werden kann. Einerseits halte ich eine totale Funkstille für eine Weile für das Beste, andererseits will ich aber auch für ihn da sein.
Also was zum Teufel kann ich tun? Das Warten macht mich ohne Ende fertig, leider ist derzeit auch wenig Ablenkung in Sicht.
Bin für jegliche Hilfe dankbar.