Hallo Julchen,
Glaube und / oder Weltanschauung sind zutiefst persönliche Dinge, die mit gutem Grund auch in den meisten Verfassungen dieser Erde einen speziellen Rang einnehmen (inwiefern dem dann auch tatsächlich genüge getan wird, ist nochmals eine andere Geschichte). Und da es nun eine sehr persönliche Sache ist, was jemand glaubt oder eben nicht glaubt, hast du nicht das Recht, diesem jemand nun einen anderen Glauben aufzuoktroyieren, nur weil du der Meinung oder Ansicht bist, dieser Glaube wäre schädlich. Und selbst, wenn du es WEISST, hast du trotzdem noch nicht das Recht dazu. Eben weil die Glaubensfreiheit in den meisten Gegenden dieser Welt ein fundamentales Rechtsgut ist.
Nun möchte ich explizit nicht auf die Praktiken der Scientology Kirche (ich glaube zumindest, so nennt sie sich) eingehen, weil das nicht dein Problem ist. Außerdem ist hierzu schon ausreichend viel (negatives) an Vorwürfen gesagt worden. In deinem Fall geht es mehr darum, wie du mit deinem Freund umgehen sollst, den du liebst, der jedoch Scientologe ist und aus einem Elternhaus mit entsprechendem Background kommt. Zunächst wäre dazu zu sagen: nicht anders, als wenn er eine beliebige andere, dir fremde Glaubensrichtung verfolgen würde. Es gibt schließlich Millionen und Abermillionen von gemischt-konfessionellen Partnerschaften, auch wenn im Namen dieser Konfessionen blutige Kriege geführt wurden und werden. Hierbei denke ich insbesondere an Partnerschaften zwischen Moslems und Juden, aber auch andere Verbindungen sind denkbar.
Also ist es nicht das Problem, dass dein Freund Scientologe ist, sondern mehr, wie er sich dir gegenüber verhält. Dazu hast du geschrieben, dass er dir gelegentlich den Umgang mit bestimmten Personen untersagen will und sich zu anderen Gelegenheiten dir gegenüber sehr abweisend verhält (nicht miteinander reden setze ich jetzt mal mit abweisend gleich). Sollte dieses Verhalten aus seinem Glauben resultieren, wird die Sache ernst, denn es gibt keine Lösung für dieses Problem. Resultiert es aus anderen Gründen, kann man darüber reden. Unabhängig davon gilt es allerdings festzuhalten, dass auch ER kein Recht hat, dir seinen Glauben aufzuoktroyieren oder dir den Umgang mit bestimmten Personen zu verbieten.
Also, kläre mit ihm diese Differenzen und finde die Ursache heraus. Sollte sich herausstellen, dass es tatsächlich religiöser Eifer / Fanatismus ist, der ihn antreibt, wird dir außer der Flucht leider keine Alternative bleiben - außer natürlich, du wirst selbst Scientologin und trittst seinem Gedankenbild auch deinem Glaubensbekenntnis nach bei.
Und wenn sich hier des langen und breiten über die gar schröcklichen Zustände bei Scientology ausgebreitet wird, möchte ich eines doch zu bedenken geben, was allzu oft leicht vergessen wird in diesem Zusammenhang:
Auch Scientology-Mitglieder sind Menschen. Und solange sie sich an unsere Rechtsordnung halten, finde ich, sie haben den selben Respekt verdient wie andere Leute, die eben auch nicht unser Glaubensbekenntnis teilen (so wir eines haben).
Freundliche Grüße,
Christoph