Hallo zusammen,
ich habe hier oft mitgelesen und mich heute dazu entschlossen, mich anzumelden, um selbst um Rat zu fragen.
Zur Zeit bin ich sehr unsicher, ob meine Beziehung so noch einen Sinn hat. Natürlich spreche ich mit meinem Freund über Probleme, aber generelle Zweifel an unserer Beziehung habe ich noch nicht angesprochen, um ihn nicht zu verletzen. Ich möchte mir erst sicher sein, ob diese Zweifel gerechtfertigt sind und unsere Beziehung so stark gefährden, wie ich das momentan empfinde.
Ich spreche auch mit meinen Eltern und Freunden über bestimmte Problematiken, wobei ich gemerkt habe, dass ich mich dadurch 1. fürchterlich reinsteigere und 2. das Gefühl habe, meinem Freund damit Unrecht zu tun, weil ich ihn ja bei Personen, die ihn kennen "anschwärze". Deswegen spreche ich nicht mehr mit Eltern oder Freunden darüber, aber es bedrückt mich weiterhin. Ich hoffe, hier kann mir jemand mit einem objektiven Blick helfen, meine Situation besser einzuschätzen.
Mein Freund ist Ende 20, ich Mitte 20, wir kennen uns seit 13 Monaten und sind seit 11 Monaten zusammen. Kennengelernt haben wir uns im gemeinsamen Heimatort, dann sind wir zeitgleich weggezogen (er zu seiner ersten Arbeitsstelle, ich an meinen neuen Studienort), sodass wir seit Beginn unserer Beziehung eine Fernbeziehung über fast 800 km führen. Dafür sehen wir uns aber ziemlich regelmäßig, zu Beginn fast jedes Wochenende, mittlerweile mindestens alle 2 Wochen (in Ausnahmefällen mal alle 3 Wochen), in den Ferien auch mal 2-4 Wochen am Stück. Wir sind auch regelmäßig gemeinsam in unserem Heimatort, haben Feiertage zusammen verbracht, kennen jeweils Familie und Freunde. An "normalen" Wochenenden verbringen wir aber vorwiegend Zeit zu zweit, richtig gemeinsame Freunde haben wir eigentlich nicht.
Es gibt ein paar Punkte, die mich immer wieder umtreiben. Okay, leider bin ich eh ein Mensch, der sich immer über alles Gedanken macht, das kann ich einfach nicht abstellen. Aber die Beziehung, wie ich sie derzeit erlebe, passt nicht in meine Vorstellung von einer zufriedenen Beziehung. Als ich noch Single war, war sowas eine Horrorvorstellung für mich, lieber ganz alleine, als unglücklich zusammen, dachte ich damals. Aber jetzt hängt soviel daran - ich habe Gefühle für meinen Freund, auch wenn ich diese halt nicht immer erkenne. Es gibt durchaus Momente, in denen ich glücklich mit ihm bin. Leider werden sie nur seltener und mich beschleicht das Gefühl, ich habe mich nicht in IHN, sondern in meine Vorstellung von ihm verliebt.
Ich möchte kurz aufzählen, welche Punkte mich zum zweifeln bringen, ob wir zusammenpassen und ob unsere Beziehung überhaupt eine Zukunft hat:
- Ich kann mir nicht vorstellen, zu ihm zu ziehen. Meinen neuen Studienort habe ich bewusst in der Nähe meines Heimatortes gewählt, um mehr Zeit mit meiner Familie, insbesondere meinen alten Eltern (Vater krebskrank) zu verbringen. Ich möchte in den nächsten Jahren nicht 800 km weit weg wohnen von Ihnen.
- Mein Freund möchte nicht in nächster Zukunft zumindest nicht unbedingt in unserem Heimatort leben. Er ist Einzelkind, die Eltern leben getrennt (haben aber ein geschwisterliches Verhältnis zueinander) und seine Mutter ist ziemlich bevormundend. Ich bin deswegen auch schon mit ihr aneinandergeraten und seit diesem lauten Streit um eine Banalität, in dem seine Mutter angefangen hat zu weinen und uns Vorwürfe zu machen, bis ich eingelenkt bin und sie ihren Willen bekommen hat, ist die Beziehung zwischen seiner Mutter und mir belastet. Außerdem sehe ich auch in der Beziehung zu meinem Freund viele Probleme seitdem. (Er sagt selbst, dass ich seitdem viel mecker). Ich möchte den Kontakt zu seiner Mutter seither möglichst gering halten, sie tut so, als wäre nichts gewesen und ist weiterhin irgendwie einnehmend. (regelmäßige WhatsApp-Nachrichten und Anrufe an mich; wenn wir im Heimatort sind, ist sie gefühlt ständig bei uns, auch wenn was anderes ausgemacht wurde, z.B. dass wir uns bei ihr melden. Ist ihr egal, sie kommt einfach frühmorgens vorbei, schreibt MIR. dass sie jetzt da ist und mit dem Frühstück auf uns wartet). Mein Freund und sie streiten oft wegen Kleinigkeiten, weil sie sich halt überall einmischt. Er sagte einmal, dass ihm die Distanz zu seiner Mutter wichtiger wäre, als die Nähe zu mir. Aber ihr sagen, dass sie zu weit geht, möchte er nicht. Sie wäre ja auch nicht mehr die jüngste und wozu noch einen Streit anzetteln, meint er dazu.
