Hallo,
ich weiß, dieser Text ist schrecklich lang, aber ich würde mich wahnsinnig freuen, die eine oder andere Meinung zu hören.
Ich muss mir irgendwie den gesamten Ballast, der sich angestaut hat von der Seele schreiben. Ich habe das Gefühl, dass mir keiner aus meinem Freundeskreis angemessene Ratschläge geben kann, da sie zu voreingenommen sind, daher schreibe ich hier.
Ich bin seit 3,5 Jahren mit meinem Freund zusammen. Wir waren überglücklich, er war meine erste große ernste Liebe, ich wollte mein Leben mit ihm verbringen und habe mir selber geschworen immer, egal was auch passieren mag, zu ihm zu stehen.
Ziemlich am Anfang unserer Beziehung wurde bei seiner jungen wunderschönen Mutter ALS diagnostiziert. Anfangs konnte die Familie damit verhältnismäßig gut umgehen - die Hoffnung, dass der Verlauf nicht allzu beschwerlich wird bestand doch die Zeit belehrte uns eines Besseren: nach kurzer Zeit konnte seine Mutter nicht mehr sprechen, bald nicht mehr laufen, nach kurzer Zeit war sie völlig gelähmt und hatte große Schmerzen. Für meinen Freund, der bis dahin ein in Watte gepacktes Leben führte, war diese Situation unerträglich. Seine Mutter war seine wichtigste Bezugsperson, sie war immer für ihn da, ihre Bindung war außergewöhnlich eng und vertraut. Und hinzu kommt, dass er noch nie in seinem behüteten Leben Schwierigkeiten zu bewältigen hatte, er hat noch nie erfolgreich eine Hürde genommen. Daher flüchtete er sich in exzessiven Alkohol und Marihuana Konsum.
Ich war die einzige Person, mit der er über diese schrecklichen Probleme redete, seine Freunde wussten nicht einmal von dem vollen Ausmaß der Krankheit der Mutter, und über seine eigenen Gefühle, den Stress, die immer stärker werdende Gereiztheit innerhalb der Familie, die gegenseitigen Schuldzuweisungen und alle anderen Nebenbedingungen.
Daher ermutigten sie ihn auch immer häufiger zu Konsum von Rauschmitteln, und mein Freund verdrängte all seine Probleme. Er begann zwar einen Psychotherapeuten zu besuchen, allerdings nicht häufiger als einmal in zwei Wochen, und verschwieg diesem auch, dass er Drogen nahm und vermutlich auch viele andere essentielle Dinge.
Vor fast zwei Jahren starb dann seine Mutter. Es war ein erwarteter Schock, fast eine Befreiung, sie hatte in letzter Zeit unglaublich gelitten. Für meinen Freund begann jedoch natürlich jetzt eine noch dunklere Phase. Er konnte nur begrenzt über sie sprechen, teilte sich ausschließlich mir mit, verschwieg mir jedoch, dass er in jeder freien Sekunde zum Joint griff um alles zu verdrängen.
Erst ein halbes Jahr später fand ich im Urlaub mit ihm und gemeinsamen Freunden das Ausmaß seines Drogenkonsums heraus. Er war mehr als zwei Jahre lang vollkommen weggedröhnt, ignorierte die gesamte Welt, dachte über nichts nach. Die Uni litt schrecklich, er nahm sich eine Auszeit, aber bei seinem Dualen Studium war das Verständnis der Uni sehr begrenzt. Zusammen lernten wir für seine Klausuren, schrieben in 72 schlaflosen Stunden seine Studienarbeiten für die er eigentlich mehrere Monate Zeit hatte und schafften es zusammen, ihn halbwegs erfolgreich durch sein Studium zu schaukeln. Alleine schaffte er gar nichts mehr. Er war psychisch völlig blockiert, sah als einzigen Fluchtweg seine Drogen. Ich fühlte mich hilflos, wollte aber alles Erdenkliche tun, damit es ihm besser ging. Ich hatte den Eindruck, dass unsere stundenlangen Gespräche ihm wirklich halfen und er immer wieder aufs neue einen Funken Hoffnung fand doch sobald ich weg war ihn auch immer wieder verlor.
