Die Antwort ist recht einfach, die Begründung aber komplizierter.
Da ich zu diesem ganzen HPV-Hype jetzt langsam genug Unsinn gelesen habe, schreib ich Dir mal ausführlich, vielleicht interessiert es ja noch andere.
Zunächst zu Deiner Erleichterung: Nein, Oralverkehr in einer bestehenden Partnerschaft führt nicht zur Erhöhung des Krebsrisikos im Mundraum, im Genitalbereich oder anderswo! (auch wenn das ein paar von den ultrakonservativen Christen in den USA, die wahrscheinlich diese Metastudie mitfinanziert haben, sicher gefallen würde;-) Aber das sind die gleichen Spinner, die ihren Kindern erzählen, vom onanieren wird man blind.)
Also, zunächst ist es keine Studie, sondern eine Metastudie. Das heißt, man nimmt die Daten von verschiedenen Studien und analysiert sie, um eine größere Gesamtgruppe untersuchen zu können (Hab ich auch schon gemacht, bin von Haus aus Immunologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Uni). Die Datenerhebung über eine Metastudie ist grundsätzlich kein schlechtes Vorgehen (man spart es sich, die ganzen Leute selbst zu befragen), nur war es im Fall dieser Studie so, dass die 29 Studien, die benutzt wurden, größtenteils schlicht und ergreifend vollkommen andere Fragestellungen untersucht haben und einfach ein paar Daten für HPV mit erhoben haben. Sowas passiert häufiger, dass man Teile der erhobenen Daten später für andere Fragestellungen nutzt, denn wenn sich ein Doktorand die Zeit sparen kann, selbst 1000 Leute zu befragen, macht er das;-)
Das Problem bei dieser Herangehensweise ist Folgendes: Du willst als Forscher eigentlich was ganz anderes untersuchen, z.B. das allgemeine Sexualverhalten oder Risiko für Geschlechtskrankheiten verschiedener Bevölkerungsgruppen (Vergleiche zwischen Weißen und Schwarzen, Vergleiche zwischen in einer monogamen Beziehung lebenden Menschen und Menschen mit oft wechselnden Geschlechtspartnern, Vergleiche von Rauchern und Nichtrauchern, Trinkern und Nichttrinkern, von Menschen, die aufgrund anderer Faktoren ein erhöhtes Risiko für etwas haben und so weiter und so weiter). Und weil du schonmal dabei bist, machst du halt möglichst viele verschiedene Fragen auf den Fragebogen.
Laut einer von den Studien war übrigens das Risiko von Menschen, die null Sexpartner haben, sich mit HPV anzustecken, mit 1,2% höher als das Risiko von Menschen, die nur mit einem einzigen Partner sexuell aktiv waren (1,1%). Das zeigt dann auch ein weiteres Problem: Die liebe Statistik.
Aber zurück zu den größeren Problemen: Bei der Mehrzahl der Studien wurde das HPV-Krebs-Risiko mit anderen Faktoren zusammen erhoben. Das ist eigentlich ziemlich fragwürdig, weil wir ja wissen, dass es krasse und bekannte Risikofaktoren gibt, die auf jeden Fall die zu Krebs führen können. Ganz konkret untersuchen nämlich die meisten der Studien, wie sich Rauch-, Alkohol- und Suchtverhalten (gekoppelt an die Höhe der Sexualpartner) aufs Krebsrisiko auswirken. HPV ist also nur eine der Ursachen, die da auch mit erhoben wurden! Jetzt kann ich aber nicht hergehen und sagen, von den Befragten haben soundso viele Krebs wegen HPV bekommen. Tatsächlich haben diejenigen das mit Abstand höchste Risiko, Krebs zu bekommen, die Zigarette oder Marihuana rauchen. Ist ja auch kein Wunder bei dem Giftcocktail, den die sich reinziehen!
Aber jetzt zu HPV: es gibt, je nachdem, welchen Immunologen du fragst, so ca. 150 – 170 verschiedene Arten von HPV. HPV ist aber kein Retrovirus wie HIV, das sich selbst ständig verändert. Es gibt halt nur viele verschiedene Stämme. Wenn Du in ner monogamen Beziehung lebst (und ich geh jetzt mal davon aus, dass ihr schon ungeschützten Sex hattet oder euch zumindest küsst;-), dann habt ihr eure HPV-Stämme schon ausgetauscht. Ihr kriegt aber keine neuen dazu und die vermehren sich auch nicht davon, dass er dich oral befriedigt oder du ihn oder dass ihr euch weiterhin küsst (LOL)!
Von den ganzen Stämmen ist aber nur bei zwei nachgewiesen, dass sie Gebärmutterhalskrebs verursachen können (Stamm 16 & 18). Die meisten können Warzen verursachen (müssen aber nicht) ;-) Für den Mundraum sind die Korrelationen so gering, dass es quasi wie ein sechser im Lotto wäre, wenn Du als gesunder Nichtraucher, Nicht-Alkoholiker, Nicht-Drogensüchtiger in einer monogamen Beziehung durch HPV Krebs im Mundraum bekämst. Das geht nicht. Und nochmal: Die Viren vermehren sich auch nicht, weil ihr euch küsst oder befriedigt. Die vermehren sich dann, wenn euer Immunsystem gerade schwach ist (wenn ihr also krank seid) – deshalb gibt es dann auch bei einigen Leuten das andere „normale“ HPV-Symptom: Herpes. Zu eurer weiteren Beruhigung: ca. 80 – 90% der Menschheit trägt HPV in sich. Wenn das so tödlich wäre, hätte sich unsere Lebenserwartung in den letzten 100 Jahren nicht so stark erhöht;-)
Übrigens: Männer haben eine ca. 6 mal höhere Chance, sich mit HPV zu infizieren als Frauen. Das ist aber kein Argument für IHN in eurer monogamen Beziehung, sich darum zu drücken, Dich mit dem Mund zu befriedigen;-) Wichtig ist nämlich auch, unter welchen Umständen das möglich ist: Bei Männern steigt das Risiko in den ausgewerteten Studien ab einer Anzahl von mehr als 15 Sexualpartnerinnen plus starker Raucher/Konsument von Marihuana deutlich an, HPV zu bekommen. Macht ja auch Sinn, denn wenn Menschen mit vielen verschiedenen Menschen schlafen, die wiederum mit vielen verschiedenen Menschen schlafen, und die dann auch noch Drogen nehmen, die das Immunsystem schwächen, steigt die Chance, sich etwas einzufangen – wie bei jeder anderen Infektion oder Geschlechtskrankheit auch.
Fazit: Küsst Euch leidenschaftlich weiter und genießt den Oralsex (beide!) – ihr habt wirklich nix zu befürchten:-)
LG Linda
Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-priority:99; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin-top:0cm; mso-para-margin-right:0cm; mso-para-margin-bottom:8.0pt; mso-para-margin-left:0cm; line-height:107%; mso-pagination:widow-orphan; font-size:11.0pt; font-family:"Calibri",sans-serif; mso-ascii-font-family:Calibri; mso-ascii-theme-font:minor-latin; mso-hansi-font-family:Calibri; mso-hansi-theme-font:minor-latin; mso-bidi-font-family:"Times New Roman"; mso-bidi-theme-font:minor-bidi; mso-fareast-language:EN-US;}