Ich befinde mich eigentlich in einer recht schönen Phase meines Lebens, aber ich brauche mal einen Rat. Dabei brauche ich weniger ein "ja" oder "nein", sondern ernstgemeinte Ratschläge, die vielleicht auch begründet werden.
Ich bin 30, Studentin und arbeite seit 2,5 Jahren in einem Unternehmen, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich arbeite sehr viel. Dabei trafen wir uns. Er ist 41, Künstler, arbeitet im gleichen Unternehmen (seit 25 Jahren, nicht als Künstler, sondern um seinen Lebensunterhalt zu sichern). Wir arbeiten in der gleichen Abteilung, aber durch Schichtdienst sieht man die ganzen Kollegen nie täglich, dauernd, sondern es herrscht ein reger Wechsel. Unser Unternehmen arbeitet im Bereich Medien, wie bei einer Zeitung o.ä., also gibt es die unterschiedlichsten redaktionellen Aufgaben.
2 Jahre lang waren wir uns...naja, am besten beschreibt es wohl "egal, aber sympathisch". Wir hatten ein Projekt zusammen, da haben wir uns ein bisschen (platonischer) kennengelernt. Vor ein paar Monaten hat er versucht, mit mir -unverfänglich- ins Gespräch zu kommen. Als nette Kollegin habe ich normal reagiert, muss aber etwas abweisend reagiert haben. Eine Einarbeitung in ein neues Programm hat uns wieder näher gebracht. Vorher begannen wir, auch mal private Mails zu schreiben, aber alles recht knapp und harmlos. An dem Tag der Einarbeitung ist mir das erste Mal aufgefallen, dass er gut riecht.... Danach war ich richtig kratzbürstig zu ihm, und wir haben uns - sobald wir zusammen Schicht hatten - immer ein bisschen geärgert. Der Mailkontakt wurde intensiver, und wir stellen fest, dass wir zuviele Gemeinsamkeiten hatten, um uns normal weiter zu verhalten. Aus einem ursprünglichen Frühstück wurde ein nettes Treffen am Abend, bei ihm zuhaus.
Wir saßen den ganzen Abend auf dem Sofa, haben uns angesehen und geredet, geredet, geredet. Irgendwann hat er mich dann einfach nur in den Arm genommen. Danach waren wir beide völlig wirr. Am nächsten Tag hatte ich eine Nachtschicht, und er rief mich abends dort an. Wir haben lange telefoniert. Am Tag drauf haben wir uns wieder bei ihm getroffen. Das war alles Anfang Dezember. Seitdem sind wir beide verliebt. Im Gegensatz zu ihm habe ich viel mehr Freizeit und weiß noch nicht so ganz genau, ob mein Studium mir noch Spaß macht und ob es Sinn macht. Diese Entscheidung schiebe ich fast ein Jahr vor mir her, aber ich arbeite dort zu gerne, um diesen "Job" aufzugeben. Er schreibt nebenbei, setzt das um, hat andere Projekte bei uns, ist viel beschäftigt. Zu dem Zeitpunkt, als wir uns trafen, hatten wir beide schon lange keinen festen Partner mehr gehabt. Bei mir ist es 5 Jahre her, bei ihm ähnlich 3 Jahre seit der letzten Frau und fast 10 seit der letzten ernsthaften Beziehung. In den Jahren hat er sich sein Leben so eingerichtet, dass er nur zuhause ist, wenn er im Unternehmen arbeitet. Sonst gondelt er durch die Weltgeschichte. Sitzt ein paar Tage in der Schweiz auf dem Berg und schreibt, oder ist im Süden Deutschlands unterwegs. Er hat keine Freizeit oder Langeweile, er ist einfach immer irgendwie beschäftigt.
Mein Wunsch mit ihm zusammen zu sein ist sehr, sehr groß. Ich weiß, dass er "der Eine" für mich ist. Diese Gelassenheit und große Liebe habe ich noch nie zuvor gespürt. Mir ist nichts unangenehm mit ihm, er darf mich überall berühren, womit ich eigentlich ein Problem habe. Er hat sich einfach die letzten Jahre und vor allem Wochen sehr stark in meinem Herzen eingenistet :)
Seit dem undgefähr drei Wochen ist aber alles irgendwie anders. Ein neues Projekt und neue Arbeitszeiten haben ihn verändert. Die anfallende Arbeit ist auf das Dreifache gestiegen, er wirkt abgespannt und müde, hat schlechte Laune und wirkt sehr abwesend. Er ist wie ich ein Arbeitstier, und wir geniessen es, wenn wir arbeiten. Wir brauchen nicht viel, nur einen Ausgleich. Allerdings fehlt ihm sein kreativer Ausgleich, weil sein letztes Projekt in dem Bereich Anfang Januar nach 2 Jahren endgültig abgeschlossen ist. Er hätte schon einige Ideen, nur keine Zeit für die Umsetzung. Im Zuge dieser Veränderung fühlte er sich von mir unter Druck gesetzt, war unglücklich mit der Situation. Ich habe mich (auf hohem Niveau) beklagt, dass wir uns kaum gesehen haben... Ich habe seine Situation völlig ausser Acht gelassen und nur an mich gedacht. Er hat mir zu Verstehen gegeben, dass es ihm zu schnell geht, und er zum jetzigen Zeitpunkt kaum Freizeit hat, und dieses Projekt ihn alle seine Energie kostet. Und er versuchte mir zu erklären, dass da kein Platz für eine Frau in seinem Leben sei, er würde sich über die lange Zeit kennen, und wüsste, dass es sehr sehr lange dauern kann, bis es soweit sein könnte.
Das hat mich sehr getroffen, ich wusste zuerst gar nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe mir ein Buch gekauft (von A. & S. Kane) und mir selbst ein bisschen geholfen, aber die Unsicherheit bleibt. Seitdem ist fast alles wie immer, nur dass wir uns privat nicht sehen und alles persönliche ein bisschen eingestellt ist. Im Büro kommt er trotzdem zu mir, er umarmt mich, und er entschuldigt sich.
Wie lange dauert dieses "lange" ?
Ich weiß, dass es nie um eine Andere gehen würde, dass es einzig die Arbeit und sein Lebensstil sind, die mit meiner -vielen Zeit- kollidieren. Was kann ich also tun? Was hätte jemand von Euch an meiner Stelle getan?
Es gibt noch so viel mehr, was ich hier hätte schreiben wollen, um die Situation zu verdeutlichen, aber ich glaube, diese Eckdaten reichen für ein erstes Bild.
Würde mich freuen, wenn jemand seine Erfahrungen/Meinung mit mir teilt.
Gruß