Hallo! Ich weiß gar nicht, was ich mir damit verspreche, aber ich bin ziemlich am Boden und daher versuche ich meine Situation zu schildern.
mein Freund leidet an einer Depression. Er ist noch ganz am Anfang von allem, weil er sich bisher einfach immer so als trüber, rastloser, unzufriedener Mensch hingenommen hat, bis ich ihn drauf aufmerksam gemacht habe, dass er sich Hilfe suchen kann, wenn er unter bestimmten Gefühlen (er hat mir viele Situationen beschrieben) leidet. Er dachte, das wäre sein Charakter.
Er hat eine chronische darmendzündung. Wer sich damit ein bisschen auskennt, weiß, dass das das Leben nicht gerade leichter macht.
Wir führen eine Fernbeziehung Job-bedingt haben jedoch zuvor 1 Jahr zusammen gewohnt. Wir überlegen seit ein paar Monaten wohin die Reise geht, haben uns auch schon eine Stadt rausgesucht und wollten zeitnah mit den Planungen beginnen, da wir beide keine Lust mehr auf Wochenend Beziehung hatten.
Die letzten 4-5 Wochen waren der absolute Horror für uns beide, aber mehr für ihn.
Er hatte einen enormen Schub innerhalb seiner Krankheit, er konnte nicht mehr am Leben teilhaben, konnte nicht mehr in die Arbeit, Sport, Freunde, ich... alles musste auf Eis gelegt werden. Er machte sich natürlich total den Kopf, woher das jetzt kommt, ist von Arzt zu Arzt gerannt - frustriert - weil keiner so richtig diesen Schub stoppen konnte und niemand wusste, warum seine aktuellen Medikamente nicht mehr wirken...
das zum einen. Ihm ging es also richtig schlecht. Ich kann ihn mittlerweile sehr gut einschätzen und wusste, ich muss für ihn da sein, jedoch wird er sich zurück ziehen in „seine Höhle“ und muss alleine auf die Beine kommen. Wann immer wir uns in der Zeit gesehen haben, habe ich ihn unterstützt wo er es brauchte. Das Thema Therapie fiel natürlich auch wieder. Darm und Kopf hängen halt zusammen, das is jedem bekannt. Und er sagte auch, wenn er langfristig ne Verbesserung erzielen will, muss er eine Therapie machen.
Er leidet einfach unter seinem grübeln, unter Druck, den er sich macht, den andere gar nicht sehen. Er kann sein Leben nicht genießen, ist immer auf der Jagd nach materieller Befriedigung und ist dann doch nie zufrieden. Er ist laut und lustig von außen und total zerrissen und hilfsbedürftige von innen. Er will eine Familie gründen, hat jedoch solche Angst als Partner und Vater zu versagen dass er regelmäßig Panik Attacken bekommt. Er hat oft beschrieben, er fühlt sich leer und kommt nie an und ist rastlos und überdenkt Entscheidungen x mal... er fühlt sich verantwortlich für Mein Leben, mein Glück und „was is wenn alles schief geht? Dann ist alles meine Schuld?“ ich hab so oft versucht ihm die Ängste zu nehmen, habe sogar vorgeschlagen, dass wir erst mal getrennt in die neue Stadt (seine Heimat übrigens) ziehen, dass diese Belastung erst mal nicht so enorm ist, dass es klappen muss unter einem Dach, sonst muss ich ja wieder umziehen...ich hab alles versucht. keine Frage, er braucht Hilfe.
Jetzt kommt noch ein weitere Punkt, von dem ich vor ein paar Wochen nicht wusste, wie enorm belastend das für ihn ist. - wer schon eingeschlafen ist - sorry! Das ist nicht so kurz zu fassen!
Die frage: woher kommt das eigentlich alles? Hat mich monatelang beschäftigt und wir haben viel geredet.
