Eigentlich bist du glücklich und dennoch fühlst du dich abnormal.
Und das nur, weil du dich in der Teenagerzeit nicht "ausgetobt" hast.
Das hast aus den Antworten wohl schon gesehen, dass es nicht so ungewöhnlich ist. Wir ging es nicht anders. Die Schulzeit war sehr anstrengend. Ich war sehr froh über die Möglichkeit zum Neuanfang an der Uni. An die immer wiederkehrende Frage nach GV beim Frauenarzt, kann ich mich zu gut erinnern. Auch meine Mutter war keineswegs beruhigt, dass ich mit 15 nicht nur Jungs im Kopf hatte.
Auch ich war nicht immer ehrlich. Ich habe meist versucht, dass Thema zu vermeiden, dazu geschwiegen, wenn andere ihre Stories erzählt haben und manchmal sogar gelogen. Vermutlich ist das auch ein Grund, weshalb man den Eindruck hat, man müsste spätestens mit 16 seine ersten sexuellen Erfahrungen sammeln. Diejenigen, die es nicht tun, reden nicht darüber. Die, die es tun umso mehr.
Ich kann dir nur empfehlen, diese Stimmen auszublenden und dir nicht einzureden, dass du abnormal bist oder irgendetwas Schlechtes daran ist. Wenn die Menschen schon von deinem Beruf oder Studium, von deinen Interessen, von den Sprachen, die du sprichst, u.ä. keine Ahnung haben, so werden sie doch immer eine Meinung zu deinem Privatleben haben.
Das ändert sich auch nicht. Ich dachte, dass ich die Stimmen ruhig gestellt hätte, als meine Eltern und Freunde meinen Ex-Freund kennenlernten. Nach der Trennung hatte ich höchstens einen Monat Schonfrist. Danach ging die Fragerei wieder los. Sogar noch schlimmer als vorher. (Ich vermute, nachdem sie nun wissen, dass ich weder lesbisch noch asexuell bin, ist es noch schwerer vorstellbar, dass ich keinen Freund habe.) Als wäre man unvollständig ohne Beziehung
Liebe kommt, wann sie kommt. Bei dem einem früher, bei dem anderen später. Und die meisten Mädchen sammeln ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit irgendjemanden. Nicht alle sind ernsthaft verliebt. Viele bereuen auch zumindest einen Teil ihrer ersten Erfahrungen. Du gehörst eben zu denn Menschen, die nicht alle schlechten Erfahrungen selbst machen müssen. Warum auch, wenn man schon vorher weiß oder spürt, dass es nicht richtig ist.
Daher hast du auch nichts verpasst. Erfahrungen sammeln, der Erfahrung wegen, um mitreden zu können, bereichert dein Leben nicht.
Wie man am besten mit dem Thema umgeht, wenn man jemanden kennenlernt, ist schwer zu sagen. Objektiv betrachtet würde ich sagen, dass es kein Problem sein sollte, die Wahrheit zu sagen. Auch wenn der Mann verwundert ist, sollte er deswegen ja nicht zurückschrecken. Allerdings weiß ich selbst, wie schwer es ist. Und ich vermute, dass sich viele wohl doch abschrecken lassen, weil sie glauben, du hättest zu hohe Ansprüche ("wenn es vorher keiner geschafft hat, dann schaffe ich es auch nicht") oder würdest zu viel von ihnen erwarten ("erwartet sie, dass ich sie heirate, wenn ich mit ihr schlafe?"). Aber wenn du jemanden triffst, der dir wichtig ist und bei dem du das Gefühl hast, er könnte der Richtige sein, wirst du nicht lügen wollen.
Je selbstbewußter du mit deinem Leben umgehst, desto weniger Chancen hat jemand, dir einzureden, es wäre nicht normal. Abgefahren ist der Zug ganz sicher nicht. Ich hatte bis Anfang 20 auch gezweifelt, ob ich überhaupt in der Lage bin, mich zu verlieben. Und meine "erste große Liebe" habe ich auf einem anderen Kontinent getroffen zu einer Zeit, als ich eigentlich gerade wirklich keine Beziehung gebrauchen konnte. Das Leben überrascht einen immer wieder.
Ich könnte noch vieles zu dem Thema schreiben, aber das würde der Quintessenz widersprechen: Genieß dein Leben, sei stolz auf das, was du erreicht hast, lass dir das nicht madig machen. Wenn du dich verliebst werden die Zweifel schnell verschwinden und alles passiert einfach, wie es soll. Und eines ist sicher: Männer machen das Leben nicht einfacher ;-)