Fußball-EM 2012
Wir befinden uns im Jahre 2012 n. Chr.
Ganz Deutschland ist vom Fußballwahn der EM ergriffen.Ganz Deutschland? Nein! Eine unbeugsame Bürgerin des Hessischen Landes hört nicht auf, dem allgemeinen Fußballwahnsinn Widerstand zu leisten - nämlich ICH!
Ich schaue kein Fußball, ich spiele kein Fußball, ich kenne die Spieler der Nationalelf weder vom Namen noch könnte ich sie auf Bildern auch nur annähernd irgendwo einordnen. Und es geht mir eigentlich ganz gut damit.
Warum ich Fußball nicht mag? Das hat viele Ursachen. Zum Beispiel ist ein Ball dabei. Wie bereits meine Sportlehrerin frühzeitig äußerst treffend feststellte: Du kannst wirklich gut Boxen, Thaiboxen, Rudern, Schwimmen und Stemmen. Aber einen Ball sollte man von dir fernhalten. Es ist zum Heulen wenn man zusieht. Jegliche Ambitionen die ich in frühkindlicher Prägung zum Thema Fußball eventuell mal hatte, waren schlagartig erstorben.
Es ist ja nicht nur, dass ich mich mit dem Ball dumm angestellt hätte - ich konnte auch nicht unbedingt nachvollziehen, warum ein Tor nur dann gut ist, wenn es auf der weiter entfernten Seite der Mannschaft geschossen wurde. Man hat doch eins auf der eigenen Seite, das viel näher ist wozu denn der lange Weg? Dass andere Menschen das ganz anders beurteilen und scheinbar gern weit rennen, verdarb mir die Freude am Zusehen. Ich laufe nicht gern und sehe auch andere nicht gern laufen. Es wurde damit zu frustrierend, dieser Umständlichkeit des Laufens zur anderen Spielfeldhälfte meine Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen.
Im Laufe meines Lebens lernte ich, dass Fußball aber für Deutschland ein sehr wichtiges Spiel ist. Offensichtlich sind die Deutschen mit Ausnahme meiner Person fußballphil (ich bin fußballphob). Und unsere Spieler sollen von guter Qualität sein. So gut, dass man sie auf Stickern und Karten sammeln und sogar Tassen, Handtücher und T-Shirts mit ihnen bedruckt käuflich erwerben kann.
Und weil das Ganze so wichtig ist, verfolgen die Deutschen (übrigens wie viele andere Nationalitäten ebenfalls) die Spiele emsig im Fernsehen oder gehen gar ins Stadion. Insbesondere zu solchen Highlights wie WM und EM kleben sie regelrecht am Bildschirm, und das sogar in großen Gruppen. Man nennt das Public Viewing und spricht von unvergesslichen gemeinsamen Momenten.
Die Sache mit dem Public Viewing in Gruppen oder auch das einsame Fernsehen zuhause ist allerdings ein weiterer Punkt, der mich zum Fußballverweigerer macht: Es wächst sich nämlich zu einer regelrechten Lärmbelästigung aus. Sie fragen warum? Das kann ich am einfachsten am Beispiel meines Lebensgefährten erklären. Er ist eigentlich ist ein sehr verständiger, ruhiger und wenig fernsehbegeisterter Zeitgenosse. Nicht so zur EM und WM. Da sitzt er stundenlang vor der auf maximale Lautstärke gestellten Glotze. Und was am Schlimmsten ist: er brüllt den Fernseher an! Ständig. Manchmal aus Wut, manchmal aus Freude. Aaaahhhh, wie kann man denn so.?, Neiiin.!!, Meine Güte, was ein Spiel, Flanke.uuuund..schon wieder.Ecke, Scheiß-Ecken, TOOOOOOOOOOOOOOOOR!!!!!!, Jaaa, schöööööön, jetzt..jetztjetztahhhh, vorbei und so weiter. So verhält er sich zuhause vor dem Fernseher. Und beim Public Viewing auch. Aber da brüllen dann auch noch viele andere mit und es wird vom Alptraum zur absoluten Hölle. Das ist Lärmbelästigung.
Mal abgesehen vom Nerv-Faktor verstehe ich nicht, weshalb der Fernseher angebrüllt werden muss. Der kann schließlich nichts für die Misere! Und die Spieler hören einen auch nicht.
