Hallo Chiara, ich glaube die Situation zwischen dir und deinem Freund ist etwa gleich wie zwischen mir und meiner Freundin, wenn ich auch mein exzessiver Drogenkonsum mehr oder weniger überwunden ist und ich mein Leben gut regeln kann und das auch zwichen mir und meiner Freundin funktioniert.
Ich glaube gerade wichtig für Personen mit ADS ist, dass sie sich mit sich selber und ihrer Charakterzügen und Bedürfnissen auseinandersetzen. die betonung liegt auf dem Selber. Druck von Aussen oder eine negative Beurteilung von ADS-spezifischen Verhaltensweisen bringen meiner Meinung nach wenig.
Bei deinem Post hier lese ich, dass du ihn tendenziell infantilisierst. Du urteilst sehr stark über sein Verhalten und schiebst negative Verhaltensweisen auf seine Krankheit ab, du nimmst ihm seine Verantwortlichkeit. Du schreibst, dass er manchmal Dinge zu dir sagt, die dich verletzen und schiebst das auf sein ADS ab. Wenn es beleidigende Dinge sind, so sollst du ihm zu verstehen geben, dass das nicht geht. Du bist eine Person die eine gute Behandlung verdient und auch Leute mit ADS können sich bemühen, eine gute Partnerschaft zu erhalten. Kommt natürlich darauf an, was für Dinge er zu dir sagt, und wieso er die sagt.
Du urteilst sehr stark über seinen Drogenkonsum. Wie du schreibst, bist du sehr gegen Drogen und Alkohol und ich könnte mir vorstellen, dass du deine Meinung stark vertrittst. Wichtig finde ich hier, dass du das nur als deine Meinung ansiehst. Menschen mit ADS haben laut Wissenschafft eine veränderte Hirnstruktur, weswegen sie eher Drogen zugeneigt sind. Wichtig wäre vielleicht zu wissen, was für Drogen er konsumiert. Harte Drogen ist ein begriff, der nichts mit dem tatsächlichen Schädlichkeitspotential von Drogen zu tun hat - Alkohol (was nicht mal als Droge angesehen wird) hat ein riesen Schädlichkeitspotential, Drogen wie LSD und MDMA ein eher geringes (siehe Studien). Wichtig ist der richtige Umgang mit solchen Substanzen. Hier ist dein Freund verantwortlich, dass er zeigt, dass er verantwortungsvoll mit solchen Substanzen umgehen kann, in einer Weise, wie es ihm nützt. (Ja, Drogen können das Leben durchaus bereichern, Gras wird in einigen Ländern gegen ADS verschrieben und auch "harte" Drogen wie LSD haben ihre Berechtigung in der persönlichen Entwicklungsgeschichte eines Erwachsenen, darum werden sie seit neustens auch wieder in der Psychotherapie angewandt). Du schreibst, er hätte nach Wochenenden manchmal Depressionsartige Zustände: ist natürlich eine Frage, ob das nur deine Ansicht ist oder auch die Realität, wenn das der Fall ist, ist das natürlich ein Hinweis darauf, dass er nicht mit seinem Substanzkonsum umgehen kann, ohne dass es ihn schadet. Und wenn er oft "Depressiv" oder verkatert ist wegen Drogen/Alkoholkonsum am Tag davor, wenn ihr etwas zusammen macht, dann ist das natürlich etwas, was nicht nur ihn negativ beeinflusst, sondern auch ihn. Hier sollte er durchaus an seinem Konsummuster ansetzen und etwas verändern, aber so, dass Rauscherfahrung in einer kontrollierten Form ihren Platz finden, wenn er das will.
Auch das er viel raucht ist natürlich ein schädliches Konsummuster für ihn. Hier könntest du ihn Fragen, ob er nicht sein Rauchen durch etwas anderes was gute Gefühle auslöst ersetzen will, zum Beispiel Fitness. Ich habe vor einem Jahr aufgehört zu rauchen und habe als Ersatz viel Sport angefangen zu treiben. Aber hier ist es auch seine Entscheidung, wie er mit seinem Leben umgeht.
Ich könnte mir vorstellen, dass ihr ein Muster in eurer Beziehung habt, wonach du stark über sein Leben urteilst und dich in eine moralisch bessere position bringst (schliesslich ist Drogenkonsum eher moralisch negativ konnotiert) und du darum das Gefühl hast, nur deine Ansicht hätte Berechtigung.
Wichtig ist hier, herauszufinden, welche Bedürfnisse ihr beide habt und welchen Weg ihr gehen könnt, um eine für beide schöne Beziehung zu gestalten. Das er sich genau so verhält, wie für dich logisch und normal ist, kannst du aber nicht erwarten, auch wenn du dies sicher zu einem Stück weit tust.