Ich bin ein passiv-aggressiver Mann
Hallo
Ihr text ist nun schon anderthalb jahre alt, aber ich lese daraus, daß Sie eine Trennung nicht vollziehen können und Ihre Gefühle völlig zerüttet sind.
Ich bin genau der Typ den Sie beschreiben und ich weiß aus eigener Erfahrung daß diese Probleme über viele Jahre gehen.
Also möchte ich gerne versuchen mit Ihnen zu kommunizieren.
Eine meterdicke Mauer ist um meine Gefühle herum, ich habe meine Ehefrau psychisch krank gemacht, sie manipuliert bis zum gehtnichtmehr und mein eigenes Leben in einen einzigen Scherbenhaufen verwandelt. Nachdem meine Frau nach 3-jährigem Kampf, mehreren Versuchen, Paartherapie etc. mich endgültig verlassen hat, hat ihr ein Mann den sie kennenlernen wollte, ihr das Buch 'Warum Männer mauern'empfohlen.
Meine Frau hat mir daraus vorgelesen und danach war nichts mehr wie zuvor.
Es ist mir wie Schuppen von den Augen gefallen was ich für ein gigantisches ... bin. Seit ich nun dieses Buch lese ringe ich mit meinen Dämonen die Legion sind, fechte mit dem 'Voldemort' (der ultraböse Zauberer aus 'Harry Potter') in mir.
Dies ist Gegenwart.
Ich bin gelernter Steinmetz, also ohne Vorkenntnis von Psychologie, aber mir wurde mit einmal - schlagartig klar - was da gelaufen ist - und die fast alles umfassende zerstörerische Reichweite MEINES Problems.
Ich betone MEIN Problem, weil Sie sind mit 100%er Sicherheit ein liebenswerter netter herzensguter Mensch. Ihr Mann hat das Problem - nicht Sie.
Sie aber leiden daran, daß Ihr Mann überaus geschickt die Wahrnehmung der Wirklichkeit verdreht.
Das kann ich ganz einfach behaupten, denn genau das habe ich über viele Jahre auch getan.
Ich will mich nicht in Fallbeispielen ergehen ( kann das aber gerne tun, wenn interesse besteht ), sondern lieber Ursachen erklären.
Für mich waren Gefühle etwas das mann nicht hat.
Und wenn doch, schnell darüber hinweggehen, am besten nicht anmerken lassen.
Ich hatte keine Angst : ich kann bei rot über die ampel gehen, schlägertypen provokativ entgegentreten, wenn meine Frau geweint hat war ich genervt.
Ich war immer stolz auf die unsichtbare Inschrift auf meiner Stirn :
ACHTUNG ÄRGER !
Ich konnte das philosophisch mit Epikur, der Stoa und den Sufis untermauern sic.
Ich hatte keinen Zugang zu meinen Gefühlen.
Bevor ich meine Frau kennenlernte war ich 3 Jahre mit einer anderen Frau zusammen die ich sehr geliebt habe. Diese Frau verließ mich.
Ich war waidwund vor Liebeskummer.
Mit großer Macht verschloß ich auch dieses Gefühl irgendwo im Dunkel meines unterbewußtseins und war fortan felsenfest der Meinung : das ist kein Problem mehr für mich.
Ich kann mich heute nicht daran erinnern, ob mein Vater mich jemals in den Arm genommen hat oder mir was nettes gesagt hat.
Dasselbe hab ich jahrelang mit meinen Kindern gemacht, oder eben nicht.
Meine Frau hat neben mir gelitten das Aschenputtel daneben Ferien auf der Wellnesfarm verbracht hat, aber wenn man mich gefragt hat, gings mir gut ! Und das hat aus meiner damaligen Sicht auch gestimmt. Jeder normal denkende Mensch hat sich anden Kopf gegriffen aber keiner war willens oder in der Lage mir etwas zu sagen geschweige denn begreiflich zu machen.
Heute schäme ich mich unglaublich dafür.
Gefühle sind ein täglich Brot und wer sich das versagt der stirbt.
Nur das Typen wie ich erst ihre Nächsten und Liebsten quälen.
( ganz großes seufz ... schnief )
Eine Trennung ist mit Sicherheit eine gute Lösung.
Wieder zusammenkommen können unter neuen Vorraussetzungen grandios.
Die Trennung setzt den Mann unter Druck : entweder noch weiter abkapseln, wenn das noch geht, oder positive Veränderung.
Das ist allerdings verteufelt vertrackt.
Ich nenne es meine Dämonenschar.
Sie lauern hinter jeder guten Absicht, den meisten netten Worten, stecken in den mitgebrachten Blumen.
In den intrigantesten Scleifen und doppelten Wendungen bringen sie mich dazu der charmanteste verführerischste Mann je gesehen zu sein um dann wieder aus heiterstem Himmel eingeschnappt, sensibel verletzt zusein ohne für meine Frau erkennbaren Grund.
Ich habe das Spiel meiner Dämonen durchschaut und schaudere vor der zersörerische intelligenz mit der sie zu werke gehen.
Vor zehn Jahren habe ich mit Hilfe von Allen Carr's Buch 'Endlich Nichtraucher' das Rauchen aufgegeben.
Vor sechzehn Monaten habe ich Hilfe seines Buches 'Endlich ohne Alkohol' das Trinken aufgegeben.
Ich war sehr stolz darauf, aber es war nur Vorgeplänkel jetzt endlich aufzugeben ein ... vor dem Herrn zu sein, die Dämonen rigoros zu besiegen, Gefühle zu erleben , sie zu genießen, meinen Kindern Hoffnung zu geben und meiner geliebten Frau all die Kraft die Sie braucht - kurz endlich ein netter Mensch zu sein.
Ich bedanke mich für Ihr zulesen.
Steve Ellard