Hallo zusammen
Ich weiss, dass ich mich sehr lange fassen werde, aber ich denke, es muss sein. Ich weiss nicht, wer sich die Zeit nehmen wird, das alles auch durchzulesen. Aber ich würde mich wahnsinnig über Feedbacks und Denkanstösse freuen Weiss nicht mehr wo mir der Kopf steht.
Ich (28) habe meinen Freund (28) vor etwas mehr knapp 5 Jahren kennen gelernt. Was anfänglich als eine Affäre begann entwickelte sich langsam zu einer Beziehung. Im Herbst 2003 kamen wir definitiv zusammen und waren seit damals ein Paar.
Es war für uns beide die erste Beziehung. Im Gegensatz zu ihm hatte ich aber im Vorfeld bereits ein paar Männergeschichten gehabt. Jeweils nichts Ernstes. Für ihn war ich die erste Frau überhaupt.
An dieser Stelle muss ich anfügen, dass sich mein Leben bis dahin teils etwas schwierig gestaltet hatte. Ich hatte zwar Eltern die mich mochten, war gut in der Schule und wurde allgemein geschätzt. Dennoch hatte ich sehr grosse Selbstzweifel, einen grossen Erwartungsdruck an mich selber und fühlte mich stets einsam obschon wirklich von lieben Menschen umgeben. Ich entwickelte eine Essstörung, kämpfte mit Depressionen und hasste mich selbst. Diese Umstände haben wohl dazu geführt, dass ich sehr lange erfolglos war bei den Männern. Nichts desto trotz, hatte ich nach meinem 20.Lebensjahr einen gewissen Nachholbedarf. Nicht das ich stolz darauf wäre, aber ich suchte und fand eine gewisse Selbstbestätigung bei vielen unterschiedlichen Männern. Sie hatten eines gemeinsam: Ich lernte sie alle übers Internet kennen.
Wie auch immer. Die Beziehung mit meinem Freund hatte ihre Höhen und Tiefen. Alles in allem ist er jener Typ Mann, der einem jeden Wunsch von den Lippen liest und mich täglich spüren liess, wie sehr er mich liebt. Er ist kein Mann grosser Worte, zeigte mir seine Zuneigung eher durch Taten.
Nichts desto trotz, machte sich meine Essstörung hin und wieder bemerkbar. Ich versuchte oft mit ihm darüber zu reden, merkte aber immer wieder, dass er zwar gerne darüber reden würde, es aber aus irgendeiner Blockade heraus nicht von sich aus schaffte. Generell musste ich im Nachhinein feststellen, dass die Kommunikation zwischen uns im Allgemeinen nicht super lief. Ich redete und redete, während er sich ausschwieg. Versuchte vergeblich, ihn aus der Reserve zu locken. Irgendwie war er nicht fähig zu sprechen. Ich machte mir Gedanken darüber, woran das liegen mochte. In meiner Verzweiflung machte ich ihm deswegen oft Vorwürfe heute weiss ich selber, dass ich ihn damit noch mundtoter gemacht habe
Mit dem Sex wars so eine Sache. Aufgrund meiner fehlenden Selbstliebe fiel es mir schwer, mich fallen zu lassen. Anfänglich bemühte ich mich darum, offen mit ihm über die Sexualität zu reden. Es ist wohl seiner Unerfahrenheit zuzuschreiben, dass er zu schüchtern war, das Thema wirklich zu besprechen geschweige denn, es von sich aus anzuschneiden. Wir hatten immer schon eher wenig Sex und ich hätte zu Beginn der Beziehung nicht geglaubt, dass er noch weniger werden würde. Irgendwann fühlte ich mich von ihm überhaupt nicht mehr angezogen. Ich genoss es zwar, in seinem Armen zu liegen und zu kuscheln. Der Gedanke an Sex wiederum turnte mich regelrecht ab. Kam es doch einmal dazu, heulte ich mir danach die Augen aus. In mir kamen eklige Gefühle hoch, welche ich nicht einzuordnen vermochte. Er wiederum machte sich zwar seine Gedanken, schaffte es aber nicht, das Thema von sich aus anzuschneiden. Ich verschloss mich immer mehr wenn es um sehr persönliche Themen ging bin ansonsten allerdings eher ein extrovertierter Mensch.