(Am Rande muss ich gestehen, dass viele Menschen mit ihrem Fernseher reden, nicht nur beim Fußball. Ei du Depp, der Mörder steht direkt hinter dir..! zum Fernsehkomissar im ARD; Ja der ist doch eh schon dreimal fremdgegangen, was willst du mit dem? zu diversen Seifenoperndarstellern und ganz beliebt auch Kommt denn auf dem Sch**ß-Sender nur Werbung?. Der Fernseher beantwortet die Frage nicht und gibt den Kommentar des Zuschauers auch nicht an die Drehbuchautoren von Krimis und Seifenopern weiter. Warum also unnötigen Krach veranstalten??? Warum? Sind die Deutschen so vereinsamt, dass die Glotze schon Gespräche ersetzen soll?? - Aber das ist ein anderes Thema, zurück zum Fußball.)
Als Mitarbeiterin im Außendienst eines großen Markenerstellers komme ich allerdings so ganz ohne Fußball nicht aus Poldi ist eines unser Testimonials. Als ich die ersten Dekoartikel mit Poldiaufdruck bekam, fragte ich erst mal meinen Lebensgefährten, wer das denn nun sei. Er lachte sich schlapp. Meinte aber im Nachgang: Naja, die Aufnahme ist nicht so gut, das gebe ich zu. Da kann man schon mal fragen. Das fand ich einen sehr freundlichen Zug von ihm.
Von dieser ersten Blamage an taten sich logisch viele weitere Bildungslücken auf. Vollkommen verwirrt war ich, als mein türkischstämmiger Kollege am Tag des ersten EM-Spiels anrief und mitteilte: So, ich bin ja ab heute nachmittag im Urlaub in der Türkei, also nicht mehr erreichbar. Ich freu mich schon, denn dann geh ich gleich mit meinen Eltern und Cousins zum Fußball..gucken... Mein Kommentar: Echt, spielen die in der Türkei??? Wusst ich gar nicht, aber viel Spaß. Das Schweigen am anderen Ende der Leitung sprach für sich. Ich wurde aufgeklärt. Es ist nur EM und nicht WM, also nix Türkei. Und der Zirkus findet in Polen und der Ukraine statt. Aber Public Viewing gibts auch in der Türkei. Aha.
Ich muss ihn nach dem Urlaub mal fragen, ob die Türken auch ihren Fernseher anbrüllen.
So geht es denn nun weiter. Meine Kunden fragen: Und, haben Sie das Tor vom Spiel XY gesehen?- Nein, wieso? - Ja weil der Sowieso da so und sound was glauben Sie denn wer beim Spiel X gegen Y heute abend gewinnt? ." Keine Ahnung. Ich kenn die alle nicht. Aber möchten Sie vielleicht ein Pepsi Shirt mit Poldi drauf verlosen? Kann ich zu einem Aufbau dazu anbieten. Die meisten sagen ja: Poldi ist cool, die Idee gefällt mir. Na Gott sei Dank, denk ich mir da und bin froh dass ich wenigstens weiß wer Poldi ist.
Ich habe von meinen Kunden gelernt, dass Poldi mal gesagt hat Fußball ist wie Schach ohne Würfeln!. Klasse, der Poldi weiß so viel von Schach wie ich von Fußball. Nobody is perfect, irren ist menschlich
Sie sehen, ich bin wirklich eine Niete zum Thema Fußball. Sollte ich mal bei Wer-wird-Millionär vor Günther Jauch sitzen, gebe ich meinen Kollegen G. T. als Joker an. Der weiß recht viel. Der konnte mir auch erklären, welche Aktivitäten die drei Fußballnamen die ich kenne, genau ausüben: Lothar Matthäus spielt gar nicht mehr, ausser mit jungen Frauen. Rudi Assauer war Manager von Schalke und ist schwer krank. Seine Ex ist Schauspielerin, ihre Tochter ist mit einem Bandmitglied von Rammstein zusammen. Franz Beckenbauer Ehrenpräsident des FC Bayern München. Aha.
Als ich mit dem ganzen neuem Wissen stolz vor meinem Vater protzen wollte, sagte er: Naja, da kennst du ja immerhin die ganz Wichtigen. Ich bin mir nicht sicher wie ernst er das meinte.
Richtig tröstlich war aber meine Mutter. Mama, stell dir vor, ich hab heute Poldi-Aufsteller bei einem Kunden aufgebaut zur Deko. Und ich hab sogar gelernt, wer Poldi ist!. Das wusstest du nicht? Der heißt Toni Polster!. Danke Mum, ich bin nicht der einzige ahnungslose Mensch auf der Welt. Anton Toni Polster ist ein ehemaliger österreichischer Fußballspieler und Popsänger. Das weiß ich inzwischen von Wikipedia
by kitcatmt
:lol: