Hallo Kati, ...
ich hatte eine ganz ähnliche Konstellation von Freunden im Alter von 20 bis ca. 23. Wir waren 3 Jungs und ein Mädchen, wobei einer von den beiden anderen Jungs mit dem Mädchen zusammen war.
Wir haben in dieser Zeit unheimlich viel gemeinsam unternommen, sind auch gemeinsam in Urlaub gefahren und es hatte auch nahezu familienartige Zustände. Wir haben uns irgendwie gar nicht mehr verabredet, sondern immer bei einem von uns getroffen. Jeder hatte zwar noch eigene Interessen (so war ich 3 oder 4 Mal die Woche mit Training oder Wettkampf beschäftigt), aber irgendwie war unausgesprochen klar, dass wir uns sehr häufig trafen. Es war nicht wie es heute bei mir ist, dass man sich verabredet, sondern da wurde spontan was gemacht (ging auch, da wir alle 4 Studenten waren und es war da auch kein Problem in der Woche um Mitternacht noch mal ne Runde ins Autokino zu fahren - fielen die ersten 2 Vorlesungen morgens eben aus ;-) ).
Ich hab mich mit den dreien unheimlich wohlgefühlt und wenn ich heute so darüber nachdenke, weiß ich, dass es für mich auch so eine Art Familienersatz war (ich bin mit 19 zu Hause ausgezogen, nachdem meine Mutter gestorben war)
Mit 21 lernte ich dann meine spätere Frau kennen, die zu dem Zeitpunkt auch schon normal 8 Stunden am Tag arbeiten ging. Und es war schwierig für mich, alles unter einen Hut zu bringen. Ihr Lebensrythmus war durch die Arbeit ein anderer als der meiner Freunde und richtig reingekommen ist sie in die Clique auch nicht, wobei ich glaube, dass das nicht an ihr lag, sondern daran, dass wir 4 schon so viele Dinge gemeinsam hatten, dass der Abstand zu groß war. Vielleicht kennst Du das, wenn Du in einer Runde zusammensitzt und sich 3 oder 4 Leutchen ein Stichwort geben und laut los lachen und Du staunst mit großen Augen darüber,was es da zu lachen gibt, weil Du die Geschichte dahinter nicht kennst. Meine Frau hat dann später auch mal zugegeben, dass sie sehr eifersüchtig auf die 3 war und versucht hat, mich davon loszueisen. Meine Vorstellungen von einer Paarbeziehung bestanden damals hauptsächlich aus der Überzeugung 'Harmonie über alles' und ich hab sehr oft, um Auseinandersetzungen zu vermeiden, ihr nachgegeben und meinen Leuten abgesagt. Solange bis einer von ihnen mir ganz offen sagte: 'Sei mir nicht böse, aber Du entwickelst Dich zum Waschlappen'. Und da ich diesen jungen Mann sehr mochte, gingen bei mir nicht die Nackenhaare hoch, sondern ein paar Lampen an.
Ich hatte diese Freundschaften zu gunsten der Paarbeziehung sehr stark zurückgestellt. Und das, wo ich mir geschworen hatte, auf Freunde zu achten, um niemals so auf einen Menschen fixiert zu sein, wie mein Vater das war (ich hatte erlebt wie es ihm ging, als meine Mutter starb - da war dann niemand mehr und er fiel in das ganz große schwarze Loch).
In der Folgezeit hab ich dann versucht, beides zu pflegen und das wohl auch leidlich hinbekommen, aber zurückblickend war die schönste Zeit die, wo es nur die Viererbande gab. Nur ist mir im Nachhinein auch klar, dass eine Paarbeziehung natürlich über einen sehr viel längeren Zeitraum geht (gehen kann) als so eine Gruppe. Mit 23 begab ich mich dann in eine lohnabhängige Beschäftigung und unsere Gruppe löste sich mehr oder weniger stillschweigend auf. Der Freund mit dem Waschlappen ist auch heute noch mein bester Freund (und das endet wohl erst, wenn einer von uns beiden sein eigenes Grundstück mit ein paar Blumenbeeten oben drauf bekommt) und von ihm höre ich recht selten was über die anderen beiden, die mittlerweile auch mit anderen Partnern verheiratet sind.
Was kann ich Dir aus dieser Erfahrung heraus sagen?
Ich hab es damals so empfunden, dass ich beides brauchte, also die Freundin und die Gruppe und die aus Eifersucht resultierenden Aktionen meiner Freundin haben mich letzten Endes gegen sie aufgebracht und wenn sie das nicht irgendwann nachgelassen hätte, wäre es vermutlich zum Bruch gekommen.
An Deiner Stelle würde ich versuchen, ihm die Zeit mit seiner Clique zu gönnen und gleichzeitig aber klar abgrenzen, dass es auch genügend Zeit für eine Paarbeziehung bedarf und diese nicht zu einer Randerscheinung verkommen darf. Es ist völlig legitm, auf Zeit zu zweit und nicht zu fünft zu bestehen und vielleicht solltest Du versuchen, ihm mal Deine Gefühlslage ganz deutlich bewußt zu machen (nicht in dem Ton von wegen 'ich fordere von Dir', sondern eher 'schau her wie ich mich in dieser Konstellation fühle')
Zugleich erhältst Du vermutlich durch diese Clique einen viel fröhlicheren und ausgeglicheneren Menschen, dem dieser Familienersatz sehr viel gibt - die drei dürften so etwas wie Brüder und Schwestern für ihn sein (daher kann ich auch den Spruch Deines Freunde mit Inzucht verstehen).
Außerdem glaube ich, dass diese Konstellation eine Lebensabschnittsphase ist, die endet, wenn sich Lebensumstände ändern.
Zusammenfassend zum Abschluß würde ich sagen, dass Du keine Macke hast und diese Konstellation aber auch nicht komisch ist. Die Formen wie Menschen Beziehungen führen ist so vielfältig, dass ich mich davon gelöst hab, meine Erfahrungen als alleinigen Maßstab zu nehmen.
Ich würde also nicht auf ein 'Entweder oder' hinarbeiten, da ihm dann ein wichtiger Baustein in seinem Leben fehlen dürfte, sondern auf ein 'Sowohl als auch' und dabei aber darauf achten, dass ihm wirklich klar wird, dass Deine Situation nicht so wirklich einfach ist.
LG
Larsen
P.S. Wenn Dein Freund diese Züge hat, immer und überall helfen zu wollen (also etwas über 'normale' Hilfsbereitschaft hinausgehendes), so hat das für mich leicht altruistischen Anstrich. Ich bin jetzt kein Psychologe, um das haarklein erklären zu können, aber es funktioniert so nachdem Motto 'Ich helfe Dir so viel und tu Dir so viel Gutes, dass Du gar nicht anders kannst als mich zu mögen (lieben)'. Und Menschen mit diesen Zügen müssen dann darauf achten, nicht zu sehr die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen (denn die anderen erwarten ja von den 'guten Geistern', dass sie immer zur Verfügung stehen, halt so wie man es gewohnt ist)