Hallo...
Ich schlage mich seit einiger Zeit mit einem Gedanken herum und bin neugierig auf Eure Sicht der Dinge...
Ich bin seit einem Jahr mit meinem Schatz zusammen. Er ist ein wirklich toller Kerl und
wir haben eine sehr schöne Beziehung. Ich habe
ihn in einer Zeit kennengelernt, in der ich niemanden an mich heranlassen wollte, aber er
ist trotzdem dagewesen und ich bin froh, dass ich meine Ängste über Bord geworfen habe und jetzt mit ihm zusammen bin. Er bringt mir soviel Liebe entgegen, überrascht mich immer wieder, er ist aufmerksam und interessiert sich für alles und wir liegen geistig auf einer Wellenlänge. Ich kann ihm hundertprozentig vertrauen und fühle mich sehr "zu Hause" bei ihm.
Das hört sich jetzt alles wunderbar an. Wenn es da nicht einen Punkt gäbe,in dem wir uns sehr unterscheiden. Ich war schon immer sehr
wirbelig und ehrgeizig. Schon als Kind habe
ich das, was ich mir in den Kopf gesetzt habe
auch erreicht. Ich komme aus einer sehr glücklichen Familie, die mir sehr viele Werte
mitgegeben hat, die ich auch heute noch hochhalte. Dazu gehört auch die Einstellung,
dass wenn man etwas erreichen will, dafür auch etwas tun muss, da von nichts nichts kommt.
Bei uns zu Hause gab es nie Langeweile und Stillstand. Jeder in unserer Familie hat mindestens ein Hobby oder ein Ziel, welches er immer verfolgt, ob jetzt eine gute finanzielle Basis aufgebaut wurde oder Sprachen oder Sportarten gelernt wurden.
Das hat mich sehr geprägt, deswegen erwähne ich es gleich zu Anfang. Ich fühle mich auch
sehr wohl so. Mein Freund hingegen ist viel ruhiger als ich. Ein Satz, den ich oft von ihm höre ist: "das mache ich morgen". Er ist mittlerweile über 30 und hat sich noch nie grossartig Gedanken über seine Zukunft gemacht. Er ist manchmal fast ein bisschen weltfremd. Er wünscht sich Kinder mit mir, aber er ist nicht wirklich in der Lage sein eigenes Leben auf die Reihe zu kriegen. Er hat
z.b. "vergessen", seine Miete zu bezahlen über
Monate und bekam danach Riesenärger. Er hat auch sein Studium abgebrochen und einen völlig
anderen Beruf ergriffen. In diesem Beruf ist er sehr glücklich, deswegen kann ich das nachvollziehen und freu mich für ihn. Ich denke aber immer wieder, dass mir das nicht
passiert wäre... ich wusste schon als Kind was
ich später mal werden möchte, habe das Studium
in acht Semestern durchgezogen und verdiene
inzwischen doppelt so viel wie er obwohl ich sechs Jahre jünger bin. Ich versuche immer wieder zu verstehen, dass jeder Mensch eine andere Lebensvorstellung hat und nicht alle gleich sind. Aber es kostet mich sehr viel Kraft. Es gibt täglich Situationen, in denen ich ihm richtiggehend in den Hintern treten muss er hat z.b. Rückenprobleme, kriegt es
aber nicht gebacken, sich eine gute Matratze
zu kaufen. Dabei möchte ich ihn gar nicht dauernd antreiben, ich bin einfach gewohnt, dass die Menschen in meiner Umgebung sich selbst motivieren und fühl mich deshalb oft ziemlich mies, weil ich mir wie ein kleiner böser Feldwebel vorkomme. Andererseits denke
ich, dass sein Verhalten diesen Feldwebel erst
herauskommen lässt.
Ich hatte noch nie Zukunftssorgen, weil ich
immer wusste, dass ich mich auf mich verlassen
kann und das, was ich möchte, auch schaffe.
Aber seit er das Kinderthema und Heiraten immer öfter anspricht, habe ich Sorgen. Es ist
nicht so, dass ich ihn nicht liebe. Er ist wirklich ein wundervoller Mensch. Aber ich frage mich ernsthaft, wie ich mit ihm eine Familie haben soll. Ich habe schon versucht ihm klar zu machen, wieviel Verantwortung das ist und dass vorher eigentlich auch gewisse Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Da ich Angst habe, dass er sich "minderwertig" neben mir fühlt, habe ich das sehr vorsichtig ausgedrückt. Aber irgendwie hat er seine rosarote Brille auf und denkt dass das alles von selber geht. Klar, wenn man Eltern hat, die Mietschulden bezahlen...
Ich bin manchmal echt am Verzweifeln, ich komme mir vor wie ein Streber und muss mir dann immer vorhalten, dass ich einen sehr lieben Freund habe, der wahrscheinlich der beste Papa der Welt sein wird. Aber ich habe
Angst, dass alles an mir hängen bleibt...und
ich spüre in gewissen Momenten, dass ich auf ihn herabschaue und das schockt mich sehr und
ist eine Seite, die ich an mir vorher nicht kannte und ich möchte, dass diese Momente
nicht mehr entstehen...
Wisst ihr einen Rat? Habt ihr vielleicht ähnliche Erfahrungen? Ich würde mich sehr freuen...