Liebe versetzt Berge...
Ich habe vor 8 Jahren in einem "Informatik"-Forum einen jungen Kanadier kennengelernt, der mir zunächst per Forum und später per E-Mail bei der Lösung eines komplexen Problems für meine Arbeitsstelle geholfen hat.
Nachdem die Arbeit getan und das Problem gelöst war, riss der Kontakt zu ihm nicht ab. 6 Jahre lang haben wir uns regelmässig Mails geschrieben, da wir uns prächtig verstanden haben, uns gegenseitig für wichtig hielten. Es entwickelte sich eine Art Netzfreundschaft zwischen uns, die auch durch zwischenzeitliche Beziehungen des einen oder anderen nicht erschüttert wurde. Vor zweieinhalb Jahren wurde an Paket aus Kanada bei mir angeliefert. Inhalt: eine Webcam.
Zunächst widerstrebte mir der Gedanke unseren Mail-Kontakt auf eine persönlichere Ebene auszuweiten. Auf der anderen Seite... hatten wir doch ohnehin schon nahezu alle Details über unsere Privatleben ausgetauscht, was konnte es da schon ausmachen, wenn er mich sieht?
Er sah mich, ich sah ihn. Der Junge Mann den ich mir immer ein wenig wie einen pickligen Nerd vorgestellt hatte, sah grossartig aus. Noch nie habe ich ein vergleichbar schönes Lächeln gesehen.
Kurze Zeit später erzählte er mir, er würde im Winter seine Tante in Spanien besuchen und fragte, ob ich mich freuen würde, wenn er sich von dort einen Flieger nimmt und mich besucht. Unsere Chance uns real kennen zu lernen. Natürlich wollte ich.
An einem verregneten Wintertag holte ich ihn vom Flughafen ab. Wenige Stunden später lag ich küssend und kuschelnd in seinen Armen. Ich war überglücklich. Atemberaubend war der Schmerz, als ich ihn zum Flughafen zurückbringen musste.
Ich wollte ihn zurück haben... oder zu ihm.. egal wie.
Dummerweise jedoch hatte ich mir meine Arbeit immer nach dem "Spassfaktor" statt nach der Entlohnung ausgesucht. So hatte ich zwar eine tolle Arbeit, aber keine finanziellen Rücklagen, die ich benötigt hätte, um nach Kananda zu ziehen. Er steckte damals mitten in seinem Master-Studium und hatte demnach genauso wenig auf der hohen Kante, wie ich.
Was tun? Wir hatten verabredet, dass er ein halbes Jahr später wieder nach Deutschland kommen würde. Wir beide wollten entsprechend für den Flug sparen. Doch von Tag zu Tag und von Woche zu Woche wurde es schwieriger ohne ihn und das halbe Jahr schien sich in eine Ewigkeit auszudehnen. Ich hielt es kaum aus, ihm ging es ähnlich.
So kam es dann, dass wir den einzigen Weg gingen, der uns möglich war. Er schlug mir vor, ihn zu heiraten. Ganz unromantisch vor der Webcam. Ein trocken hervorgebrachter Vorschlag. Ich sagte "ja". Wir kratzten unsere letzten Pfennige zusammen für den Flug, für die Papiere, für den Übersetzer und den Standesbeamten. Er brach sein Studium innerhalb von 2 Wochen ab. Kam nach Deutschland. Ging am Flughafen vor mir auf die Knie und fragte erneut, ob ich ihn und die (finanziellen) Probleme, die damit einhergehen könnten, wirklich wolle. Und wie ich wollte. Scheiss' auf die Kohle.
Wir sind nun zwei Jahren verheiratet. Haben zunächst von der Hand in den Mund gelebt und uns ein Leben aufgebaut. Er hat sein Studium hier beendet. Ich habe hart dafür gearbeitet.
Das alles hat sich ausgezahlt. Er hat heute einen guten Job. Ich bin zurück in meinen alten, mich glücklich machenden Beruf gewechselt (Noch mal: Scheiss' auf die Kohle - aber sowas von ;D). Wir haben ein sorgenfreies Leben.
Und jeden Morgen, wenn ich die Augen aufmache und er liegt friedlich schlafend neben mir, wenn ich sein geliebtes Gesicht betrachte, dann bin ich glücklich, zufrieden, seelig.
Die wahre Liebe versetzt Berge. Sie kapituliert nicht vor ihnen.