Vermutlich schreibe ich heute hier nur, weil es die einzige Möglichkeit für mich sein wird, jemals die ganze Geschichte, wie ich sie wahrnehme zu "erzählen" und ich glaube, das brauche ich irgendwie. Eigentlich bin ich nicht das "Opfer" in meiner Geschichte und trotzdem tut es gerade unfassbar weh...
Ich bin inzwischen seit mehr als 10 Jahren mit meinem Mann zusammen und bald 5 Jahre verheiratet. Wir hatten einen nicht ganz einfachen Start, weil wir so unterschiedlich sind. Er ist ein optimistischer und positiver Mensch, klug und immer wieder überrascht, dass er die nächste (persönliche aber auch Karriere-)"Stufe" erreicht hat und sich dabei so weit von den eher bescheideneren - wenn auch sehr innigen familiären - Verhältnissen, in denen er aufgewachsen ist, entfernt... Ich stamme aus einer zerrütteten aber wohlhabenderen Familie. War einerseits ein verwöhntes Kind und habe mich andererseits nie wirklich sicher und geliebt gefühlt. Deswegen war und bin ich auf der ewigen Suche nach Anerkennung, Bestätigung und habe genug Ehrgeiz für mehr als ein Leben...
An irgendeinem Punkt in unserem Leben, ich war Anfang 20 und wusste noch nicht, ob ich alles auf die Reihe bringen oder einfach untergehen würde, er war Mitte 20 und hatte gerade seinen Traumjob fernab von seiner Heimat begonnen, haben sich unsere Wege gekreuzt und ich wusste zu Beginn, dass er für mich der Mann für's Leben ist. Er war so ein guter, ehrlicher Mensch, er liebte mich ehrlich und aufrichtig... ich wusste, er würde immer für mich da sein und mir niemals weh tun.
Er dachte damals nicht sofort das gleiche über mich... ich war ihm zu unordentlich (sowohl innerlich als auch mit meinen Sachen) und er war sich nicht sicher, ob das mit uns langfristig funktionieren könnte. Ich war fordernd und kompliziert. Er war zu einfach gestrickt und wenig kompromissbereit.
Dann... irgendwann... hat er seine Meinung über mich geändert und sich entschieden, dass er den Rest seines Lebens mit mir verbringen will. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mein Studium mit bravour abgeschlossen und "die Kurve gekriegt". Wir waren glücklich... wir haben eine Traumhochzeit auf einem Schloss gefeiert und dachten, wir wären jetzt (emotional/innerlich) dort, wo wir beide immer sein wollten. Eine Baustelle gab es von Beginn... sexuell haben lief es nicht so gut... mir war das früher egal und er war froh, sich in diesem "Punkt" nicht unter Druck gesetzt zu fühlen, wie es bei seiner Exfreundin der Fall gewesen war. Auch das Thema Kinder war schon immer schwierig. Er wollte immer die heile normale Familie mit zwei Kindern, am besten Junge und Mädchen, ein eigenes Haus... Happy normal family. Ich wollte immer Karriere machen, lieber keine Kinder bekommen, double income, no kids.
Die Jahre vergingen und ich wurde immer unglücklicher... ich schob es auf den Ort, an dem ich wohnte, auf den Job, dem ich nachging. Als das Leid zu groß war und ich langsam wütend auf ihn, dass er einfach nur zusah und versuchte mich davon abzuhalten, etwas grundlegendes zu verändern und meine Lage zu verbessern, entschied ich mich, mir einen Job in einer anderen Stadt, nahe meiner Heimat, zu suchen und dorthin zu gehen. Das klappte auf Anhieb, es war fast zu einfach... ich zog zwei Monate später um und fühlte mich auf einmal glücklich. Ich schob es auf den tollen neuen Job, die wunderschöne Stadt, die netten Kollegen... Er, der zu Beginn sagte, es fühle sich an, als wolle ich ihn verlassen (was ich vehement verneinte), liebte diese neue, glückliche und dadurch auf einmal auch viel schönere Frau. Er begann umzudenken und hatte den Wunsch mir so schnell wie möglich nachzufolgen. Ich wollte ihn nicht unter Druck setzen... seine Karriere nicht versauen... ihm die Möglichkeit geben erst dann nachzukommen, wenn sich ihm eine Chance bot. Wir kauften unsere erste gemeinsame Wohnung in der neuen Stadt, verschuldeten uns... Der Moment und die Chance kamen... er erzählte mir, dass er in 3 Monaten nachkommen und in der gleichen Firma wie ich arbeiten würde. In dem Moment zog sich meine Kehle zu und ich fühlte mich gerade zu panisch. Ich begann meine Grenzen abzustecken. Ihm zu verbieten ins Bad zu gehen, wenn ich darin war. Mit den Mädels um die Häuser zu ziehen. Und, das ist wohl das "deutlichste": zu chatten. Ich verheimlichte ihm die Kontakte, die ich so mit anderen Männern knüpfte.
