Hallo,
ein schwieriges Thema für mich. Ich möchte versuchen, es mal kurz und knackig zu beschreiben. Ich bin 32 Jahre alt, männlich und bin sehr behütet erzogen worden. Dennoch sehr liebevoll, meine Eltern haben meiner Ansicht nach alles richtig gemacht. Bis auf dass ich zu angsterfüllt erzogen wurde. Mir wurden wahnsinnig viele Ängste eingeredet, ich und meine Schwester waren beide Spätzünder und sind es noch heute. Mit dem Unterschied, dass meine Schwester ihren Partner bereits mit 19 kennengelernt hat und seit knapp 10 Jahren superglücklich vergeben ist. Mittlerweile verheiratet mit Kindern.
Ich habe große Verlustängste, ich habe große Unsicherheiten. Das sieht man mir nicht an, ich habe einen soliden Posten als Akademiker, sehe (den Frauenmeinungen nach sogar recht gut aus, bin sehr sportlich). Ich achte auf mich, bin sogar ein wenig eitel....ein Außenstehender würde denken, der macht so einiges klar. So ist es keinesfalls.
Mit meinen 32 Jahren hatte ich gerade einmal eine 5 Jährige Beziehung, Jugendliebe. Ging nach dem Abi in die Brüche, dann jahrelang garnichts, irgendwann wieder aus meinem Dornröschenschlaf erwacht und hatte dann eine kurze Beziehung von 1 Jahr, ging einfach nicht gut.
Nun habe ich vor einem halben Jahr eine wirklich tolle Frau kennengelernt. Sie war von Beginn an an mir interessiert, wir begegneten uns das erste Mal bei uns in der Firma. Ich fand sie toll, sie mich glaube ich auch. Wir verbrachten oft die Pause mit einander, dann privat. Irgendwann küssten wir uns bei mir zu hause, als wir uns zum gemeinsamen Kochen verabredeten. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, eine super anständige Frau, ebenso konservativ wie ich selbst, vor mir zu haben.
Nach und nach erzählte sie mir von ihrer Vergangenheit, die - sachlich betrachtet - eigentlich vollkommen normal ist, so meine Ansicht. Fast alle haben mal gekifft, exzessiv Party betrieben, mal ne Pille eingeschmissen oder mal mit total merkwürdigen Partnern Sex gehabt.
Ich allerdings nicht, nicht weil ich nicht durfte, sondern weil ich nicht mochte, weil ich keinen Bedarf danach habe.
Die Frau, um die es geht, hat es in der Vergangenheit schon ordentlich krachen lassen, mit ihren 29 Jahren hat sie glaube ich mehr erlebt, als ich je noch erleben kann. Ich habe keinen Nachholbedarf. Überhaupt nicht. Ich beneide sie nicht, sie selbst beschreibt viele Erlebnisse als absolut überflüssig.
Nun sind wir seit knapp 2 Monaten zusammen gekommen, ich habe mich schon lange verliebt, spüre Emotionen zu ihr, wie nie zuvor, diese Frau macht mich im positiven Sinne wahnsinnig, ich vermisse sie jede Sekunde, ich möchte genau so wie sie mit mir, mit ihr eine Beziehung führen. Wir haben gleiche Einstellungen zur Beziehung, fühlen uns sehr wohl mit einander.
Und jetzt kommt mein Problem: Ich habe eigentlich sachlich betrachtet keines. Doch ich erwische mich wie bereits in meiner letzten Beziehung, die ich meiner Ansicht nach kaputt gemacht habe durch Zerrederei von Dingen, die keine Probleme waren oder sind.
Ich grabe Leichen aus der Vergangenheit aus und ertrage dann deren Anblick nicht, frage bis ins Detail nach ihren Ex Freunden, Affären und wühle förmlich in der Vergangenheit, fast so als ob ich daran Spaß hätte, mich selbst zu quälen, so ist es aber nicht.
Mittlerweile kann ich mit meiner Freundin nicht mehr schlafen, weil ich vor Augen habe, dass sie knapp 2 Wochen, bevor wir uns kennen gelernt haben, noch Sex mit einem ziemlich ungebildeten Typen aus einem Sportverein hatte. Das empfand ich ab dem Zeitpunkt, zu dem ich es erfahren habe, so ekelerregend, dass ich keinen Sex mehr mit ihr haben kann.
Diese Frau hat mich noch nie belogen, nie betrogen, ich habe nie eine so liebevolle Frau kennengelernt, die mich begingungslos liebt und ich mich so wohl fühle mit ihr.
Doch ich glaube ich bin dem Glück nicht gewachsen. Ich breche Streit vom Zaun aus dem Nichts, ich frage dann so lange nach irgendwelchen LSD Erfahrungen, ergöze mich dann an ihrer Ehrlichkeit und mache ihr das zum Vorwurf.
Ich ertappe mich, dass ich mich fast so verhalte, als sei dies alles, ihre Affären, Drogenerfahrungen und Blödsinnigkeiten während unserer Beziehung passiert wären, sind sie nicht.
Ich weiß selbst, ich sollte den Bogen nicht überspannen, sonst läuft sie mir weg, was ich keinesfalls möchte. Einerseits interessiert mich ihrer Vergangenheit, was sie so geformt hat, wie sie heute ist, andererseits halte ich dann die Wahrheit nicht aus. Ich drehe mich da im Kreis. Erfahre ich nichts, schalte ich mein Kopfkino ein, das ist meist noch krasser als die Realität und dann klärt sie mich auf über die Wahrheit, die Realität und auch das halte ich dann nicht wirklich sachlich aus.
Ich komme mir manchmal vor, wie ein unreifer Teenager. Ich bilde mir manchmal ein, nur weil ich nichts im Leben erlebt habe (auch kein Bedürfnis danach hatte oder habe) dürfen alle anderen das auch nicht gehabt haben, andernfalls gelten sie als unanständig.
Wem habe ich das zu verdanken? Meinen Eltern. Insbesondere meiner Mutter. Sie hält mir trotz meines Alters bei Besuchen immernoch Vorträge, wie schädlich rauchen ist, wie schlimm die drogenabhängige Jugend, die sexsüchtigen Frauen und untreuen Leute heute sind. Mich nervt das, aber gleichzeitig beeinflusst es mich auch.
Ich habe nun jemanden kennengelernt, der so gut wie kein "vorgegebenes" Kriterium erfüllt, also der quasi nach meinen Erziehungsmaßstäben nicht brav erzogen wurde, sondern aus der Linie ausgebrochen ist.
Jetzt beißt sich meine Liebe zu dieser Frau zu meinen moralischen Erziehungsaspekten.
Psychologische Hilfe habe ich mir schon geholt, aber die Terminvorlaufzeiten sind enorm und Wahnsinn.
Wer von euch kann mir einen Rat geben. Ich will diese Frau nicht verlieren, will auch nicht ständig sinnlose Diskussionen vom Zaun brechen. Andererseits möchte ich wieder unbefangen küssen können, Sex mit ihr haben können, ohne ständig an Dinge zu denken, die sie vielleicht haben unanständig werden lassen, ohne an Affären oder andere Kerle zu denken, die vor mir an meiner Stelle waren.
Furchtbare Situation, für viele sicher Luxusprobleme, für mich aber elementar, denn eines ist gewisse, wenn ich so weiter mache, wird sie mich irgendwann verlassen, das ist in meiner letzten Beziehung auch so gegangen, mit dem Unterschied, dass meine Emotionen damals deutlich geringer waren.