Hallo liebes Forum,
ich bin eine 21-jährige junge Frau, die sich in einem Lebensabschnitt befindet, der sie schlicht und ergreifend überfordert. Der Titel, den ich für dieses Thema gewählt habe, mag melodramatisch oder übertrieben wirken. Traurig ist, dass es stimmt. Ich glaube, ich könnte jeden Augenblick aufhören zu atmen, zu denken.
Ich schlage meinen Freund. Ich verprügele ihn manchmal regelrecht. Ich bin klein und nicht stark, ich stelle für ihn keine Gefahr dar. Er ist 30cm größer und etwa 50kg schwerer als ich. Ich schlage um mich, ich werfe Dinge. Er schlägt nicht zurück. Er lässt es sich gefallen. Ich stehe in diesen Momenten neben mir, beobachte mich. Ich erkenne diese Person nicht wieder. Ich kenne sie nicht. Ich bin nicht ich. Wieso sollte ich einer Person wehtun, die ich liebe? Ich habe absolut keine Ahnung. Ich erreiche regelmäßig einen Punkt, an dem etwas anderes mein Handeln bestimmt. Und hinterher denke ich fast: Wow! Ich bin so oft fassungslos. Ich nehme mir vor, es NIE wieder zu tun, und dann wird der Schalter wieder umgelegt und ich werde zum Monster. Ich verliere - um genau zu sein - die völlige Kontrolle und werde von Aggressionen regiert.
Meine Familie ist zerbrochen. Meine Mutter ist geschieden, stark depressiv, will sich das Leben nehmen. Mein Vater ist ein ... und todkrank. Meine Oma wurde von meinem Opa durch eine Jüngere ersetzt und ist ebenfalls depressiv. Mein Bruder... mein lieber Bruder... war so jung, als alles zerbrach. Er hatte keinen, der ihm den Weg zeigen konnte. Ich hoffe, er findet den richtigen Weg.
Meine Freunde... ich habe kaum welche. Mein Freundeskreis zerbrach. Im Studium bin ich gescheitert, habe nun eine andere Studienrichtung gewählt und scheitere wieder.
Mein Freund ist mein Leben. Ich liebe ihn.
Er ist wirklich alles, was ich habe. Ich habe nichts mehr im Leben. Und ihn mache ich kaputt.
Ich war heute bei einer Therapeutin. Ich sagte ihr, dass ich eine neue Studienrichtung eingeschlagen habe und wieder versage. Schon wieder. Ich falle durch Prüfungen. Ich gehe nicht zu Vorlesungen. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich bin fix und fertig. Sie kann mir nicht helfen. Sie sagt, wir können von ihr aus gerne Gespräche führen. Aber eine Wunderlösung gibt es nicht. Medikamente würden mir nicht helfen, seien keine Lösung. Ich sei höchstens leicht depressiv - immerhin hätte ich die Kraft, in die Praxis zu kommen und um Hilfe zu suchen. Nächste Woche soll ich wieder hin, wenn ich es für sinnvoll halte.
Nach dem Gespräch fühlte ich mich nur noch schlimmer. Wozu habe ich mein Leben ausgepackt? Meine Therapeutin meinte, ich hatte immer Erfolg im Leben und nun läuft es nicht so, wie es soll, und das müsste ich einfach akzeptieren. Und wie? Meine Karriere steht auf dem Spiel. Meine Zukunft! Ich lerne und lerne und lerne und bei der Prüfung ist nichts im Kopf. Sowas kenne ich nicht!
Ich bin nicht ich. Ich war lebensfroh, ich war beliebt. Ich hatte Freunde, super Noten. Wegen meines grandiosen Abiturs stand ich in Zeitungen, wurde bewundert. Das war meine Rolle. Das war meine Quelle der Bestätigung. Daran hielt ich mich fest, als es zu Hause Krieg gab. Und nun? Was bleibt? Ich weiß nur, dass das Leben schlecht ist. Es geht über 2 Jahre so, und ich komme nicht raus.
Ich werde weiterhin zur Therapeutin gehen. Sie hat mir die Wahl gelassen. Ich kann kommen, wenn ich es für sinnvoll halte. Ich werde gehen. Sie sagt, es ist ein langer Prozess, wenn ich mich dazu entscheide. Ob ich die Geduld hätte, fragt sie. Was mache ich in den nächsten Monaten? Ich will meinen Freund NICHT verlieren. Ich will handeln. Doch ich habe keine Kontrolle, über NICHTS. Was tue ich also? Zusehen, wie in nächster Zeit Studium und Beziehung zerbrechen? Wie komme ich raus aus dem Loch? Wisst ihr das? Wie sehr kann es mir helfen, pro Woche 45 Minuten lang eine Therapeutin zu bequatschen, die dann alles mitschreibt und am Ende mir eine Zusammenfassung gibt? Ich kenne mich damit nicht aus. Kann das wirklich helfen, wenn man einfach keine Lebensfreude mehr hat?
Ich weiß es nicht.
Falls jemand irgendeinen Tipp hat, irgendwas, was ich übersehe, dann lasst es mich bitte bitte wissen. Ich will meinen Freund nicht verlieren, aber wenn ich mich nicht ändere - und das schnell - dann bin ich ganz alleine in dieser Stadt. Keine Freunde, keine Familie, kein gar nichts. Und ich glaube, dann wird mein Leben erst so richtig bunt.
Vergebt mir, dass es so lang wurde. Vergebt mir auch, wenn es thematisch nicht in dieses Forum passt. Doch Psychologie und Beziehung in Kombination, das fand ich passend!
Grüße
Pyrimidin