Er ist als Einzelkind von seiner Mutter groß gezogen worden, sein Vater beging Suizid, als er ein Teenager war. Die Mutter hat sich so sehr auf ihn fixiert, dass sie ihm die Luft zum Atmen nahm. Das hat er mir direkt von Beginn unserer Beziehung erzählt. Er ist deshalb auch direkt mit 18 weg und nie wieder in die Nähe seiner Mutter gezogen. Sie lebt alleine, ruft ihn regelmäßig an und kaut ihm ein Ohr ab. Sie ist die typische über-Mutter. Ich zb. existiere in ihrer Welt gar nicht groß. Sie ist höflich, aber ich bin quasi gar nicht da. Vergessene Geburtstage, viele kleine Aktionen, an denen ich immer wieder merkte, dass ihr Sohn ihr Fixstern ist und ich nur irgendwas nebenher. Mich hat es irritiert, aber ich hab es nie als Gefahr wahrgenommen. Bis ich ihm mal angemerkt habe, wie sehr er alles rein aus einer Motivation für sie tut: schlechtes Gewissen und Schuldgefühle
er hört ihr ewig zu am Telefon, obwohl er nebenher die Augen verdreht, er fährt sogar mit ihr in den URLAUB!!! Alles immer wieder mit der Aussage „ich schulde das meiner Mutter, ich bin ja eh so weit weg“ im Urlaub hat er sich dann natürlich total gelangweilt! Die Frau ist über 70 und er über 30! Das ist nicht normal! Jedenfalls irgendwann, als wir beide uns immer mehr und mehr mit seinen psychischen Belastungen auseinander gesetzt haben, kam irgendwann der Punkt an dem er gesagt hat, er würde sich so extrem verantwortlich für mich und seine Mutter fühlen, sodass ihn das innerlich zerreißt. Er fühlt sich halt schon immer schuldig ihr gegenüber und adaptiert das Muster auf mich. Er fühlt sich, als müsste er dafür sorgen, dass unsere beider Leben glücklich sind und als wäre er dafür verantwortlich...Obwohl ich IMMER gesagt habe „wenn du das und das nicht möchtest, bitte sag es mir“
seine Mutter benutzt ihn Jahre lang als Sohn, Partner, Freund und seelentröster- ich hab es oft mitbekommen, was die ihm erzählt hat in einer Mutter Sohn Beziehung nix zu suchen! Er fühlt sich leer und ausgesaugt und hat am Ende des Tages auch keine Kraft mit mir in die Zukunft zu starten, weil er panische angst vor Versagen hat, vor Verantwortung, vor commitment ... er steht sich selbst im Weg.
All das wurde mir und auch ihm klar in den letzten Wochen, dazu kam sein Schub und eben die Tatsache, dass er sich alle 20 Minuten auf der Toilette befand... unsere fernbeziehung, die aktuell wirklich nicht als kraftspender fungierte, sondern zu noch mehr Entscheidungsdruck in ihm... er ist explodiert am Telefon vorgestern. Zwischen Tür und Angel, während ich in der Arbeit war, kurz nachdem er sich eine Überweisung zu einem Therapeut geholt hatte, rief er an: es macht alles keinen Sinn. Er kann es nicht, er wird dem allen nicht gerecht, er will jetzt heim zu sich fahren, wir haben keine Zukunft, bam bam ein Satz nach dem nächsten und dabei fürchterlich geweint.
Meine Welt ist zusammengebrochen, aber ich kann oder konnte nicht tun, außer ihm zu sagen, dass er den größten Fehler macht. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Er war krampfhaft auf der Suche nach Erlösung und jetzt hat er mich wie Ballast abgeworfen. Aber ohne mich wird sein Leben ja nicht qualitativ besser. Ich weiß, er muss sich erst mal um sich kümmern, aber man steht da wie überfahren. Ich war seine einzige vertraute und von jetzt auf gleich schießt er mich rigoros aus seinem Leben. Ich weiß nicht, was ich tun soll... ich will ihn nicht alleine lassen, er ist krank und macht das alles aus purer Hilflosigkeit. Aber er will mich aktuell nicht in seinem Leben haben und so weh es tut, ich kann ihm jetzt nicht nachrennen und auf der Matte stehen. Ich weiß, er wird mich in ein paar Wochen vermissen, ein bisschen typisch Mann schnell schnell Entscheidungen treffen und dann doch sehen „scheisse, ohne die Frau wird es nicht besser“ wir waren wie Pech und Schwefel. Ich war seine erste tiefergehende beziehung, wir waren oder sind wie arsch auf Eimer. Aber ich mache mir sorgen um ihn. Ich will ihm nicht die kalte Schulter zeigen manipulativ, dass er mir nachrennt. Ich will einfach nur dass er gesund wird... ich hoffe, das war nicht zu viel zu lesen und irgendjemand hier kann mich verstehen oder hat eine ähnliche Situation!