...als mein Mann zu seinen Eltern fuhr war mir sterbenslangweilig und ich habe, zum ersten mal und eigentlich nur spaßeshalber, einen Internetchat, den viele meiner Freunde benutzen, ausprobiert. Ich dachte mir, dass ich irgendwie die Nacht wach rumkriegen muss (mein Mann ist mit dem Auto weg ung hatte ne 30-Stunden-Fahrt vor sich).
Es war so ein Audio-Video-Chat, in dem man nicht nur schreiben, sondern sich auch über Webcam sehen und wenn man Lust hat miteinander reden kann. Meine Ehe lief eigentlich immer sehr gut und ich hatte gerade zu diesem Zeitpunk keinen Grund, unzufrieden zu sein. Dann ging ich in diesen Chat, und habe ersteinmal im "Gemeinschatfchat" mit alles geredet, viele kannte ich ja sowieso "real" und habe meinen Freunden immer wieder Bericht erstatten, wie es meinem Mann auf seiner Reise geht und mit ihnen gelacht, Witze geschrieben usw. dort war auch ein Mann, den ich nicht kannte, mit dem ich mich aber auf Anhieb gut verstand - vielleicht weil die "Pfosten abgesteckt" waren - ich war die liebende Ehefrau, die sich etwas Ablenkung sucht um die Sorge um Ihren Mann kleiner werden zu lassen, er der alleinerziehende Papa, der noch an seiner Ex hing...unverfänglich aber sehr angenehm - das dachten wir wohl beide.
In der Zeit, in der mein Mann weg war häuften sich meine Besuche in diesem Chat - zuerst weiter wegen der Langeweile, dann wegen "ihm". Ihm ging es ähnlich. Wir redeten bis 6 Uhr in der Früh - über Gott und die Welt. Ich war einfach locker, ich war 100% ich. Was manchmal im Alltag, wo man doch "um des lieben Friedens willen" oder aus Lustlosigkeit an der Diskussion viele Themen unangeschnitten lässt - oder einfach nach 4 Jahren Ehe nicht mehr auf die Idee kommt, drüber zu reden.
Ich merkte, wie wichtig "er" mir geworden war, dass ein Tag ohne die Gespräche mit ihm nicht denkbar war. Ich schob es auf mein Alleinsein, wo doch sonst immer mein Mann bei mir war. Doch es war mehr. Ihm konnte ich ALLES sagen.
Der Kontakt blieb bestehen, auch als mein Mann zurückkam. Wir trafen uns sogar einmal (er wohnt recht weit weg), wir waren wirklich gute Freunde geworden. Dann brach ich den Kontakt ab, da sich die Probleme in meiner Beziehung häuften, ich mich nicht mehr verstanden und unzufrieden fühlte, da es ja jemanden gab "der mich so gut verstand". Ich wollte nicht noch mehr Schaden in meiner Ehe riskieren.
Das war vor ca. 10 Monaten. Meine Ehe hat sich wieder gefangen, aber dennoch habe ich seitdem fast jeden Tag an diesen Mann gedacht. Nicht nur in freundschaftlichem Sinne. Ich hasse es, das zu sagen, aber ich stellte mir vor, wie es wäre, mit ihm zu leben statt mit meinem Mann.
Und nun haben wir uns vor ein paar Tagen in einem sozialen Netzwerk wiedergetroffen - und er schrieb mir eine lange Email, wie unglücklich er über den abgebrochenen Kontakt sei, und dass ihm klargeworden wäre, dass ich einen festen Platz in seinem Leben habe - wie auch immer ich mir diesen wünsche...
Ich bin verzweifelt. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wie ich mich verhalten soll...hat jemand etwas ähnliches erlebt und kann mir seine Erfahrungen schildern? Oder hat jemand soetwas vielleicht noch nie erlebt und sagt mir mal seine "unparteiische" Meinung zu meinem Gefühlschaos?
Ich danke euch