Liebes Forum,
bitte steinigt mich nicht für meine Unentschlossenheit, aber ich stecke in einer schrecklichen Zwickmühle.
Ich bin mit meinem Mann fast 17 Jahre zusammen, wir haben keine Kinder, hätte aber gerne beide eines,- nur damit Ihr eine Orientierung über unser Alter habt.
Wir hatten, so blöd es klingt, von Anfang an Streits aber eben auch das Gefühl grosser Liebe. Als wir anfingen, uns über unsere Vergangenheiten/Familien auszutauschen und versucht haben herauszufinden, warum wir so oft streiten, kamen wir zu dem Schluss, dass wir beide vermutlich viel an uns arbeiten müssen, egal mit wem wir eine glückliche Beziehung haben wollen,- denn wir beide kennen grosse Verlustängste, sich verantwortlich fühlen für den andern etc.. Also haben wir an uns gearbeitet, Therapie gemacht, unsere Beziehung wurde von Jahr zu Jahr schöner, wenn auch unterbrochen durch grosse Krisen, die aber immer kürzer wurden. In diesen habe vor allem ich die Beziehung in Frage gestellt, da es weniger um konkret auftretende Differenzen, sondern mehr um die Art und Weise ging, kleinere Differenzen zu kommunizieren. Diese fand ich bei meinem Partner noch nie gut. Wenn wir uns wieder verstehen, können wir über alles reden, auch er, aber in den Momenten selbst fährt er total hoch, wenn ich das mal so sagen darf, oder rechtfertigt sich ohne Punkt und Komma und vor allem, ohne Rücksicht auf "Verluste". Er sagt dann einfach irgendwas, auch sehr kränkende oder beleidgende Dinge, verdreht die Augen. Wenn ich das dann kritisiere, bin ich zu anspruchsvoll, zickig, vorwurfsvoll und selbst schuld an seiner Reatkion. Es ist nicht mal, dass ich jedes mal der Meinung wäre, völlig im Recht zu sein geschweige denn eine Entschuldigung erwarte (manchmal schon), aber eine konstruktive Kommunikation mit der Bereitschaft, sich den Partner anzuhören, evtl. zu sagen, "das verstehe ich nicht.." oder "ich habe das so nicht gemeint" o.ä., das wünsche ich mir schon. Leider ist das nur gelegentlich der Fall. Seit einer Weile ist mein Mann immer versperrter, wenn solche Situationen aufkommen, und ich bin immer nachgiebiger geworden. Ich habe angefangen mich zu bemühen, völlig ruhig zu bleiben, um ihm alles superfair zu erklären was ich meine, eigentlich weit entfernt von jeder spontanen Reaktion meinerseits, da ich von dieser immer fürchte, dass sie zum völligen Desaster führt,- seinem Unverständnis, seiner Wut. In der er mir immer unterstellt, ich sei eben zu sensibel, oder einfach behauptet, dass er Dinge überhaupt nicht gesagt hat (die er aber definitv gesagt hat). Wenn ich aber ruhig bleibe und er sich rechtfertigt, laufen die Diskussionen auch nicht besser, denn sie sind völlig verrückt. Mein Mann interpretiert immer alles mögliche in Halbsätze herein was ich nicht habe sagen wollen, argumentiert wild dagegen und ich spüre meine eigenen Gefühle gar nicht, weil ich nur um Ruhe bemüht bin und darum, mich möglichst fair und verständlich auszudrücken. Erst irgendwann fühle ich mich sehr wütend und verzweifelt, dann beende ich nach Möglichkeit das Gespräch. Schon oft habe ich zu meinem Mann gesagt, ich halte das nicht aus, schon oft hat er erwidert "Du und Deine Trennung." So ist er sonst nicht, nicht im geringsten, aber im Konflikt ist er wie ausgetauscht..!
Ich weiss, dass das keine Lösung ist und habe angefangen zu erkennen, dass ich nicht so weitermachen kann, und dass ich mich im Alltag oft bedrückt fühle deswegen (ich wusste immer nie, warum). Und dass ich mich in Zukunft ehrlicher ausdrücken können muss. Absurderweise behauptet mein Partner immer, er müsse das, sonst fühle er sich eingeschränkt. :(
Was jetzt wohl keiner mehr versteht ist, warum wir zusammen sind. Wir haben, man kann es sich kaum vorstellen, nach diesen Diskussionen immer auch schöne Zeiten gehabt. Mit dem Abstrich, dass meine Stimmung an diesen schönen Tagen immer gedrückter wurde und ich nicht wusste, wieso. Ich dachte lange, ich wäre selbst schuld, irgendwas mit mir stimme nicht. Manchmal war ich sehr gereizt meinem Mann gegenüber und habe damit viele schöne Momente auch einfach kapputt gemacht. Ich wusste nicht, warum ich gereizt bin. Langsam halte ich für möglich, dass es vielleicht an diesen Konflikten liegen könnte. Die längste Zeit dachte ich, ich habe es vielleicht einfach nicht besser gelernt, habe Angst vor Nähe und halte unbewusst meinen Mann auf Distanz. Das ist aber nicht so. Ich habe Angst vor Enttäuschung, daher bin ich schon vorsichtig mit Nähe, aber vor allem investiere ich dadurch sehr viel Hinterfragerei meinerseits in eine Beziehung, um dem anderen ja keinen Anlass zu geben, etwas gegen mich zu haben und mir weh zu tun.
Bitte entschuldigt diesen unglaublich langen Text. Er ist gleich vorbei. Es ist nun so, dass ich meinem Mann schlussendlich gesagt habe, dass es so für mich nicht weitergeht. Er selbst hat eine Eheberatung vorgeschlagen, die wir auch machen werden, wir haben bald einen Termin. Das schlimme ist nur, ich fühle mich an manchen Tagen (wie heute) völlig zerrissen. Einerseits spüre ich, dass ich nicht mehr bereit bin, viel in die Beziehung hinein zu investieren, auf der anderen Seite vermisse ich die Nähe zu meinem Mann und unsere schönen Stunden miteinander schmerzlich und drehe fast durch, wenn das so ist. Dann denke ich, vielleicht hat er recht und ich bin einfach nur viel zu empfindlich. Es verunsichert mich zutiefst, dass er, obwohl ich ihn eher als unfair in der Beziehung wahrnehme, gleichzeitig bereit ist, zu einer Beratung zu gehen und diese sogar mehr will als ich. Das passt alles gar nicht zusammen! Warum ist das so? Hat jemand Ideen oder war schon mal in einer ähnlichen Situation?
Vielen, vielen Dank für die Geduld, es hat unheimlich gut getan, das alles einmal aufzuschreiben zu können.
Ich bin froh über jede Antwort.