Um eines vorwegzunehmen: Nicht alle Botoxnerze sind hässlich!
Ich habe meinen Vormittag mal wieder im Cafeum die Ecke verbracht.
Maurice und seine wunderschöne Frau Maria zählen mich bereits zum Inventar.
Heute habe ich mein MacBook gezielt zu Hause gelassen um mal wieder etwas Studium am Menschen zu betreiben.
Schon bald füllte sich das Cafe und die freien Tische wurden selten.
Am Nachbartisch beobachtete ich zwei unglaublich attraktive junge Frauen voll bepackt mit Einkaufstaschen diverser Boutiquen und Parfümerien.
Ich dachte nur wow, schöne Frauen, die haben Klasse.
Eine Frau, ärmlich bekleidet, auf dem Rücken ein prall gefüllter Rucksack stand draußen vor dem Fenster in der Kälte.
Sie erschien mir nachdenklich verloren und ich fragte Maurice ob er etwas dagegen hätte wenn ich sie zu einer Tasse heisser Schokolade einlade.
Maurice hatte nichts dagegen und ich ging vor die Tür und bat sie sich einen Moment zu mir zu setzen und deutete auf meinen noch leeren Tisch.
Sie schüttelte verlegen den Kopf und meinte ihr sei das unangenehm.
Ich bestand aber darauf und führte sie hinein.
Kaum hatten wir Platz genommen begannen die zwei jungen Frauen am Nachbartisch ihre süssen Näschen zu rümpfen und die ohnehin schon verunsicherte Frau mit abwertenden Blicken und Äußerungen zu verletzen.
Plötzlich erkannte ich in ihren bildschönen Gesichtern eine ungeheure innere Leere und eine abgrundtiefe Hässlichkeit die mich erschütterte.
Aber das bezeichnendste war, diese beiden Frauen verloren dadurch komplett ihre attraktive Ausstrahlung auf mich.
Ich ging an den Nachbartisch und fragte ob Botoxnerze eigentlich geschossen werden dürfen.
Die quietschbunten Fragezeichen in ihren Augen gaben mir letzte Bestätigung über ihren bemitleidenswerten geistigen Horizont.
Ich entschuldigte mich bei meinem Gast für diese Unannehmlichkeit und begann eine Unterhaltung mit ihr die mich überraschen und zutiefst bewegen sollte.
Sie taute ein wenig auf und erzählte mir überraschend wortgewandt von ihrem Schicksal.
Sie hatte Theologie studiert und war im Amt einer Pfarrstelle als ihre 6 Jahre junge Tochter bei einem Autounfall ums Leben kam.
Ihr tief verwurzelter Glaube an Gott geriet so sehr ins Wanken, dass sie allen Lebensmut verlor.
Das Leben auf der Strasse hatte sie vor 17 Jahren aus freien Stücken angetreten.
Wie sie selber sagte sei sie auf der Reise zu einem ihr noch unbekannten Ort der ihr früher ein wärmendes Zuhause bot.
Ich bin kein gläubiger Mensch und doch beneidete ich sie um ihr Vertrauen in Gott diesen Weg zu gehen.
Wir unterhielten uns noch bis in den späten Nachmittag hinein, aßen etwas und ich war tief beeindruckt von ihrer positiven Sicht der Dinge.
Wir lachten viel und auch einige Gäste lauschten amüsiert ihren Geschichten und Gedanken.
Ich dachte mir: Sie sieht heruntergekommen aus, wirkt abwesend auf ihre Umwelt und doch ist sie ein bildschöner Mensch.
Wie im Fall der beiden Botoxnerze verkehrte sich mein erster Eindruck von Ihr ins Gegenteil.
In meinen Augen gewann sie ungemein an Attraktivität, Ausstrahlung und Schönheit.
Ihre Ansichten, Weisheit und grenzenlose Liebe in die Menschen ist eine Bereicherung für mich von der ich noch lange zehren werde.
Ich lud sie für morgen zum Essen ein aber sie lehnte dankend ab und sagte mir unsere Begegnung sei ein kleines Stück Paradies für Sie gewesen das Ihr die Kraft gibt den Weg zu Ende zu gehen.
Ich werde sie vermissen und hoffe sehr sie einmal wieder zu sehen..
Dieses Erlebnis macht mir die Gefahr bewusst in der wir uns täglich befinden.
Menschen nach rein äußerlichen Kriterien zu selektieren.
Ganz ehrlich: Berauben wir uns dadurch nicht der Chance das Paradies zu finden?
Michi