Mein Leben lief auch nicht optimal. Als wir uns kennenlernten war ich depressiv. Nun steckte ich in einem Studium, dass ich hasste, hatte gewaltige Probleme mit meiner paranoiden Mutter und fühlte mich schrecklich einsam. Aber für ihn musste ich immer Stärke bewahren, ihm Mut zureden, ihn unterstützen, ach was! fast schon durch das Leben tragen. Ich war völlig überfordert. Ihm gegenüber die Stütze, die Verkörperlichung des Positiven - alleine zu Hause ein Haufen Elend. Ich vernachlässigte meine Freundschaften, wollte für meinen Freund da sein.
Doch je mehr Zeit verging und je mehr er weiterhin seine Probleme verdrängte, in tiefstem Selbstmitleid zerfloss, desto mehr stauten sich in mir Aggressionen ihm gegenüber auf. Er ließ sich völlig gehen, seine Wohnung war ein stinkender Müllhaufen, er nahm auf mehr als 110kg zu. Meine Leidenschaft ihm gegenüber ließ nach. Ich machte ihm heimlich den Vorwurf, sich nicht ausreichend anzustrengen, in Selbstmitleid zu versinken. Ich hatte nicht mehr die Kraft unser beider Leben zu dirigieren und habe mit vorgenommen, in einer passenden Situation unsere Beziehung zu beenden. Allerdings hatte ich Angst, dass er dann noch tiefer abstürzt, sofern das überhaupt noch möglich wäre. Oder sich im schlimmsten Falle etwas antut.
Es war Winter, ich versank in einer Depression, versteckte mich wochenlang zu Hause. Meine Freunde rieten mir, es zu beenden, selbst meine Mutter, die nur einen Bruchteil der Geschichte kennt, wollte dass wir uns trennen. Aber ich konnte ihn nicht alleine lassen, ihn fallen lassen. Ich hatte mir geschworen immer für ihn da zu sein. Ich liebte ihn aus tiefstem Herzen, allerdings entwickelte es sich zu einer platonischen Liebe. Dennoch wusste ich, es könne so nicht weitergehen.
Und wie das Schicksal es so will, verreiste er für eine Woche mit seinem Vater. Ich konnte Abstand nehmen und alles reflektieren und ich war mir sicher, dass es enden muss, wusste nur nicht wie, damit nichts Schlimmes passiert. Als er aber nach einer Woche wiederkam und mich mit strahlenden Augen in die Arme schloss und mir mitteilte, dass er nie wieder kiffen wird und eigenständig zu dem Entschluss gekommen ist, sein Leben in den Griff zu bekommen, fiel mir ein Mount Everest vom Herzen. Ich war so überglücklich, wollte einen Neuanfang, wollte mit ihm glücklich werden.
Aber es gelang nicht so recht. Die Kluft zwischen uns, sei seine neuerdings fehlende körperliche Anziehung auf mich oder unsere Reizbarkeit was kleinste charakterliche Fehler des anderen anbelangte, ist in dem verkifften Jahr zu tief geworden. Ich war ein neuer, selbstständiger Mensch, die Verliebtheit war völlig weg und das traf ihn tief als er aus seinem Koma erwachte und mich zum ersten Mal mit klarem Verstand betrachtete. Er kam damit nicht klar, erwartete dass alles so wie früher ist, aber solche Ereignisse kann man nicht revidieren. Er kam wieder nicht klar und wurde rückfällig, was er mir jedoch verschwieg. Ich hatte wenig Hoffnung die Beziehung glücklich zu retten, wollte ihn aber auch nicht im Stich lassen, doch musste mich auch sehr dringend um mich selber kümmern.
Eineinhalb Jahre nach dem Tod und ein halbes Jahr nach seinem ersten Versuch auf Drogen zu verzichten, nahm ich mir vor MEIN Leben zu genießen. Das war der allererste egoistische Gedanke meines Lebens. Immer habe ich mich mehr um Andere gekümmert, als um mich selbst. Immer alles gegeben, wenn es jemand brauchte, da ich der Meinung war, stark genug zu sein, diese Bürde zu tragen, Hauptsache meinen Lieben geht es besser. Doch nun erwachte ich aus meiner Depression, packte all die Düsterheit in einen Sack und versteckte ihn ganz ganz tief unter der Erde. Ich rief wieder all meine Freunde an, unternahm fast jeden Tag etwas, genoss den Frühling, die Menschen, das Leben, die Sonne. Ich weiß nicht wie ich es geschafft habe, ich habe aber einfach einen Schalter umgelegt und meine Grundeinstellung von Grund auf geändert, mich selber therapiert. Und ich hoffte dass ich meinen Freund mitreißen kann.