Ich machte mir oft Gedanken darüber, inwiefern unsere Beziehung noch normal und unsere Gefühle gegenüber einander noch echt waren. Ich zweifelte daran, dass ich Sex geniessen kann und stellte mir die Frage, ob eine Beziehung ohne Sex denn überhaupt noch eine Beziehung sei. Sex war noch nie was Wichtigste für mich. Es sind andere Faktoren, die wirklich zählen aber Probleme in der Sexualität, so glaube ich zu wissen, sind ein Indiz dafür, dass sonst irgendwas nicht stimm.
Immer öfters ertappte ich mich dabei, wie ich mit andern Männern flirtete. Während meiner gesamten Beziehung habe ich mich jeweils sehr bemüht, meine Freiräume nicht zu verlieren. Mich nicht nur der Beziehung hinzugeben Nun gegen Ende wurde dies noch extremer.
Bis Anfang dieses Jahres war ich ihm treu. Ich weiss nicht, was es war, das mich genau dazu bewegte einen Seitensprung zu machen. Der Reiz nach etwas Neuem? Fehlende Bestätigung durch ihn? Fehlende Gefühle? Ich kann es wirklich nicht richtig einordnen. Habe mich moralisch völlig gegen meine Prinzipien verhalten.
Ich traf mich mit einem Mann aus dem Internet, genoss ein paar schöne Stunden und das Gefühl, auch von einem fremden Mann als attraktiv empfunden zu werden. Ich ging meinem Freund 3 mal fremd ehe ich das Gespräch mit ihm suchte. Meine Seitensprünge beichtete ich ihm nicht, doch wir einigten uns auf eine Beziehungspause von 3 Monaten damit ich mir meiner Gefühle besser bewusst werden konnte. Es war schon extrem: Obschon ich ihm immer und immer wieder gesagt habe (zum Teil unter Tränen und einem halben Nervenzusammenbruch) das mich unsere Beziehung in einigen Punkten alles andere als glücklich macht, kam dieser Entschluss von mir, für ihn wie aus heiterem Himmel.
In diesen 3 Monaten habe ich einige Männer kennen gelernt. Nicht dass ich stolz auf diesen Umstand bin dennoch denke ich, dass ich in diesen Monaten einiges gelernt habe. Ich habe festgestellt, dass ich mich beim Sex durchaus gehen lassen kann ja, ich hatte sogar zum ersten Mal in meinem Leben wirklich guten Sex. Im Gegensatz zu früher, durfte ich feststellen, dass ich durchaus eine attraktive Frau zu sein scheine (mein Freund beteuerte dies immer und immer wieder geglaubt habe ich ihm nie). Wie auch immer, ich habe einiges entdeckt in dieser Zeit und durfte feststellen, dass ich einige Baustellen in meinem Leben scheinbar endlich der Vergangenheit zuschreiben darf.
Erschwerend zur momentanen Situation kommt hinzu, dass ich vor 3 Wochen einen jungen Mann kennen gelernt habe, von dem ich hin und weg bin. Wir sind uns sehr schnell sehr nahe gekommen und ich fühle mich unheimlich zu ihm hingezogen nicht einmal in erster Line körperlich. Er macht einen unheimlich herzlichen Eindruck . Spricht über das was ihn bewegt und wir scheinen einige Gemeinsamkeiten zu haben. Jene Dinge, die ich in meiner Beziehung sehr vermisst habe. Die grosse Sympathie beruht momentan auf Gegenseitigkeit. Mir kommt es vor, als würde sehr vieles passen. Nicht, dass ich diesbezüglich bereits weiter denken würde aber dass ich überhaupt so jemanden habe kennen lernen dürfen, hat mich doch sehr erstaunt.