Im November letzten Jahres lernte ich dann einen Mann im Internet kennen, der mir von meiner Persönlichkeit her sehr ähnlich ist... es begann also alles mit einem recht tiefen Verständnis füreinander und die Gedanken des anderen und führte dahin, dass wir merkten, dass wir in der Theorie auch sexuell ein gutes Match sein könnten. Auf einmal, nach 10 Jahren hatte ich das Gefühl, dass das, was ich mit meinem Mann im Bett erlebe, noch nicht alles gewesen sein könnte, was es zu erleben gibt.
Nach zwei Monaten trafen der Mann aus dem Internet und ich uns in einem Restaurant am anderen Ende der Stadt... wir hatten uns vorher schon mehrmals täglich Nachrichten geschrieben, telefoniert und uns unverfängliche Selfies geschickt... Ich bin sehr anspruchsvoll und er hatte ein paar "Kanten", die ich eher nicht so attraktiv fand. Kurzum, ich dachte, das viele an ihn denken wäre nach einem Treffen in der Realität vorbei... vielleicht hoffte etwas (böses?) tief in mir, dass ich damit nicht Recht behalten würde.
Ich täuschte mich... wir sahen uns... er war hingerissen, nahm mich in den Arm und küsste mich einfach. Ich war überwältigt... und wurde überschwemmt von einer Woge aus Emotionen und vor allem Hormonen. Er war so ganz anders als mein Mann und mir so ähnlich... er küsste, roch, schmeckte so gut... bei diesem unseren ersten Date beim Italiener wurden wir angesprochen, wie wundervoll wir doch zusammen seien... wir lachten beide. Er wußte von vornherein, dass ich verheiratet bin. Ich wusste, dass er seit damals 3 1/2 Jahren eine Freundin hatte, mit der er auch zusammen wohnt. Zwei Tage später sahen wir uns wieder und schliefen miteinander. Es war eine wahnsinns Zerreisprobe... eigentlich hätte ich vor schlechtem Gewissen meinem Mann gegenüber vergehen müssen, der mich niemals betrügen würde, stattdessen starb ich innerlich, weil ich dachte dass dieser neue Mann in meinem Leben mich einfach nur ins Bett kriegen wollte und mehr nicht...
Ich hatte mich nochmal getäuscht. Er verliebte sich in mich. Wir schrieben uns in jeder freien Minute, telefonierten wann immer wir niemanden um uns hatten und zu wenig Zeit war, uns zu treffen. Wir trafen uns wann immer wir es irgendwie für ein paar Stunden einrichten konnten und hatten Sex an Orten, bei denen man eher an Teenager als an zwei Mid-Dreissiger denkt (z.B. im Winter im Wald auf der Rückbank seines Autos...). Wir verliebten uns Hals über Kopf... bauten uns kindische Fantasiegebilde... taten riskante Dinge.
Kurz, bevor das alles begann, war mein Mann ganz zu mir in die neue Stadt gezogen und ich hatte mich emotional ein Stück von ihm entfernt... ganz anders als früher, als kaum ein Blatt Papier zwischen uns passte, etrug ich seine Nähe immer schlechter und bemühte mich immer mehr, ihn das nicht merken zu lassen... er akzeptierte es. Er vertraut mir und er stellt nicht in Frage, dass er mich liebt, selbst dann, wenn ich keine Kinder möchte und er das für seinen Lebensplan so vorgesehen hatte...