Doch dann begegnete ich dem Teufel in Menschengestalt. Ich lernte ihn auf einer Party kennen, fand ihn sofort optisch attraktiv. Als mich meine Freundin vor ihm warnte, dass er weder Maß noch Gewissen kennt, war es mir egal, ich würde ja niemals etwas tun, könnte meinen Freund niemals verletzen. Wir haben so häufig über Untreue gesprochen, in unserem Freundeskreis gab es immer wieder mal eher harmlose Fälle, doch seine Reaktion selbst auf einen Kuss einer Exfreundin eines guten Kumpels mit einem unserer Freunde, als die Beziehung von ihr und unserem Kumpel schon längst vorbei war, gab mir eine Aussicht darüber, was ein Seitensprung für Konsequenzen hätte. Somit und natürlich auch meinen moralischen Vorstellungen nach stand für mich fest, dass sowas niemals in Frage kommen würde.
Aber dieser Typ er flüsterte mir meinen moralischen Verfall zu. Er inspirierte mich, er hatte ähnliche Interessen wie ich, er war so selbstbewusst und erzählte mir von Genuss und der Schönheit des Lebens. Er spielte mit offenen Karten, sagte mir dass er mich will, aber dass er keine Beziehung will. Er traf genau den Nerv bei mir, der meinen aktuellen Wünschen entsprach. Das Leben genießen, die Probleme hinter sich lassen. Leidenschaft Alles was in meiner Beziehung fehlte. Aber ich wollte stark bleiben, ließ ihn nicht ran, obwohl ich mehrfach seine Gesellschaft und Gespräche genoss. Ich sorgte dafür dass wir uns nie alleine begegneten, hatte Angst, dass ich schwach werden würde.
Zur gleichen Zeit, gestand mir ein Freund seine Liebe. Ich hatte mich wohl einmal zu häufig über meine Beziehung bei ihm beschwert und er hatte Hoffnung geschöpft. Ich war noch nicht lange mit ihm befreundet, er kannte niemanden meiner Freunde, kam aus einer anderen Stadt, doch er erzählte mir all seine Probleme und daher erzählte ich ihm auch von meinen. Doch er wurde immer aufdringlicher, beschwerte sich, wenn wir mal zwei Tage lang nicht telefonierten, schrieb mir jeden Tag Milliarden Nachrichten und klammerte sich an mich, da er sonst niemanden hatte. Er drängte sich nun immer dazu, wenn ich etwas mit Freunden unternahm und lernte langsam alle kennen. Normalerweise versuche ich meine verschiedenen Freundeskreise auseinander zu halten, aber er zwängte sich überall mit rein, infiltrierte mein Leben. Ich beschuf ihm sogar eine Unterkunft bei einer Freundin, hatte Mitleid mit ihm, wollte wie immer helfen Dann waren wir zusammen weg. Der Teufelstyp war auch anwesend, ich wollte ihn ignorieren, fand ihn aber schrecklich attraktiv. Also habe ich mir die Kante gegeben und leider eindeutig zu tief ins Glas geschaut. Auf andere Art und Weise kann ich es mir nicht erklären, was passiert ist. Mitleid, Alkohol, Sehnsucht nach Romantik und die inspirierenden Worte führten dazu dass ich dann einen Kussversuch des verliebten Freundes nicht abwehrte.
