ceylin_17895244@mig21.
Ich sehe einiges anders als andere Ratgeber, bin deshalb aber nicht klüger. Ich komme nur aus einer ganz anderen Ecke, die auch Erkenntnisse über Partnerkonflikte und Ergebnisse der Sexualforschung mit einzubeziehen.
Und da kommt nun einmal heraus, dass Dein Verhalten absolut nicht ungewöhnlich ist. Ob Deine neue Beziehung zu früh angefangen hat, d.h. ob Du noch über die alte Beziehung hättest mehr hinwegkommen sollen/müssen, bevor Du eine neue beginnst?
Alles graue Theorie mit einem Quentchen Wahrheit. Aber wo genau ist die Grenze und wann genau ist das Alte abgehakt, um frei zu sein für etwas Neues? Es gibt ganz große langanhaltende Übergangszonen, auch das lehrt die Erfahrung. Und in diesen Übergangszonen kann genau das passieren, was Dir passiert ist. (Einigen passiert das sogar noch nach Jahren, obwohl sie in einer glücklichen und stabilen Beziehung steckten).
Es gibt noch ein zweites furchtbares Vorurteil, das längst widerlegt ist, hier aber immer wieder vorgetragen wird: Mit einer Beziehung, in der sowas passiert, kann etwas nicht stimmen. So heißt es doch immer wieder.
Wir wissen aber, dass genau dies so nicht stimmen muss. Das einzige, was an der Beziehung nicht stimmt, ist: Die handelnden Personen können sich nicht immer rigoros nur auf den anderen konzentrieren. Gefühle und Libido sind abschweifungsfähig. Und das liegt dann nicht unbedingt am Partner, weil diese Abschweifungsfähigkeit nicht einmal der am meisten kompatible, der beste, ja der Traumpartner schlechthin restlos beseitigen könnte.
Nein, Beziehungen sind nicht am Ende, wenn sowas passiert. Nicht alle Beziehungen sind wirklich schlecht, in denen sowas passiert. Das hier ist kein Plädoyer für Polyamorie, auch ich halte an dem monogamen Standardideal fest, kenne aber auch seine unglaublichen Tücken. Und eine Variante dieser Tücken hat Dich nunmal erwischt.
Wir müssen endlich die empirischen Fakten gegenhalten. Ich verzichte hier aber darauf, denn ich habe schon genug dazu gepostet, und einigen ist das eh zu theoretisch.
Daraus folgt m.E. für Dich:
- Dich selbst nicht zerknirschen, kein unsinniges Schuldgefühl und Schuldverhalten kultivieren. Natürlich sollten wir unsere moralischen Maßstäbe hoch hängen. Aber was Du erlebst, passiert so vielen, und es gehört manchmal schon mehr als normale Standhaftigkeit dazu, eine solche Situation grundsätzlich für sich auszuschließen. (Menschen sind da freilich ohne jede Wertung sehr unterschiedlich. Es gibt nun auch mal moralische Heroen oder Heroinen. Die wirken auf mich aber manchmal kalt und unmenschlich).
- die Einmaligkeit des Vorfalls sicherstellen.
- nur bei Gefahr, dass Dein heutiger Partner von anderer Seite davon erfahren könnte, "beichten". Und es physische Folgen geben könnten (reichen von Schwangerschaft bis zu möglichen Krankheiten). Mögliche physische Folgen verpflichten Dich zur Offenheit, aber nicht unbedingt der sogenannte "Fehltritt" als solcher.
- Die sogenannte "Beichte" bedarf leider einer gewissen Beichtkultur. Leider sind wir in der Regel nicht so aufgeklärt, wie wir sein müssten, um mit solchen Situationen umgehen zu können. Auch wenn Dein Freund sehr aufgeklärt wäre (im Sinne meiner Ausführungen oben), so verkraftet der alte Adam oder die alte Eva in uns so etwas nicht ganz leicht.
In der Regel wird eben angenommen, die Beziehung sei geschädigt, und dann werden unsinnige Konsequenzen gezogen. Wenn es zu keiner Trennung kommt, wird dann versucht, Mängel zu beseitigen, sozusagen zu renovieren. In Wahrheit kann genau das oft zu verkorksten Beziehungen führen. Moderne Berater wissen dies, früher war alles etwas anders.
Ich hoffe, es könnte Dich helfen einmal eine Mindermeinung in diesem Forum, etwas abseits vom Mainstream, zu hören ...