Er hat mein Weidenbäumchen ausgegraben und umgepflanzt.
Jetzt steht es dort wo ich es nicht mehr sehe wenn ich morgens das Schlafzimmerfenster öffne
Jetzt steht es dort wo die gottverlassene Stelle unseres Grundstückes ist wo wir höchstens mal eine Feier im Sommer machen, eine oder zwei
Jetzt steht es dort wo ich es nicht mehr so oft im Vorübergehen streicheln kann
Jetzt steht es dort wo ich bestimmt keine Ostereier mehr dranhängen werde
Ich hatte diese Stelle ganz gezielt ausgewählt, meine Stelle, auf einem Beet was ich früher mal bearbeitet hatte, als ich mich noch mit aller Macht bemüht habe, mich hier richtig zu Hause zu fühlen. Ich hatte es mit sehr viel Anstrengung von einem tief wurzelnden Unkraut befreit, schöne Narzissen, Tulpen und Primeln hinein gepflanzt.
Er hat mein Weidenbäumchen weggeholt, und er hat mich nicht gefragt, ob er das darf.
Er hat gesagt, dass im Winter die Schneelawinen vom Dach das Weidenbäumchen erdrücken und zerstören könnten aber er hat mich nicht gefragt vielleicht hätte ich den Grund akzeptiert und einen anderen Platz gewollt vielleicht sogar den, den es jetzt hat
Ich bin eine Weide, ich liebe sie, und ich habe vor langer Zeit an diesem Platz hinterm Haus noch andere Weiden gesteckt, Stecklinge von Trauerweiden, die jetzt schon sehr hoch geworden sind und diesen Platz etwas schöner machen. Er hat sie daneben hingepflanzt
Ab in die Ecke, geh dorthin wo sie ihren Spleen haben kann!
Ein kleines Weidenbäumchen wollte ich vor vielen Jahren, es war gerade im Angebot. Es war zu einer Zeit, als ich ihn oftmals noch gefragt habe wenn mir etwas gefiel, was ich gern für mich wollte grad so als ob ich es nicht selbst entscheiden könne, grad so als ob es nicht auch mein Haus wäre. Er sagte Nein. Ich habe es nicht gekauft.
Ich wünschte mir dann eins zum Geburtstag und bekam es von seinem Bruder geschenkt, so kam ich zu meinem Bäumchen damals schmunzelte ich still über seine Blicke
Vielleicht hat er diesmal über meinen entsetzten Blick geschmunzelt Jetzt wo ich nicht mehr frage ob ich etwas kaufen kann, tun kann, denken kann weil ich weiß dass ich es kann!
Er darf nicht über mich bestimmen, darf meinen Willen nicht übergehen, darf nicht ohne meine Erlaubnis für mich Dinge tun die ich nicht möchte, oder meine Entscheidungen fällen!
Ich ließ das Bäumchen bisher dort stehen, es ist kurz vor dem Winter, und ich möchte ihm nicht noch einmal in so kurzer Zeit die Wurzeln ausgraben ich weiß wie es ist wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird, und die mühsam geschlagenen Wurzeln mit ihren feinen Verästelungen abrupt in der Luft hängen Wieviel Energie es kostet sich wieder neu zu verankern, und wieder frei atmen zu können. Ich weiß es, denn ich bin eine Weide.
Ich bin ausgezogen, nicht wirklich, aber ein großes Stück. Ich schlafe nicht mehr in diesem Schlafzimmer, und es tut mir nicht weh.
Mein Weidenbäumchen steht sowieso nicht mehr dort, wo ich morgens das Fenster öffne, um zu lüften es musste gehen, und ich musste es auch