Ich war verzweifelt und elend. Mein Freund durfte das nie erfahren. Gleichzeitig merkte ich, wie sich etwas in mir verhärtete. Noch nie war ich egoistisch, aber vielleicht sollte ich es werden? Selbstverständlich war der Teufelstyp der denkbar schlechteste Therapeut, aber er linderte mein schlechtes Gewissen, säte Zweifel an meiner Liebe zu meinem Freund. Was ist eine Beziehung schon wert, wenn man so leichtfertig einen Fehler machen kann? Was ist überhaupt schon Liebe? Liebst du ihn? Willst du dein Leben mit ihm verbringen? Fragen die ich in der Situation nicht beantworten konnte. Aber mit meinem Gewissen konnte ich auch nicht umgehen ohne völlig zu verzweifeln, deswegen packte ich es in den Sack mit all den anderen Problemen und ignorierte es und lachte weiter wie bisher. Ich frage mich wie ich meinem Freund in die Augen sehen konnte. Aber anscheinend bin ich zu viel mehr fähig als ich jemals gedacht hätte
Ich täuschte gute Laune vor, täuschte mich selber. Ich dachte ich komme klar, aber ich hatte bereits den dunklen Pfad gewählt. Ich hätte spätestens da Schluss machen sollen, aber die traurigen Augen meines Freundes hielten mich ab. Wir führten lange Gespräche, überlegten ob unsere Beziehung ohne Leidenschaft Sinn macht, ich meinte, ich wisse es nicht. Ich hatte die Gelegenheit es zu beenden, hätte ich gesagt, dass ich keinen Sinn sehe. Aber ich tat es nicht. Ich liebte ihn wenn ich alleine mit ihm war, ich wollte ihm alles geben, ihm helfen, ihm das Leuchten zurück in die Augen zaubern. Und es gelang mir auch, nach diesen Gesprächen schöpfte er immer wieder Hoffnung. Glücklich waren aber weder er noch ich in der Beziehung, obwohl wir immer wieder schöne Momente hatten. Er litt unter dem fehlenden körperlichen Kontakt. Für einen Mann und erst recht für einen so stolzen wie ihn, muss das schrecklich sein und ich hatte auch immer wieder ein schlechtes Gewissen, wollte es ändern, wollte mich ihm wieder hingeben können. Nach jedem Gespräch wollte ich unsere Beziehung retten, nach jedem Treffen mit meinen Freunden sie beenden. Der Kontrast zwischen meinem kaputtem Freund und dem Teufelstyp war zu stark und so dauerte es nicht lange bis es kam wie es kommen musste. Er hat jedes Mal wenn wir uns gesehen haben, versucht mich rumzukriegen und nun nach meiner Abhärtung durch den anderen unfreiwilligen Kuss schaffte er es. Wir küssten uns, ich konnte es nicht genießen, murmelte die ganze Zeit nein nein aber es half nicht, ich hatte mich nicht unter Kontrolle, wollte mich fallenlassen, mich leiten lassen, hatte keine Kraft mehr eigene Entscheidungen zu treffen. Jedes Mal wenn wir uns trafen, küssten wir uns heimlich. Ich gewöhnte mich daran, gewöhnte mich mein Gewissen unter Kontrolle zu halten.
Ich fand aber immer wieder neue Ausreden, meine Beziehung nicht zu beenden. Liebte ich ihn oder hatte ich Angst vor der kalten harten Welt ohne ihn? Es ist nicht mein Stil, mein Bett mit Fremden zu teilen, aber gleichzeitig sehnte ich mich nach der Freiheit eines Singles und der Bestätigung durch Männer. Ich wollte mich trennen oder wollte ich es doch nicht? Jedes mal wenn ich an ein Leben ohne ihn dachte, erschlug es mich, ich kann es mir nicht vorstellen ihn aus meinem Leben zu verlieren. Er ist so ein gewaltiger Teil von mir - wo auf dieser schrecklichen Welt könnte ich wieder jemanden wie ihn finden? Jemals wieder so ein tiefes Verständnis, Vertrauen zu jemandem haben? Er stand kurz vor seinem Studienabschluss, ich bildete mir ein, eine Trennung würde ihn aus der Bahn werfen und er würde seinen Bachelor nicht schaffen, ich müsste warten.
Aber dem Teufelskerl konnte ich fortan auch nicht mehr wiederstehen. Welchen Unterschied macht es ob es zweimal oder fünfmal passiert, flüsterte er mir zu. Und welchen Unterschied gibt es zwischen einem leidenschaftlichem Kuss und Sex? Ich wusste was er bezwecken wollte, ich wehrte die auch einige Male erfolgreich ab, doch dann waren wir per Zufall zusammen auf einem Festival, ohne meinen Freund, der lernen musste. Er war das Fusionfestival, eine märchenhafte Parallelwelt. Fantastisch, surreal und betörend. Ich schlief mit ihm, genoss diese Nacht mit allen Sinnen. Hatte nichts mehr unter Kontrolle, ich kam mir vor wie ein Beobachter meines eigenen Lebens.
Und irgendwie machte es für mich wirklich keinen Unterschied. Ich war es fast schon gewohnt, mein Gewissen zu kontrollieren, meinen Freund zu belügen. Ich wusste aber auch dass es so nicht weitergehen kann, es ist nicht mein Stil. Und gefühlsloser wiederholter Sex erst recht nicht. Entweder ich liebe Jemanden und möchte diese Leidenschaft mit ihm teilen, oder ich habe keinerlei Gefühle für ihn und schlafe eventuell aus sexuellen Trieben mit ihm, will ihn dann aber nie wieder sehen. Der Teufelstyp gab mir lediglich die Bestätigung, die ich brauchte, mehr nicht. Ich wollte ihn nie wieder sehen.
