Guten Abend alle zusammen...
Ich hab lange überlegt, wie ich die Sache angehen soll und ob ich überhaupt über sowas schreiben soll... aber ich wage es jetzt einfach mal, weil ich gerne ein paar Meinungen zu dem Thema hören möchte.
Ich fange also von vorne an: Ich habe einen älteren Bruder. Er ist jetzt 29, ich bin 26. Als ganz kleine Kinder verstanden wir uns gut, irgendwann fing er aber an, aggressiv gegen mich zu werden, mich zu schlagen, auf mir herum zu hacken, lügen über mich zu verbreiten. Das alles hatte die ganze Bandbreite von Prellungen, Hämatomen, Nägel die mir im Rücken steckten, blutigen Nasen, ausgeschlagenen Zähnen, Kopfverletzungen, Gehirnerschütterungen, Würgemalen bis hin zur seelischen Folter. Er wusste einfach immer, wie er mich möglichst tief verletzen konnte und tat das bei jeder Gelegenheit. Das ging soweit, dass ich mich nirgends meh blicken lassen konnte weil er irgendwelches Zeug über mich erzählt hat, egal ob bei uns im Dorf oder bei meinen Verwandten (so hat es sich zumindest angefühlt) Ich war als Kind schlecht in der Schule, als ich nach Hause kam war ich damit beschäftigt, meine Schultasche in mein Zimmer zu schmeißen und mich irgendwo hinzuverkriechen, wo er mich nicht finden konnte. Immer gewalttätiger wurde es, als wir älter wurden, ich weiß noch, dass ich irgendwann zeitweise einfach gleichgültiger gegenüber seiner Prügel wurde und aufgehört habe zu schreien obwohl er mir weh tat, er sagte dann sowas wie "das macht keinen Spaß, wenn du nicht schreist". Nunja, geendet hat alles damit, dass sich irgendwann mein zweitältester Cousin eingeschaltet hat und ihm dann doch recht effektiv gedroht hat, dass er mich in ruhe lassen soll. Das endgültige Aus der Gewalttaten war, als ich ihm fast aus Notwehr den Schädel eingeschlagen habe, weil er mich gewürgt hat nachdem ich mich zwischen ihn und meine Mutter gestellt habe.
Komischerweise haben meine Eltern zu ihm trotzdem ein gutes Verhältnis, auch wenn sie das was abgelaufen ist zwischen uns hin und wieder im nachhinein mitbekommen haben, aber nie zur Stelle waren als es passiert ist, da beide früher sehr viel arbeiten mussten. Ich habe trotzdem das Gefühl, dass mir meine Eltern gegen ihn nie, oder fast nie geholfen haben zumindest kann ich mich an kein einziges mal erinnern. Meine Eltern haben ihn wohl so angenommen, wie er ist, wobei ich anmerken muss, dass beide Gewalt aus ihrer Kindheit kennen aber uns gegenüber niemals gewalttätig wurden, außer mal eine Ohrfeige als wir Kinder waren, und dann auch nur wenn wir sie uns so richtig verdient hatten.
Komisch finde ich auch, dass ich bis heute meine Kindheit nur sehr Bruchstückhaft in Erinnerung habe. Ab und zu kommen (frisch nach dem aufwachen) morgends Erinnerungen von früher hoch. Die letzte war die, dass ich kurz vorm ertrinken war, weil seine Freunde und er sich einen Spaß draus gemacht haben mich unter Wasser zu drücken, bis ich nicht mehr konnte und kurz vor der Ohnmacht stand. Ich weiß bis heute nicht, wie viel von diesen Erinnerungen wahr sind und welchen Teil sich mein Geist da zusammen gesponnen hat. Trotzdem kann ich mich, wann immer so etwas hoch kommt genau an das Gefühl erinnern, was ich in dem Moment habe, so wie jetzt das Gefühl, dass meine Lungen brennen und meine Kehle zugeschnürt ist und mir schwarz vor Augen wird. Eigentlich bin ich was das alles angeht schon total abgestumpft. Ich kann frei darüber reden, ohne, dass sich in mir irgendetwas an Gefühl regt, egal ob ich an das denke was war oder an meinen Bruder. Ich glaub das ist auch der einzige Grund, warum ich hier so frei erzählen kann. Ich könnte auch abkürzen aber wenn ich das hier schon anfange aufzuschreiben und Meinungen darüber hören möchte, sollten diejenigen die das lesen schon möglichst genau wissen, was vorgefallen ist. Zurück im Text: nur wenn mich diese Erinnerungen kurz nach dem Aufwachen holen, fang ich an zu Schluchtzen und kann mich gar nicht mehr beruhigen und weiß nicht warum.
Vor 3 Jahren war ich auf dem Geburtstag meines jüngsten Cousins. Er und ich (früher hab ich noch versucht Kontakt aufzunehmen) haben etwas geblödelt, irgendwann wurde er dann gespielt grob und hat meine Hände festgehalten. Warscheinlich überflüssig zu sagen, dass in mir irgendwas *knack* gemacht hat. Ich hab versucht ihm in die Eier zu treten und habs auch ordentlich geschafft... Ich hab ihm auch gesagt, dass ich das nicht kontrollieren kann wenn er vor mir steht, worauf er mich dann wirklich mal ansah, und sich für das was er getan hat entschuldigt hat. Er meinte weiterhin, dass er das jetzt nicht mehr ändern könnte und wir wären ja noch Kinder gewesen... Das war das erste und einzige Mal bis jetzt, dass ich von ihm irgendetwas wie Bedauern gehört habe. Seine Frau hat auch einmal etwas in der Art gemeint, er hätte wohl vor ihrer Familie Bedauern darüber geäußert, was er früher alles mit mir angestellt hat (ich weiß noch, dass er vor 10 Jahren noch damit angegeben hat).
