Hallo zusammen,
ich habe schon öfter hier im Forum gelesen. Heute möchte ich mein Anliegen mit Euch teilen und hoffe, dass es den ein oder anderen gibt, der einen Rat weiß. Vielen Dank schon mal im Voraus fürs lesen. Ich bemühe mich kurz zu fassen :-)
Ich bin Ende Zwanzig und seit gut 5 Jahren mit meinem Freund zusammen. Wir wohnen seit 4 Jahren zusammen in einer kleinen Wohnung, sind nun beide im Examen und arbeiten nebenbei. Eigentlich verstehen wir uns sehr gut und gehen liebevoll miteinander um. Für uns beide ist diese Beziehung etwas besonderes, wir möchten zusammen bleiben und irgendwann selbst eine Familie gründen.
Seit einiger Zeit jedoch quälen mich negative Gedanken. Vor zwei Jahren hatte ich zum ersten Mal ein Gefühl der Eifersucht. Zunächst wegen einer Studienkollegin, weil ich wusste, dass mein Freund früher in sie verliebt war - sie waren aber nie zusammen. Ich hatte das Gefühl, er engagiere sich zu sehr und sei zu hilfsbereit. Anschließend wegen seinem Pornokonsum.
Es stand nie wirklich zwischen uns und wir haben deswegen auch nicht oft gestritten, doch hatte ich immer einen negativen Beigeschmack was diese zwei Themen anging.
Oft habe ich hier gelesen, dass unbegründete Eifersucht mit mangelndem Selbstbewusstsein einhergeht. Ich habe viel gelesen, hier und anderswo im Netz. Schließlich musste ich feststellen, dass meine Eltern - ich bin Einzelkind - ziemlich egozentrisch sind. Ich habe erkannt, dass meine Eltern immer nur Perfektion von mir erwartet haben und sich nie wirklich für mich, meine Gefühle oder Wünsche interessierten.
Meine ältere Cousine hat mir vor kurzem erzählt, dass sie es immer schrecklich fand, wie gefühllos mein Vater zu mir war. Er hat mich immer wie eine Erwachsene behandelt, hat immer erwartet, dass ich perfekt funktioniere und ich habe mich dieser Erwartung von klein an gefügt.
Als ich 7 Jahre alt war sind wir von Polen nach Deutschland gesiedelt. Meine Eltern hatten Existenzängste, also habe ich alles getan, um sie nicht unnötig noch mehr zu stressen.
Als ich 10 Jahre alt war hat meine Mutter angefangen zu trinken, also habe ich alles getan, um meinem Vater eine gute Tochter zu sein. Schließlich war meine Mutter ja eine böse Person - so mein Vater.
Mit 13 Jahren habe ich angefangen zu rebellieren, schließlich war ja nie etwas gut genug. Auf einmal war ich nicht mehr die perfekte Tochter, sondern die Abtrünnige.
Als ich 14 Jahre alt war, ist mein Patenonkel - er und seine Familie sind mit uns nach Deutschland gezogen - an Leukämie erkrankt. Meine Eltern waren zwei Jahre lang nur im Krankenhaus. Das kam mir in meiner Rebellionsphase gelegen. Sie waren nie da und ich konnte tun und lassen was ich wollte. Habe mir falsche Freunde gesucht, Drogen genommen und die Schule vernachlässigt.
Nach außen wurde übrigens immer die heile Familie vorgespielt, doch zu Hause herrschte Eiszeit. Meine Eltern haben immer vor mir gestritten. Mein Vater hat meine Mutter immer runter gemacht und gedemütigt. Sie sei eine charakterlose Säuferin. Und wenn ich nicht das getan habe, was mein Vater erwartet hat, war er sogar dazu in der Lage, tagelang nicht mit mir zu sprechen. Ich habe also ein Doppelleben geführt.
Ich habe die Kurve gekriegt. Mit 16 habe ich kapiert, dass ich mir so nur selbst schade, habe mit meinem alten Freundeskreis gebrochen, habe Abi gemacht und bin ausgezogen. Erst in den nächsten 4 Jahren habe ich zu mir gefunden, während des Studiums in einer neuen Stadt.
Mit 24 habe ich meinen jetzigen Freund kennen gelernt. Es ging alles sehr schnell, uns war beiden von Anfang an klar, dass wir zusammen gehören. Die ersten drei Jahre habe ich mich an seiner Seite unschlagbar gefühlt. Ich hatte endlich das, was ich immer wollte: einen Partner. Meine Eltern haben mir vorgelebt, wie es NICHT funktioniert. Und ich habe mich selten auf eine Beziehung eingelassen, weil ich nie halbherzig etwas eingehen wollte. Ich hätte mir gewünscht, sie wären erwachsen genug zu erkennen, dass sie nicht zusammen glücklich werden. Stattdessen habe ich nur mitbekommen, dass man entweder gar nicht miteinander spricht oder sich aufs übelste beschimpft. Sie hätten sich scheiden lassen sollen. Doch das erlaubt die polnisch-kathloische Lebensweise nicht!
Worauf ich hinaus will?
Eigentlich müsste ich überglücklich sein. Ich bin mit meinem Studium fast fertig, habe einen Job, der mir Spaß macht und ich werde nach dem Studium sofort übernommen, ich habe einen wundervollen Freund, der mich liebt und verständnisvoll ist, und trotzdem habe ich diese beklemmenden Gefühle, dass ich nicht gut bin.
Eigentlich ist alles "perfekt" und trotzdem bin ich manchmal so schrecklich traurig, weil meine Eltern auch heute noch ständig an mir nörgeln müssen. Und manchmal macht es mich so abartig wütend, weil ich mir so hilflos vorkomme.
Wie werde ich diese Gefühle los? Ich habe Angst, dass mein Wunsch nach perfekter Beziehung meinen Freund überfordert. Er sagt, dass wir das hinkriegen, aber jedes Mal, wenn mir klar wird, dass ich ihm unbegründet Vorwürfe gemacht habe, fühle ich mich danach so schuldig. Ich habe Angst, dass er sich irgendwann denkt "auf so eine komplizierte Kuh habe ich keine Lust mehr".
Außerdem bekomme ich ab und zu Panik, weil ich das Gefühl habe, mein Freund meine es nicht ehrlich mit mir. Anscheinend gehe ich davon aus, dass Liebe etwas mit Selbstaufgabe zutun hat, da meinen Eltern meine Bedürfnisse nie wichtig waren - auch wenn sie es nicht böse meinten. Dieses Gefühl der Panik kann sich dann in Wut umwandeln.
Gibt es da nicht einen Trick? Eigentlich weiß ich, was ich will und ganz besonders, was ich NICHT will. Doch wie werde ich dieses Gefühl der Trauer und Wut los?
Muss ich vielleicht doch eine Therapie machen? Der Gedanke mir Hilfe zu holen fällt mir schwer, ich habe bisher immer alles selbst geregelt.
Tut mir Leid, dass es doch so lang geworden ist. Vielleicht ist es auch stellenweise verwirrend zu lesen, denn es ist schwer meine Gefühle zu ordnen. Umso dankbarer bin ich, wenn es jemand bis zum Schluss geschafft hat und vielleicht auch eine Antwort hinterlässt :-)
liebste Grüße, O.