Von meinem (Ex-) Freund bin ich 100% überzeugt, dass er in diesen 3 Monaten nichts anderes am Laufen hatte
Gestern suchten wir nun zusammen das Gespräch. Nein, falsch: Ich suchte (wie immer) das Gespräch mit ihm. In den letzten Monaten hatte ich festgestellt, dass es einige Punkte gibt, die mich an unserer Beziehung störten das erste Mal schafften wir es, gemeinsam über unsere Vorstellungen einer Beziehung zu sprechen. Hmm. Und das nach über 5 Jahren in denen wir uns nun kannten. Seine Antworten haben mich zu wenig überzeugt und ganz objektiv gesehen, passen wir nicht mehr zusammen.
Sexualität ist ein grosses Thema. Für mich ist Sex in keiner Weise das Wichtigste (!!!) eben so wenig wie für ihn, aber im Endeffekt gehört es ja zu einer Beziehung dazu ich weiss nicht, weshalb mich der Gedanke an Sex mit ihm nach wie vor abturnt. Auch habe ich kein Bedürfnis danach, ihn noch leidenschaftlich zu küssen Unter anderem jene Erwägungen waren es, die mich dazu bewogen, einen Schlussstrich zu ziehen.
Nun, einen Tag später, fühle ich mich noch zerrissener als gestern. Obschon mir mein Kopf und scheinbar auch ein Teil meines Herzens sagen, dass ich das Richtige getan habe so bestehen doch noch wahnsinnig grosse Zweifel. Beim Gedanken an meine Zukunft kommen mir zwangsläufig die Tränen. Waren wir uns doch einig, wie unsere gemeinsame Zukunft aussehen sollte. Noch immer kann ich mir eine Zukunft ohne ihn nicht vorstellen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich, wie er nicht mehr neben mir liegt und überhaupt, wie es kein gemeinsames Leben mehr gibt. wie sich die gemeinsam eingerichtete Traumwohnung, die wir uns irgendwann mal GEMEINSAM leisten wollten, im Nichts auflöst. Er ist unbestritten JENER Mensch, der mich uneingeschränkt so nimmt, wie ich bin. Mit all meinen Macken. Klar ist es ein Stück weit die Angst, niemals mehr einen Menschen wie ihn wieder zu finden viel grösser ist aber die Unsicherheit, dass ich zu leichtsinnig alles hinschmeisse. Ich weiss, dass ich längerfristig nicht glücklich werde, wenn alles so bleibt, wie es war . Aber die Hoffnung, dass sich was ändern könnte, habe ich irgendwie aufgegeben. Es ist so vieles passiert. Ich habe auch riesen Angst davor, was alles auf uns zukommt. Der Gedanke, zukünftig nicht mehr mit ihm ein Paar zu sein, macht mich unendlich traurig. Er würde mich so nehmen wie ich es bin und bei mir beruht das nicht mehr auf Gegenseitigkeit. Ich wünschte mir so sehr, dass ich alles so lieben würde, wie es im Moment ist aber ich schaffe es irgendwie nicht.
Ich habe Angst davor, das Falsche zu tun und quasi den Richtigen gehen zu lassen. Es tut mir höllisch weh, ihn verletzt zu haben. Heimlich tröste ich mich mit der Idee, dass wenn es trotzdem passen sollte, dass ja immer wider die Chance auf einen Neuanfang bestehen würde. Realistischerweise sehe ich aber natürlich auch, dass das Schwachsinn ist. Dass es irgendwann einfach zu spät sein wird .
Ich bin ansonsten eine ziemlich taffe Frau. Ich weiss was ich vom Leben erwarte. Ich habe Ziele, kenne meine Stärken und Schwächen. Ich weiss, wie ich mit Stress mit mir selber umzugehen habe . Aber diese Situation überfordert mich völlig. Ich habe das Gefühl, im luftleeren Raum zu schweben. Bin mir diese Orientierungslosigkeit so alles andere als gewohnt und wünschte mir nichts sehnlicher, als alles im Griff zu haben. Dieser Zustand dauert nun bald ein halbes Jahr an. Meine Seitensprünge, meine Männergeschichten alles so untypisch für mich und doch scheinbar ein Teil von mir?