pina_12514550Achso, ist Izmir also die Stadt der Sünden ? Eine verkommene, verdorbene Stadt ?
Folter in Izmir (Radikal)
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Datum 030714
Sprache Deutsch
Radikal vom 14.07.2003
Ahmet S.: Folter in Izmir
Die Arbeitsgruppe zur Verhinderung von Folter (Anti-Folter Gruppe) innerhalb der Anwaltskammer Izmir hat allein von einer Polizeistation 9 Fälle von Folter gemeldet, die sich zwischen Anfang April und Mitte Mai dieses Jahres ereignet haben. Es handelt sich hierbei um die Polizeistation Gümüspala, die im Kreis Karsiyaka liegt.
Am 29. Mai hielten die AnwältInnen eine Demonstration vor der Polizeistation ab und sprachen mit dem Polizeichef für den Kreis Karsiyaka, Koray Bakir. Dieser behauptete, dass die Foltervorwürfe nur der Zermürbung der Beamten dienten. Dabei haben die Opfer Atteste erhalten, die die Folter bestätigen. Die AnwältInnen der Arbeitsgruppe haben in allen Fällen Strafanzeige erstattet. Die Ermittlungen dauern an.
Eine der aufschlussreichsten Fälle, die die seit anderthalb Jahren bestehende Anti-Folter Gruppe aufgedeckt hat, bezieht sich auf den 18-jährigen ... Er berichtete, dass er am 8. Mai einem Freund in der Polizeihaft etwas zu essen brachte und einen ihm bekannten Beamten bitten wollen, seinen Freund nicht schlecht zu behandeln. Dafür sei er geschlagen und an einem Haken aufgehängt worden. Er habe sich dann einen Monat in U-Haft befunden und sei mit Widerstand gegen die Staatsgewalt beschuldigt worden.
"Ich fragte nach dem Polizisten mit dem Vornamen Ümit. Erst wurde ich wieder fortgeschickt, da er Besuch habe. Als ich später wieder hinging, um mit ihm zu reden, wurde ich an dem Armen hereingezogen und es hiess, dass nach mir gefahndet werde. Ich verbat mir, dass sie mich beschimpften, aber sie legten mir Handschellen auf dem Rücken an und stecken einen Stock zwischen die Arme. Sie brachten mich in einen Raum in den Garten und hängten mich an den Armen auf. Ein Hauptkommissar und ein glatzköpfiger Beamten schlugen und traten mich. Ein anderer bespritzte mich mit Wasser unter Hochdruck. Mit verbundenen Augen dauerte die Folter ca. 4 Stunden. Später brachten sie mich zu einem Arzt. Ich habe ihm berichtet, was passiert ist und er hat einen Bericht angefertigt. Sie brachten mich zurück und banden meine rechte Hand an meinen rechten Fuss. So musste ich bis in die Morgenstunden ausharren."
In dem ärztlichen Attest wurden Schwellungen, Hautabschürfungen und blaue Flecken bescheinigt, die ... für drei Tage arbeitsunfähig machten. Die Polizisten werfen ... vor, dass er sie mit einem Messer angegriffen habe, aber ... , der deswegen einen Monat im Gefängnis von Buca einsass behauptet, dass diese Vorwürfe nur erhoben wurden, weil er sich wegen Folter beschwert habe. Auch den anderen Folteropfern wurden Atteste ausgestellt, die Arbeitsunfähigkeit zwischen 3 und 15 Tagen bescheinigten. Die Liste der Anti-Folter AG zu den anderen Foltervorwürfen umfasst: 1. April: V.D., U.A. und Y.C. (zwischen 17 und 29) wurden wegen Verdacht des Diebstahls festgenommen. Sie wurden nackt ausgezogen, ihnen wurden die Augen verbunden, sie wurden mit Stöcken geschlagen, mit Wasser unter Hochdruck abgespritzt, Hunger und Durst ausgesetzt, beschimpft, an Händen und Füssen gefesselt, mussten sich die Folterschreie voneinander anhören und nackt auf Beton liegen.
20. April: A.C. (19) wurde unter dem Verdacht des Diebstahls festgenommen, nackt ausgezogen, brutal geschlagen, mit Wasser unter Hochdruck abgespritzt, beschimpft, musste nackt auf Beton liegen.
22. April: Festnahme von Z.U. Seine Augen wurden verbunden, er wurde mit Stöcken geschlagen, nackt ausgezogen, mit Wasser unter Hochdruck abgespritzt und beschimpft.
15. Mai: Ö.G., A.K. und I.E. wurden unter dem Verdacht des Diebstahls festgenommen. Sie wurden in Handschellen und mit verbundenen Augen gehalten, nackt ausgezogen, sie wurden mit Stöcken geschlagen, mit Wasser unter Hochdruck abgespritzt, ihnen wurde an den Haaren gezogen und die Köpfe wurden gegen die Wand geschleudert, sie wurden der Bastonade unterworfen, ihnen wurden die Hoden gequetscht, sie wurden Hunger und Durst ausgesetzt, beschimpft und mussten sich die Folterschreie voneinander anhören.
Die Anti-Folter Gruppe der Anwaltskammer Izmir
Am 10. Dezember 2001 (Tag der Menschenrechte) beschloss der Vorstand der Anwaltskammer Izmir, eine Gruppe von AnwältInnen zu bilden, deren Aufgabe die Verhinderung von Folter sein sollte (kurz: Anti-Folter Gruppe). Die Gruppe nahm im Februar 2002 die Arbeit auf. Ihr sind 50 freiwillige Juristen angeschlossen. An den workshops haben 234 AnwältInnen teilgenommen. Über eine Handynummer ist die Gruppe jederzeit erreichbar.
Daneben hat die Gruppe Untersuchungen zu Folterfällen angestrengt und über einen Zeitraum von 5 Jahren (1997-2001) in den Gerichtsbezirken Izmir (Mitte), Karsiyaka und Bornova (7 Kammern von Landgerichten und 21 Kammer von Amtsgerichten) festgestellt, dass sich 6 Mal so viele Polizeibeamte über körperliche Übergriffe der Verdächtigten beschwerten, als Häftlinge sich über Misshandlung der Polizei beschwerten. In den 5 Jahren wurden 94 Verfahren unter den 243 und 245 TSG (Misshandlung und Folter) eröffnet, während sich im gleichen Zeitraum 848 Personen an die Menschenrechtsstifung der Türkei (TIHV) wandten, um behandelt zu werden). Von den angeklagten Beamten wurden 23,6% verurteilt.
Seit die Gruppe ins Leben gerufen wurden (bis zum 8. April 2003), haben sich 163 Personen (aus 110 Verfahren) an die Anti-Folter Gruppe gewandt. Sieben davon haben später ihre Beschwerde wieder zurückgezogen. Im Falle von 59 Personen (aus 37 Verfahren) kam es zu Anklagen gegen Folterer. Ermittlungen dauern in 43 Fällen an. Eine Akte liegt dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof vor.