Trotzdem, dass er sich dafür entschuldigt hat, versucht er mich, wenn wir uns mal sehen unterzubuttern, lächerlich zu machen und zu beleidigen. Ich wohne seit 3 einhalb Jahren nicht mehr zu hause. Das letzte Mal gesehen habe ich meine Eltern letztes Jahr an Weihnachten. Ich muss sagen, dass mich so gut wie nichts in mein Elternhaus zieht. Langsam fange ich an sie etwas zu vermissen, aber das ist lange nicht schlimm genug um eine Fahrt zu ihnen (wohne 180km weg) zu rechtfertigen, besonders, weil ich ab und zu mit meiner Mutter telefoniere. Wenn ich meinen Bruder sehe, sage ich nur "hallo" und das wars dann. Wenn ich bei meinen Eltern bin, sehe ich ihn zwangsweise, da er letztes Jahr angefangen hat, sein Haus im Garten meiner Eltern zu bauen (früher mal Landwirtschaft, dementsprechend auch sehr viel Platz). Er ist dann für mcih halt einfach nur "da". Wie die Wolken am Himmel einfach "da" sind. Ich suche nie Kontakt zu ihm, schreibe ihm nicht, wir telefonieren nicht und auch sonst findet nichts an Beziehung oder so zwischen uns statt. Ich vermisse ihn nicht und komme auch nicht auf den Gedanken, dass es schön wäre, ihn mal wieder zu sehen. Auch von seiner Seite aus ist da kei Interesse an mir zu sehen oder spüren, außer, wenn er mich lächerlich machen will durch irgendeine abfällige Bemerkung über mich vor seinen Freunden, meiner Familie oder sonstwem. Ich denke so gut wie nie an ihn, zumindest war das bis vor ein paar Wochen noch so. Keine Ahnung was sich geändert hat. Ich glaube mir wurde klar, dass er für mich eigentlich gar nicht existiert, zumindest nicht als Familienmitglied oder gar Geschwister. Trotzdem war ich letztes Jahr seine Trauzeugin, ich hab keine Ahnung, warum er mich überhaupt gefragt hat, aber ich hab mich trotzdem irgendwie darüber gefreut. Im nachhinein ärgere ich mich, dass ich zugesagt habe, weil ich ihm gerne noch eins reinwürgen wollen würde und das wäre damit getan gewesen, weil er dann dazu gezwungen wäre sich mit meiner Ablehnung ihm gegenüber auseinander zu setzen...
Wenn ich weiß, dass er da ist, versuche ich ihm aus dem Weg zu gehen und möglichst keinen Kontakt mit ihm haben zu müssen oder mich im selben Raum aufhalten zu müssen. Wenn ich mal überlege, wer mir helfen könnte wenn es mir schlecht ginge, kommt er im meiner Rechnung gar nicht vor. Auch wenn ihm was passieren würde, ich glaub, es wäre mir egal. Ich kann mir zumindest nicht vorstellen, da etwas wie Bedauern oder Mitleid oder Liebe zu empfinden. Aber gerade deswegen finde ich es jetzt so komisch, dass ich so viel darüber nachdenke. Versteht mich nciht falsch, ich WILL keinen Kontakt mehr zu ihm. Selbst wenn er sich bei mir melden würde, ich würde nicht langfristig darauf eingehen. Er ist für mich nicht mein Bruder, eigentlich bin ich was das Gefühl angeht mindestens ein Einzelkind wenn nicht sogar eine Halbwaise. Ich hatte zu meinen Eltern zwar die meiste Zeit eine gute Beziehung, aber ich fühle mich nicht wohl wenn ich bei ihnen bin oder bei meinen Verwandten. Ich habe das Gefühl, dass dieses Unbehagen welches ich ihnen gegenüber hatte als ich noch ein junges Mädchen war wieder hochkommt, ich will dann einfach nur weg.
Ich weiß nicht wie und ob ich irgendwas ändern soll und kann. Ich denke nicht, dass sich die Beziehung zu ihm oder meiner Familie jemals wieder richten lässt. Es liegt mir fern, das Thema anzuschneiden, da ich nicht denke, dass meine kleingeistige Verwandschaft (ja ihr habt richtig gelesen. Für mich sind sie alle Dörfler denen es größtenteils fern liegt mal über ihren Tellerrand zu kucken) gar nicht verstehen würde, wie sehr mich das früher belastet hat. Alles was ich will ist loslassen, diese Erinnerungen aus meinen Träumen tilgen und mit einem einigermaßen normalen Gefühl die 2 Besuche zu denen ich mich im Jahr zwinge ableisten zu können. Bzw ja, nein, eigentlich weiß ich selbst nicht, was ich will... ich werde mich wohl niemals wohl oder glücklich fühlen wenn ich an meine Familie denke...