Nein
egal wie stark die Todessehnsucht auch ist, egal wie verzweifelt man sich wünscht, die unerträglichen seelischen Schmerzen zu beenden, DEN Unterschied kriegt man noch mit.
Wenn man Todessehnsucht hat, ist die nicht von jetzt auf gleich übermächtig. Man beginnt mit dem Gedanken zu spielen, sich auszumalen, wie man es beenden könnte, die Sehnsucht danach nimmt zu ... Es gibt auch Auslöser, die die plötzlich massiv verstärken, ja, aber da hat man den "Plan" eigentlich schon fertig. Und selbst in einem Moment, wo die Todessehnsucht übermächtig und nicht mehr beherrschbar ist, erkennt man noch den Unterschied zwischen "ich beende mein Leben" und "ich beende mein Leben und nehme x, y und z mit in den Tod" und ganz sicher den Unterschied zwischen "ich beende mein Leben" und "ich beende mein Leben - und das von 149 anderen".
Mag sein, dass es einem völlig egal ist, dass irgendwer die Folgen aufputzen muss, wenn man von einem Hochhaus springt. Mag sein, dass es einem völlig egal ist, wenn man sich vor einen Zug wirft und da den Rettungskräften ein Bild hinterlässt, was die so schnell nicht wieder los werden, Hunderte Menschen im Berufsverkehr für 2h aufhält und dem Lokführer vielleicht noch das Ende seiner beruflichen Laufbahn bereitet. Wäre mir alles nicht egal, auch in der Situation nicht, aber ... mag sein. Aber wenn es einem egal ist, dass 149 Menschen, Schüler, ein Baby, Kollegen, ... da zu "Kollateralschäden" werden, dann hat man aber noch ein ganz, ganz anderes Rad ab, selbst wenn wir die Amoklauf-Diskussion mal aussen vor lassen.
"Vielleicht bringt das den einen oder anderen dazu..." - nun, wie Du in diesem Thread siehst, bringt das den einen oder anderen dazu, sich nicht mehr zu trauen, darüber zu sprechen.
Depressionen sind ausserdem nicht "im Mittelpunkt des Interesses". Im Mittelpunkt des Interesses ist die Suche nach (vorzugsweise noch lebenden) Schuldigen und sonst nichts, schon gar keine Aufklärung. Dazu ist der Zusammenhang mit einer "abgeklungenen depressiven Episode", die zudem noch recht kurzzeitig und vor allem zum Tatzeitpunkt schon Jahre her war (!) schon mal verdammt an den Haaren herbei gezogen. Ausserdem ist der Zusammenhang zwischen einer Einzeltat und einer Krankheit, die Millionen betrifft, verdammt an den Haaren herbeigezogen.
Welchen Vorteil siehst Du in dem Kontext für das Thema "Depressionen" und die Betroffenen denn bitte?
Also ich bin daran, mit meinen Krankheiten, auch mit meinen depressiven Schüben, im Zusammenhang mit dieser Wahnsinnstat genannt zu werden, jedenfalls nicht sehr interessiert. An einer Aufklärung und Information ala "wie bei dem, der das Flugzeug in den Berg geflogen hat", auch nicht. Weil es auch nicht wahr ist. Nicht mal im Ansatz.
Das ist nicht wie bei dem Tod des Sportlers... hmpf, mein Namensgedächtnis ist nicht existent... dessen Frau danach an die Öffentlichkeit ging, um über das Thema aufzuklären. Es geht nicht darum zu informieren, wie Betroffene leiden, was die Krankheit bedeutet, was man tun kann...
Nein, keine Sekunde. Es geht um einen Mann, der 149 Menschen getötet hat und um Schuld. Wie gesagt: das ist auch gut so. Keiner von uns Betroffenen will damit in einem Atemzug genannt werden, da bin ich mir sicher.
So sehr ich auch immer wieder für Information und Aufklärung, unter Betroffenen wie Nicht-Betroffenen eintrete, auf ein "Interesse" in diesem Kontext verzichte ich.