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Also ich kann sehr gut verstehen, dass dich das alles sehr mitgenommen hat. Denn im Grunde war das, wenn es auch nur ein Kuss war, eben eine Grenzüberschreitung, die auch noch verheimlicht wurde. Somit war das in diesem Fall streng genommen schon eine Form von Betrug.
Nun könnte man sich als Richter aufspielen und das Verhalten deiner Freundin verurteilen, sie an den Pranger stellen und Steinigen. Nur halte ich so etwas generell für den falschen Weg.
Das deine Freundin dich angelogen hat, wird vor allem mit daran gelegen haben, weil sie enorme Angst hatte dich zu verlieren. Es sagt sich immer einfach, dass man in einer Beziehung immer ehrlich sein sollte, aber und darüber machen sich wirklich die wenigsten Gedanken, es kostet extrem viel Mut, dem Partner zu erzählen, dass irgendetwas in der Form vorgefallen ist.
Denn man selbst wird gewisse Vorstellungen von einem monogamen Zusammenseins aufweisen. Das bedeutet aber auch, dass man an sich selbst bestimmte Ansprüche stellt, die man auch einhalten will. Das wäre in dem Fall eben, dass man sich nicht auf andere Männer einlässt. Wenn man aber diese Grenze bricht und selbst weiß, wäre es umgekehrt genauso und man selbst die Beziehung deswegen sofort beenden würde, dann bekommt man automatisch Angst, dass wenn der Partner es herausfindet, er die Beziehung beendet.
Dann kommt noch hinzu, dass man es selbst vielleicht gar nicht wahr haben will, was da vorgefallen ist. In einem solchen Fall will man es nicht auch noch thematisieren, denn sobald man darüber spricht, wird das eigene tun, für einem selbst plötzlich real. Das hat dann eine ganz andere Qualität.
Du hast ihr zwar offen angeboten, dass sie absolut ehrlich zu dir sein kann und du deswegen auch nicht sofort alles hin wirfst. Aber das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie auch wirklich darauf vertrauen konnte. Sie kann trotz dieses Angebotes Angst gehabt haben, dass du ihr das niemals mehr verzeihen könntest und die Beziehung beendet ist. Und je mehr ein Mensch einen anderen Menschen liebt, desto größer ist dann auch seine Angst diesen zu verlieren. Und Angst ist leider ein extrem schlechter Berater.
Und wie gesagt, es kostet wirklich eine ganze menge Mut offen mit seinem Partner über so etwas zu sprechen. Erst recht, wenn man weiß, dass dieser wirklich rein monogam eingestellt ist. Aber das kann man vermutlich nur dann verstehen, wenn man selbst in der Situation war und den Mut gefunden hat offen mit dem Partner zu sprechen. Jeder der dazu den Mut gefunden hat, wird dir bestätigen können, dass man für diesen Schritt innerlich eine Berg und Talfahrt durchlebt. Dazu ist leider nicht jeder im Stande, zumal man dabei immer auch rechnen muss, dass der Partner einen verlässt. Daher ist das für Menschen, die besonders stark emotional an ihrem Partner hängen noch mal besonders schwierig. Daher kann ich selbst durchaus nachvollziehen, dass mancher lieber nichts sagt und versucht, dass Vergehen zu vertuschen.
Vielleicht habe ich das auch einfach nur falsch verstanden, aber mich macht diese Aussage:
"Sie sagte dann das sie nicht weiß ob sie das geträumt hätte oder nicht aber das sich beide geküsst hätten. "
etwas stutzig. Sie war an dem Abend extrem betrunken und sie selbst weiß selbst nicht so recht ob sie geküsst hat oder nicht?
Also wäre ich männlich und meine Partnerin würde mir so etwas sagen, hätte ich ein extrem schlechtes Gefühl im Bauch. Denn es soll auch Männer geben, die nicht davor scheuen weiter zu gehen und das Opfer entsprechend zu präparieren, dass es sich am Ende an nichts mehr erinnert.
Aber vielleicht war der Satz auch komplett anders gemeint.
Sollte er so allerdings zutreffen, dann dürfte es für deine Freundin noch schwerer sein, dir davon zu berichten. Denn es stellt sich hier auch die Frage, inwiefern der Kuss von ihrer Seite wirklich freiwillig erfolgt ist. Jemand der noch nicht mal mehr sich selbst ausziehen kann, weil sein Zustand es nicht mehr zulässt, ist in der Regel ein leichtes Opfer. Dieses wird sich kaum gegen einen Kuss mehr wehren können. Oder gar schlimmeres abwehren.
Nur wenn man dann am nächsten Morgen mit der blassen Erinnerung erwacht, einen fremden Mann geküsst zu haben, den man selbst nüchtern niemals hätte küssen wollen, dürfte man sich als Frau durchaus auch missbraucht fühlen. Erst recht wenn man zuvor ein freundschaftliches Verhältnis zu dieser Person gehabt hat. Dann kommt noch erschwerend hinzu, dass man selbst sich vielleicht gar nicht sicher ist, ob das wirklich passiert ist. So versucht man dann irgendwie mit umzugehen. Zumal man selbst vermutlich auch nicht weiß ob mehr vorgefallen ist. Ich stelle mir eine solche Situation extrem schlimm vor. Das Schlimmste daran ist aber, dass die Schuld bei sich gesucht wird und man dem Partner leider erst recht nichts sagt. Da man auch nicht davon ausgeht, dass er einem glauben wird. Diese Annahme wird darauf gestützt, dass man sich selbst als alleinigen Schuldigen wahrnimmt.
Auch das sie über dich her gefallen ist, kann mit ein Anzeichen dafür sein, dass etwas unfreiwilliges zuvor passiert ist. Das wäre dann eine Handlung die versucht, dieses negative, eklige aufkommende Gefühl mit einem rein positiven zu kompensieren. Außerdem bist du der Mensch der ihr Geborgenheit und Sicherheit gibt. Wenn sie sich benutzt vorkam, ist es nicht auszuschließen, dass sie um so mehr deine Nähe im Anschluss gebraucht hat.
Wobei das natürlich alles nicht so sein muss. Ich finde nur die Aussage deiner Freundin in Kombination der Aussage der besagten Kollegin, dass deine Freundin nicht mal mehr sich selbst ausziehen konnte, recht merkwürdig.