Am Montag war der Abgabetermin der Bachelorarbeit meines Freundes. Schon seit Monaten saß er daran, wenn ich ihn fragte wie es läuft, meinte er es geht. Er berichtete mir im Grunde gar nicht davon, wenn ich versuchte nachzuhaken, war er genervt. Ich wusste genau, dass er nicht so weit ist, wie er sein sollte, aber wieder konnte ich das Ausmaß des Grauens nicht mal ansatzweise erahnen. Als ich ihn überraschend genau eine Woche vor Abgabe besuchte, hatte er genau eine Seite geschrieben, Null Quellen durchgearbeitet, drei Stichpunkte verfasst, doch auf seinem Schreibtisch stand eine Bong.
Ich wollte ich am liebsten in Stücke reißen, das ist seine ABSCHLUSSarbeit und er kann sich nicht zusammenreißen und endlich mal etwas zustandebringen. Hätte er wenigstens eine weitere Woche vorher eingestanden, dass er eine Blockade hat und noch gar nichts gemacht hat!
Also zog ich für eine Woche bei ihm ein. Ich musste mit einer ausgewogenen Mischung aus Kritik, Motivation, Optimismus und Trost sowie Verständnis ihm gegenüber auftreten und schaffte es jeden Tag aufs Neue seine Blockaden zu lösen. Zusammen arbeiteten wir alle Quellen durch, ich musste ihm fast jeden Schritt, sowie du schreibst jetzt diesen Stichpunkt auf diktieren, er war völlig hilflos, brach zwischendurch immer zusammen, aber ich konnte ihn dann doch immer wieder mitreißen. Schließlich gaben wir nach sechs schlaflosen Tagen und Nächsten seine Bachelorarbeit ab. Wir hatten es geschafft.
So seltsam es klingt, so sehr ich ihm gegenüber Wut in dieser Woche aufbaute, da er sich nicht einfach mal wenn es nun wirklich kritisch ist zusammenreißen kann, so entwickelte ich dennoch in dieser Woche eine noch tiefere Zuneigung ihm gegenüber. Er braucht mich. Er hätte es nicht ohne mich geschafft. Ich beschloss, alles Negative hinter mir zu lassen. Ich beschloss, für mich einen Neuanfang zu machen, ihn so zu behandeln, als wäre es mein neuer Freund, zu versuchen, wieder eine Verliebtheit aufzubauen, ihm alles zu geben was er will und auch mir von ihm zu nehmen was ich brauche, Romantik, Unterstützung. Ich wollte ihn von nun auf immer mitnehmen, wenn ich mit Freunden weggehe, meine Erlebnisse mit ihm teilen, mein Leben zusammen mit ihm zu genießen.
Doch dann folgte der verdiente Knall. Am Tag nach der Abgabe nahm ich ihn zu einem Konzert mit, der verliebte Freund von mir war auch dabei. Mein Freund kannte ihn und auch die Geschichte, bloß den Kuss hatte ich in der Version ausgelassen. Wir waren alle betrunken, ich habe nur gesehen, wie die beiden stundenlang draußen zusammensaßen und sich unterhielten. Jetzt weiß ich, dass der Kerl meinem Freund alles verraten hat. Und er wusste auch von mir und dem Teufelstypen. Ich weiß nicht ob ich erleichtert sein soll, dass das Lügen ein Ende hat. Ich weiß, was ich für schreckliche Dinge getan habe, allerdings weiß ich auch, dass ich meinen Freund niemals verletzen wollte. Ich wollte es hinter mir lassen, er sollte es nie erfahren, er wird nie wieder jemandem vertrauen können.
Er wollte mich am nächsten Tag zurecht nicht sprechen, ich hatte keine Gelegenheit meine Beweggründe zu erklären oder mich ansatzweise zu entschuldigen. Er meinte nur, er hätte mir alles verziehen, nur das nicht. Ich bin seltsam ruhig, fühle mich immer noch als Beobachter meines Lebens. Was ist nur los mit mir?! Was soll ich machen? Ich kann es nicht ertragen, ihn zu verlieren, aber ich hätte wohl vorher darüber nachdenken sollen. Was ist bloß los mit mir?