Hallo Baghira
Da du deine Frage ja direkt an Männer gestellt hast, werde ich dir mein erstes Posting widmen und gerne auf einige Dinge antworten.
Zum allgemeinen Verständniss:
Ich bin Mitte 30, nicht verheiratet und hab auch keine Kinder. Dennoch werde ich im folgenden Text meine Freundin als meine Frau deklarieren, damit es nicht zu Verwechselungen kommt zwischen eben meiner Frau (eigentlich ja meine Freundin, mit der ich seit über 12 Jahren zusammen lebe), und meiner "Freundin", ein Mädel, mit dem ich etwa ein halbes Jahr lang eine Affäre hatte.
Das könnte etwas länger werden, ich geb mir Mühe:
In den ersten neun Jahren mit meiner Frau kann ich reinen Herzens behaupten, hat mich nie eine andere Frau auch nur annähernd interessiert. Ich hab mich nicht mal in den obligatorischen Situationen, im Cafe, Club oder auf Reisen nach anderen Frauen umgeschaut.
Wir führten eine absolut ehrliche Beziehung, haben uns ausnahmslos immer alles erzählt, hatten nie auch nur das kleinste Geheimnis voreinander. Ich fand das wundervoll, denn es war was besonderes. Ebenso war ich felsenfest davon überzeugt, dass uns nichts auseinanderdividieren könnte und wir den Rest unseres Lebens in hundertprozentiger Vertrautheit verbringen.
Nach neun Jahren lernte ich durch meinen Job ein junges Mädchen kennen, sie war gerade 22. Wir mussten zusammen arbeiten, und so recht viel Zeit miteinander verbringen und lernten uns so zwangsweise besser kennen. Nicht, dass mir das unangenehm gewesen wäre, aber ich hatte zunächst keinerlei Hintergedanken.
Je mehr Zeit ich mit ihr verbrachte, umso besser fühlte ich mich plötzlich. Ich fühlte mich tatsächlich einfach jünger, und nach ein paar Wochen war ich sicher, mich in sie verliebt zu haben. Anfangs hat mich das sehr beschäftigt, denn ich liebte meine Frau ja auch, da war ich mir sicher. Aber wie kann es dann sein, dass ich mich in eine andere verliebe? Ich beschäftigte mich mit Polyamorie, doch das war nichts für mich, denn ich mag die romantische Vorstellung von nur einem Partner.
Nach einer Weile konnte oder wollte, ich weiß es nicht genau, meine neuen Gefühle nicht mehr unterdrücken und begann ein Verhältniss mit ihr. Ich kam mir vor wie damals, als ich 12 Jahre alt war und zum ersten Mal so richtig verliebt. In den ersten zwei Monaten gab es nur gelegentliche Stunden, die wir privat miteinander verbrachten. Sie sah das Ganze recht locker, hatte keine festeren Absichten.
Ich hingegen war schwer damit beschäftigt, mir zu überlegen, was mit mir los ist und welche Konsequenzen ich zu ziehen hätte. Ich wollte die Beziehung mit meiner Frau aber nich beenden, so lange ich nicht absolut sicher war, es nicht irgendwann bereuen zu müssen. Ebenfalls war ichfurchtbar entsetzt, wie leicht es mir binnen kürzester Zeit fiel, meine Frau zu belügen. Und ich kann mit Sicherheit sagen, dass meine Frau nie etwas bemerkt hatte, da sie mir bedingungslos vertraut, und ich mich auch sehr clever angestellt hab. Wie ein Profi, der solche Nummern schon 100 mal abgezogen hat. Hätte ich nie geglaubt, dass ich das so schnell so skrupelos fertig bringe.
Dennoch war mir die ganze Zeit über bewusst, dass es kein Dauerzustand sein kann, das wollte ich auch nicht.
Gleiches dachte sich meine Freundin, und setzte mir nach und nach die Pistole auf die Brust, wie ich mir das denn nun weiter vorstellen würde. Ihre Vorstöße waren allerdings eher zaghaft, von echtem Druck kann man da nicht sprechen. In ihrem Alter gibt man sich vermutlich leichter mit Träumen zufrieden, und drängt nicht zu sehr auf Fakten.
Letzendlich war ich einfach feige.
Feige, weil ich meiner Frau nie davon erzählt habe.
Feige, weil ich mich lange vor einer Entscheidung gedrückt habe.
Feige, weil ich meine langjährige Beziehung nicht für etwas neues, unbekanntes opfern wollte. Denn meine Frau ist für mich eine Garantie. Die Chance, dass ich mit ihr ein glückliches und erfülltes Leben führen werde ist einfach viel höher als die Chance, dass aus dem jungen Mädchen und mir etwas wirklich Beständiges geworden wäre. Man gibt einfach keine loyale Liebe für eine prickelnde Romanze auf. So aufregend das auch sein mag, am Ende des Tages will ich mich auf etwas verlassen können (Ich bin mir durchaus bewusst, wie sehr das nach ... klingt, aber ich will es auch nicht beschönigen oder verklären).
Also beendeten wir die Affäre, das tat mir zwar weh, aber ich hätte einfach nicht die Nüsse gehabt, meiner Frau alles zu sagen oder auch nur sie zu verlassen.
Mittlerweile ist das 2 Jahre her. Ich denk noch immer gelegentlich an die Zeit, die ich mit der jungen Dame hatte. Dabei denke ich nicht etwa an Sex, sondern wie sie roch, wie sie ausschaute, ihr Gesicht und wie sie mich anlächelt etc. (klingt schnulzig, ist aber so).
Mit meiner Frau bin ich immernoch zusammen, auch wieder ohne Zweifel und wirklich glücklich, erzählt hab ich es nie, hab ich auch nicht vor.
Mittlerweile glaube ich erkannt zu haben, dass ich damals nicht wirklich in das Mädchen verliebt war, sondern nur den Gedanken liebte, in sie verliebt zu sein. Ich liebte das, was sie aus mir machte - einen jüngeren Mann als ich es bin. Gefühlte 25 mit der finanziellen Sicherheit, Möglichkeit und Erfahrung eines fertigen Menschens. Sie als Mensch um ihrer Selbst hab ich vermutlich nie geliebt, aber es eine ganze Weile lang angenommen.
Warum ich das schreibe; ich wollte einfach einen Erfahrungsbericht wiedergeben, der zumindest 1 mögliches Motiv für männliche Untreue beinhaltet. Ich bin mir sicher, dass mein Motiv kein seltenes ist.
In jeder frischen Beziehnugn hat man auch ein bisschen Angst, wie der Alltag mal ausschaut, wenn er da ist. Bei der Frau weiß ich das schon und komme damit in der Regel prima aus. Bei einer Affäre hab ich keine Ahnung, und das Risiko ist einfach oft zu hoch bzw. wir sind zu feige.
Aber generell sind in einer Affäre ganz andere Dinge von Bedeutung, als in einer festen Liebesbeziehung.
Ein Mann, der bereit ist, eine neue Bindung einzugehen, der wartet nicht lange mit seiner Entscheidung. Wer eine Affäre eingeht, sucht aber eben keine neue Bindung.
Ich versteh, dass dir seine Frau leid tut, weil sie so oft betrogen und belogen wurde und das vermutlich auch weiter so geht. Man kann da geteilter Ansicht sein, soll man sich da einmischen oder nicht.
Nur soviel: Ich bin froh, dass sich bei mir nie einer eingemischt hat. Und meine Frau ist in diesem Moment ihrer Unwissenseit sicher auch ganz froh und glücklich. Kann sein, dass das irgendwie heuchlerisch ist...
Lieben Gruß,
Nikanoru