Dann war meine Idee ja goldrichtig, Aasha,
mal zu mutmaßen, daß man in so einem Forum auch entgegen dem gesellschaftlichen Trend jemanden finden kann, der wenigstens rudimentär nachvollziehen kann, was ich meine.
Umso schöner, nun wem begegnet zu sein, der sogar mehr oder minder volles Verständnis mitbringt, gleichzeitig aber nachvollziehen kann, wie sehr man damit gegen den gesellschaftlichen Stachel leckt.
Genau das, was Du beschreibst, ist das, was Liebe ist und auch zu sein hätte, würde man je eine sinnvolle Definition für sie aufstellen wollen. Ich habe sowohl Fromms "Die Kunst des Liebens" als auch Peter Lausters "Die Liebe - Psychologie eines Phänomens" vor gut 20 Jahren gelesen und eine wahrhaft sinnvolle Definition für Liebe am Ende dann doch vermißt, so sehr ich diese Bücher ansonsten beide schätze.
Unser Körper ist integraler Teil dessen, was uns ausmacht. Unsere Seele und unser Geist können sowohl ohne ihn nicht existieren als auch kein wahres Wohlbefinden vermitteln, denn Wohlbefinden stellt sich immer nur über den Körper ein. Die Wärme der platonischen Liebe beispielsweise wird am Ende auch über den Körper vermittelt, weil Geist und Seele hier auf den Körper rückwirken. Trotzdem bleibt der Körper der eigentliche Wohlbefindensvermittler und deshalb dreht sich für mich am Ende alles um den besten Zustand für den Körper.
Und da kommen natürlich sehr schnell die 2 Quadratmeter Hautoberfläche mit ihren Myriaden an Berührungs- und sogar speziellen STREICHEL-Rezeptoren ins Spiel nebst natürlich den Steigerungen, die Körperlichkeit so mitsichbringen kann.
Wie eine Gesellschaft je so vollkommen verrückt sein konnte, diesem Wunderwerk der Wohlfühltechnik eine Schattenrolle, eine Ekelrolle, was auch immer, zuzuweisen, wird mir immer mehr oder minder ein Rätsel bleiben, denn nichts wird sich je besser anfühlen, als von einem geliebten Menschen körperlich verwöhnt zu werden. Würde ich den Himmel beschreiben müssen, er bestünde zu nicht kleinem Teil aus exakt diesen Gefühlen.
Natürlich wollen auch Geist und Seele zu ihrer Geltung kommen und die machen den Rest aus, selbstredend kann alle Körperlichkeit der Welt keine seelische und geistige Ergriffenheit von der Welt, den Dingen und manchen Mitmenschen ersetzen.
Aber im Ideal der Liebe verdichtet sich alles zu einem großen Ganzen und die Körperlichkeit ist letztlich der integralste Part des Ganzen, schon deshalb, weil es alles andere auch mit sehr vielen anderen Menschen auf dieser oder jener Ebene geben kann und auch geben wird.
Mir ist aber tatsächlich in meiner realen Erfahrungswelt noch niemand begegnet, bei dem ich vollumfänglich das Gefühl gehabt hätte, in dieser Hinsicht verstanden zu werden. Speziell meine Freundin versteht mich hier nicht, ihre Psychologin ebensowenig, und auch sonst fällt es schwer, für diese Sichtweise irgendeinen glühenden Unterstützer zu finden, deshalb mein Problem mit den Schubladen.
An sich hat es mich nie interessiert, ob mich wer in Schubladen steckt - ich wußte meist sehr genau, daß die anderen sich damit irren. Aber trotzdem hat es Folgen, wenn man zu oft und zu gründlich in Schubladen gesteckt wird, weil einem dann sozusagen diejenigen fehlen, die einen nicht nur nicht dorthineinstecken, sondern speziell die, die einen mindestens argumentativ unterstützen.
Wie will man denn ein Beziehungsproblem lösen, bei dem solche Dinge fast immer eine größere Rolle spielen, wenn schon alle Paartherapeuten in Wahrheit mehr oder minder körperfeindlich sind und dem Ideal der "reifen Liebe" hinterherrennen und es ihren Klienten schmackhaft zu machen versuchen, statt zu begreifen, daß Liebe ein Ding ist, wo uns die Bonobos sicher mehr zu erzählen haben, als die meisten unserer Mitmenschen, weil sie "wissen" und "spüren", welche extreme Bedeutung unsere Körper für unser Wohlbefinden an sich hat, aber auch für das unserer Seelen und unseres Geistes.
Ich tue mich einfach schwer, meiner Freundin zu erklären, daß ich nicht den Verstand verloren habe - so kann man es vielleicht am ehesten erklären, warum mich die Schubladen interessieren.
Schön, daß Du diese Sichtweise auf das Lieben in die Welt trägst - das hat diese so bitter nötig. Meinen Dank dafür, selbst wenn das jetzt etwas pathetisch und/oder großkotzig klingen mag... ;-)
Ich würde mich so sehr freuen, wenn meine Freundin aus ihrem zu oft erregungsfreien Sein endlich aufwachen würde und die Erregung in ihrem Leben willkommenhieße, um sie in alles mögliche Wundervolle zu verwandeln, zuerst einmal in eine Beziehung, die funktioniert, und danach in so vieles mehr...