Die Beziehung (ich würde gerne Affäre schreiben, aber das wird dem nicht gerecht), die ich mit dem anderen Mann führe, ging einfach immer weiter... Ich hatte erwartet, dass mein Mann irgendwann dahinter kommt... oder seine Freundin... oder dass er mich irgendwann vor die Wahl stellen würde "Ich oder dein Mann?". Nichts davon geschah. Ich perfektionierte mein Doppelleben, wie alles andere, in meinem Leben... Nun geht es seit fast einem halben Jahr so und mir ist schlagartig vollkommen klar, dass ich das jetzt beenden muss, weil es sonst nie enden wird und uns alle vier (meinen Mann, seine Freundin, ihn und mich) davon abhalten wird unser Leben richtig und wirklich zu leben.
Ich wäre gerne mit ihm zusammen... selbst sowas wie ein Kinderwunsch hat sich eingestellt... ich kann mir vorstellen, wie er hinter mir steht und stolz die Hand auf meinen Bauch legt und wünsche mir das sogar... aber das wird nicht passieren. Ich habe mir mein Leben hier "perfekt" aufgebaut. Alles ist so, wie es immer sein sollte. Ich habe den tollsten Ehemann, der mich von ganzem Herzen liebt. Eine schöne Wohnung in einer der schönsten Städte der Welt. Die Karrierebedingungen, die ich haben wollte... alle warten nur darauf, dass ich endlich ein Kind bekomme. Und der andere Mann hat sich vor einiger Zeit dazu entschieden ein Haus an einem Ort zu bauen, an den ich nicht gehöre und keine Karriereoptionen hätte. Das wissen wir seit einer Weile und reden immer wieder darüber und lassen das Thema dann fallen, weil wir uns einfach keinen traurigen und harten Themen widmen wollen, wenn wir zusammen sind. Denn dann ist es ja für einen kurzen Moment so, als wäre alles genauso, wie es das Schicksal für uns vorgesehen hat... er bezieht mich in die Planung seines Hauses ein... sagt, dass er sich freuen würde, wenn ich von ihm schwanger werden würde... Fantasiert davon, wie es wäre jeden Abend mit mir einzuschlafen und am nächsten Morgen aufzuwachen, alle möglichen Unternehmungen anzustellen, mich seinen Freunden und seiner Familie vorzustellen... wir stellen uns den Themen einfach nicht.
Ich weiß jetzt sicher, dass es für immer so weiter gehen würde, wenn ich nicht handle. Er weiß, dass wir keine Zukunft haben, aber er will mich nicht verlieren. Ich weiß, dass wir keine Zukunft haben, aber ich will ihn nicht verlieren. Gleichzeitig weiß ich, wie sehr das alles meinen Mann verletzten würde und ich möchte ihn so gern vor diesem Leid beschützen... er hat definitiv besseres verdient.
Ich bin schon ein paar Mal mit dem Vorsatz, das Ganze zu beenden, zu dem anderen Mann gefahren, aber ich konnte es nie... Jetzt habe ich ihm das alles in einem Brief geschrieben und ihm davon erzählt, dass es diesen Brief gibt, damit ich keine andere Wahl mehr habe, als ihn ihm zu geben, wenn wir uns das nächste Mal sehen.
In 3 Tagen ist es soweit.. Gestern Nacht habe ich die ganze Zeit leise vor mich hingeweint, damit mein Mann nichts davon merkt und auch heute versuche ich ständig, mich davon abzuhalten wieder damit anzufangen... Ich bemühe mich, mich meinem Mann gegenüber normal zu benehmen. Der andere Mann ahnt worum es geht und macht sich Gedanken und ich versuche ihn zu beschwichtigen und abzulenken...
Ich habe Angst davor, was am Samstag passiert. Ich habe niemanden, mit dem ich darüber reden kann, weil mein ach so perfektes Leben keinen Raum für so viel Imperfektion lässt... und ich habe Angst, dass ich es nicht schaffen werde, das einfach so zu überwinden und doch noch die Ehefrau zu werden, die ich sein sollte... und dann war alles umsonst. Mein Mann wird trotzdem verletzt werden. Der andere Mann auch, seine Freundin... und ich.
Ich will nicht selbstmitleidig und undankbar klingen. Ich habe wirklich viel Glück gehabt in meinem Leben und ich wollte eigentlich nie jemanden verletzen. Jetzt muss ich das... aber vorher musste ich es mir irgendwie nochmal von der Seele schreiben