Ich dachte, es wäre eine Lösung, wenn wir uns einfach nicht mehr im Heimatort sehen. Aber da mein Vater sehr krank ist, ist es mir wichtig, auch ihn regelmäßig zu sehen und nicht jedes Wochenende nur mit meinem Freund zu verbringen.
- Wir haben oft politische Diskussionen. Einerseits finde ich gut, dass wir solche Themen haben und nicht nur so eine oberflächliche Wochenend-Ausflugs-Beziehung führen, andererseits komme ich mit seiner Meinung überhaupt nicht klar. Mein Freund hat aufgrund einiger unglücklicher Begegnungen ein persönliches Problem mit Flüchtlingen und denkt daher, er müsse jetzt die AFD wählen. Da ich die blinde, konsequente Ablehnung bestimmter Parteien auch ablehne, habe ich mich mit dem Parteiprogramm beschäftigt. Ich war schon soweit, dass ich es akzeptieren wollte. Da hat mein Freund sinngemäß gemeint, er würde auch die NPD wählen, aber die hätten ja eh keine Chance. Für mich absolutes Nogo. Ich selbst würde auch niemals die AFD wählen. Ich habe auch kein Verständnis dafür, ganze Gruppen über einen Kamm zu scheren, das ist mir zuwider.
- Wir waren jetzt im Urlaub. 1 Woche alleine, das war sehr schön. Und eine Woche mit einem alten Studienfreund von mir und weiteren Bekannten von ihm. Ich hatte schon Angst, dass eine politische Diskussion entsteht, das war aber zum Glück nie Thema. Wäre auch schlimm ausgegangen... Trotzdem war mir mein Freund unangenehm. Wir haben Sport gemacht und er hat sich recht tapsig verhalten, obwohl er - im Gegensatz zu den meisten - bereits Erfahrung mit dieser Sportart hatte. Beim gemütlichen Zusammensitzen abends hat er durch seine langsame Art Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die ironischen Bemerkungen der anderen hat er nicht einmal bemerkt.
- Mein Freund wirkt schüchtern, hat aber sexuell sehr starke Bedürfnisse, die ich am Anfang so nicht gemerkt habe. Er steht auf Swingerclubs, Sex mit Fremden und vor allem viel Sex. Ich war bereits zweimal mit ihm in so einem Club, aber habe nur was mit ihm gehabt, einfach, weil mich das alles nicht so angesprochen hat. Grundsätzlich finde ich es schon natürlich, noch mit anderen Personen schlafen zu wollen, aber Swingerclubs sind wahrscheinlich nicht meine Welt. Im Urlaub hatte ich übrigens ne Blasenentzündung und konnte deswegen nicht. Auf der Heimfahrt hat mir mein Freund dann gesagt, dass er gerne das andere Mädchen, das mit war, gefragt hätte, ob er sie stattdessen knallen könnte. Bzw. hat er überlegt, mich zu fragen, ob er sie fragen kann. Für mich war das mega komisch, weil das Verhältnis zu den anderen einfach freundschaftlich war und für mich da nichts sexuelles dazwischen passt. Die Aussage hat mich irgendwie getroffen. Auch weil ich mir denke, dass ich dann ja immer Angst haben muss, dass mein Freund zu anderen Frauen geht, wenn ich gerade "unpässlich" bin. :(
Vor zehn Monaten dachte ich noch "wow, das wird der Vater meiner Kinder!" und jetzt bin ich so am Zweifeln, dass ich mich wirklich frage, ob nicht eine Trennung für uns beide besser wäre. Übertreibe ich? Kann man für diese Punkte Kompromisse finden? Was würdet ihr bloß tun?
Ich hoffe auf Antworten!
Liebe Grüße
fleurence3